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AGRAR/1666: El Salvador - Land soll sich US-Saatgutherstellern öffnen, Kleinbauern in Sorge (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 7. Juli 2014

El Salvador: Land soll sich US-Saatgutherstellern öffnen - Kleinbauern in Sorge

von Edgardo Ayala


Bild: © Edgardo Ayala/IPS

Cruz Esmeralda Mejía, Maybelyne Palacios und Rosa María Rivera bringen junge Maispflanzen aus, die ihre Kooperative La Maroma in der salvadorianischen Region Bajo Lempa gezüchtet hat
Bild: © Edgardo Ayala/IPS

Jiquilisco, El Salvador, 7. Juli (IPS) - Gladys Cortez ist Mitglied der Kooperative 'La Maroma', die im Süden El Salvadors Saatgut für die Regierung züchtet. "Ich mache mir Sorgen um meinen Job", meint die 36-Jährige. Die zweifache Mutter fürchtet, dass sie ihren Lebensunterhalt verliert, sollten US-amerikanische Saatguthersteller bei den öffentlichen Ausschreibungen mitbieten.

Die US-Botschafterin in El Salvador, Mari Carmen Aponte, hat unlängst bekannt gegeben, dass die US-Regierung die Bereitstellung eines Entwicklungshilfepakets im Wert von 277 Millionen US-Dollar an die Auflage knüpfen wird, dass das zentralamerikanische Land sein Ausschreibungsverfahren für Saatgutlieferungen für US-amerikanische Unternehmen öffnet.

Die Ausgrenzung US-amerikanischer Firmen sei ein Verstoß gegen das Freihandelsabkommen zwischen den USA, Zentralamerika und der Dominikanischen Republik (DR-CAFTA), das El Salvador 2004 unterzeichnet habe, erklärte Aponte gegenüber den lokalen Medien.


Lokales Saatgut für lokale Bauern

Seit 2011 bezieht die salvadorianische Regierung von 18 Produzenten jährlich 88.000 Zentner Maissaatgut, das im Rahmen eines Programms zur Förderung der familiären Landwirtschaft an 400.000 Kleinbauern abgegeben wird. Jeder Bauer erhält zehn Kilo Saatgut und 45 Kilo Dünger pro Jahr. Zu den 18 Saatgutherstellern gehören La Maroma und vier weitere Kooperativen in der Region Bajo Lempira im Süden des salvadorianischen Departements Usulután.

Diese Ländereien waren im Anschluss an die Friedensabkommen von 1992 aufgeteilt und an ehemalige Kämpfer der Nationalen Befreiungsfront Farabundo Martí (FMLN) vergeben worden. Die FMLN ist seit dem Ende des Bürgerkriegs eine politische Partei. Der zwölfjährige Konflikt kostete 75.000 Menschen das Leben.

Als die FMLN 2009 erstmals die Regierungsgeschäfte übernahm, gab sie lokalen Produzenten von zertifiziertem Saatgut den Vorzug. Zertifiziertes Saatgut ist besonders ertragreich und klimaresistent. Es wird durch die Kreuzung verschiedener Genotypen gewonnen, die anders als transgene Saaten nicht modifiziert werden. Die Genossenschaften züchten zudem einheimische Varietäten. Die Qualität wird vom salvadorianischen Agrarministerium kontrolliert, das im vergangenen Jahr Saatgut im Wert von 25,9 Millionen US-Dollar eingekauft hatte. Dabei ging es in erster Linie um Mais und Bohnen, den Grundnahrungsmitteln des Landes.

Bis 2011 hatte die salvadorianische Niederlassung des US-Biotechnologieriesen Monsanto, 'Semillas Cristiani Burkard', 70 Prozent des lokalen Saatgutmarktes beherrscht. Seither haben Kooperativen und andere landwirtschaftliche Akteure mit hochwertigerem und kostengünstigerem Saatgut den lokalen Markt zurückerobert.

