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AGRAR/1728: Ukraine - Landreform für Bauern oder Konzerne? (ubs)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 386 - März 2015
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Landreform für Bauern oder Konzerne?
Die Ukraine könnte ein neues Zentrum des Landgrabbing von Agrarindustriellen aus aller Welt werden

Von Eckehard Niemann


Lichtblick Landwirtschaft - so der Titel eines Handelsblatt-Artikels über den Agrarsektor der Ukraine. Während die Industrieproduktion sinkt, steigen die ukrainischen Getreide- und Sonnenblumenernten auf den riesigen Schwarzerdeflächen - auch ohne die Krim und die nicht abgeernteten Flächen im Industrierevier Donbass. Die ukrainische Regierung hofft - gerade angesichts weggebrochener Lieferungen nach Russland und westlicher Milliardenkredite - auf den Ausbau der Exporte von Weizen, gentechnikfreiem Soja und Fleisch. Sie will die Ukraine zum "investorenfreundlichsten Land der Region" machen.

Der ukrainische Oligarch Firtasch möchte denn auch mit Deutschland einen Garantiefonds über 500 Millionen Dollar schaffen, in den auch Großunternehmer wie Achmetow und Pintschuk investieren, um die Finanzierung von Agrarprojekten zu erleichtern. Auch John-Deere-Manager Stratmann wünscht sich ein "beherzteres Auftreten" der Bundesregierung in der Ukraine: Bislang gebe es in der ukrainischen Landwirtschaft etwa 400 deutsche Investoren, in der rumänischen aber 8.000. Jetzt sei der richtige Zeitpunkt für Investitionen, die Preise seien günstig. Auch Rainer Lindner, Chef des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft, sieht die Landwirtschaft als "treibende Entwicklungskraft der ganzen Region" und fordert "mutige Reformen beim Bodenrecht und die Einführung moderner Technologien". Das sieht auch Alex Lissita so, Chef des Ukrainian Agribusiness-Clubs und der börsennotierten Industrial Milk Company mit 136.000 Hektar und 7.000 Kühen.

Kleinbauern, Oligarchen und Multis

An einen breiten Verkauf von Agrarflächen denkt die ukrainische Regierung aber laut Handelsblatt noch nicht - eher an eine Landreform und privaten Landbesitz als Sicherheit für Kredite. Fast ein Fünftel derBevölkerung (vor allem im Westteil) lebt von der Landwirtschaft, die 12% des Bruttoinlandprodukts erzeugt. Die Ukraine hat mit 32 Millionen Hektar doppelt so viel Ackerland wie Deutschland, erzielt aber mit 35 Millionen Tonnen nur 70% der deutschen Getreideproduktion (die FAO hält 75 Millionen Tonnen für möglich). 40% der Agrarflächen werden durch kleine, aber stabile Subsistenzbetriebe unter einem Hektar bewirtschaftet, 50% durch Kolchose-Nachfolger auf Pachtbasis (mit durchschnittlich 1.200 Hektar), die restlichen 10% durch Kleinbetriebe mit durchschnittlich fünf Hektar und durch 43.000 Mittelbauern (80 bis 500 Hektar).

Ausländische Investoren

Laut neuer ukrainischer Regierung sollen Bodenverkäufe vorerst verboten bleiben. Aber bereits unter der alten Regierung Janukowitsch wurde laut Wirtschaftswoche mit China vereinbart, dass das Staatsunternehmen XPCC vom ukrainischen Agrarkonzern KSG Agro 100.000 Hektar in der Schwarzmeerregion kaufen kann. China will bis zu drei Millionen Hektar besten Landes in der Ostukraine kontrollieren - eine Fläche so groß wie Belgien. Auch die Golfstaaten sind in der Ukraine aktiv. Laut Bericht des amerikanischen Oakland-Instituts wurden seit 2002 schon 1,6 Millionen Hektar Land an multinationale Unternehmen überschrieben. Davon gingen mehr als 405.000 Hektar an ein Unternehmen mit Sitz in Luxemburg, weitere 444.800 an einen in Zypern registrierten Investor, 120.000 an ein französisches Unternehmen und 250.000 Hektar an eine russische Firma. Der Rohstoff-Multi Cargill, Anbieter auch von Agrarchemie, hat demnach in Getreidesilos, Hafenterminals, Sonnenblumenöl- und Futtermittelwerke investiert und zudem Anteile an UkrLandFarming, dem größten Agrarunternehmen des Landes, erworben. Berichtet wird von Investitionen von Monsanto und DuPont in Saatgutfabriken.

Rahmenbedingungen

Auf die Attraktivität produktiver Böden, niedriger Lohnkosten und attraktiver Lagen für internationale Investoren verweist auch das deutsche IAMO-Institut - aber auch auf die hemmenden politischen und infrastrukturellen Rahmenbedingungen mit ineffizienter Verwaltung und Korruption.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 386 - März 2015, S. 7
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Juni 2015

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