Im letzten Jahr wurde ein im Dezember 2012 erlassenes und vom Parlament gebilligtes Exekutivdekret umgesetzt, durch das die Teilnahme von US-Unternehmen an dem Ausschreibungsprozess quasi unterbunden wurde. Die US-Botschaft forderte daraufhin ein öffentliches und "transparentes" Ausschreibungsverfahren.

Im Januar 2014 stimmten El Salvadors Abgeordnete einem neuen Dekret zu, das internationalen Unternehmen die Teilnahme an den Ausschreibungsverfahren erlaubt. Doch erhielten im April die gleichen 18 Saatguthersteller den Zuschlag. Der seit dem 1. Juni amtierende Staatspräsident und ehemalige Guerillakommandant Salvador Sánchez Cerén hat jedoch inzwischen die Bereitschaft signalisiert, internationale Firmen an den Ausschreibungen für die Lieferung von Saatgut zu beteiligen.


"Saatgut von Monsanto"

US-Botschafterin Aponte drängt die Regierung zu einem Ausschreibungsverfahren, das US-Hersteller begünstigt. Widerstand kommt jedoch von Sozialverbänden und lokalen Saatgutproduzenten, die im Juni vor der US-Botschaft gegen den US-Druck protestierten. "In Grunde geht es um das Saatgut von Monsanto", meint der Umweltschützer Ricardo Navarro im IPS-Gespräch.

Der Biotechnologiekonzern ist der weltweit führende Hersteller genmanipulierter Organismen (GMOs) und lateinamerikaweit Zielscheibe von Protesten. Auch wenn Aponte keine Namen nannte, "ist klar, dass Monsanto gemeint ist, nachdem das Tochterunternehmen einen Teil seines Marktsegments verloren hat, von dem Monsanto glaubt, dass es ihm zusteht", so Navarro.

Eine Anfrage von IPS für ein Interview mit dem Wirtschaftsberater der US-Botschaft in San Salvador, John Barrett, wurde abgelehnt. Allerdings ließ die Botschaft in einer Mitteilung vom 2. Juli wissen, dass man zufrieden mit der Zusage der Regierung sei, das Ausschreibungsverfahren für die Lieferung von Mais und Bohnen künftig transparenter und auf Grundlage der salvadorianischen Gesetze und von DR-CAFTA konkurrenzfähiger zu gestalten.

Monsanto-Sprecher Tom Helscher teilte derweil in einer E-Mail an IPS mit, dass das Unternehmen an der Kampagne der US-Botschaft in El Salvador nicht beteiligt sei.

Der Streit hat inzwischen die US-Legislative erreicht. 16 Kongressmitglieder brachten in einem Schreiben an US-Außenminister John Kerry ihr Befremden zum Ausdruck, dass das Büro des US-Handelsbeauftragten (USTR) über die Botschaft Druck auf El Salvador ausübe.

Nathan Weller von 'EcoViva', einer US-Organisation, die Entwicklungsprojekte in Bajo Lempa durchführt, erklärte IPS, dass sich etliche US-Unternehmen in unterschiedlichen Bereichen Direktverträge sichern würden, ohne dass öffentliche Ausschreibung vorangingen. Beide Verfahrensweisen seien legal, ließen jedoch die Transparenz missen, die die Botschaft im Zusammenhang mit der Zulassung zum salvadorianischen Saatgutmarkt einfordere.

So wurde 'Chevron Caribbean' nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums 2009 und 2010 mit der Lieferung von Treibstoff im Wert von 340.000 respektive 361.000 Dollar beauftragt. Das Unternehmen habe deutlich mehr als den marktüblichen Preis verlangt, ohne dass das USTR eingeschritten wäre, erläuterte Weller.


Saatgut für ein besseres Leben

Die Zucht von Saatgut ist in einem armen Land wie El Salvador eine wichtige Erwerbsquelle. In den ländlichen Gebieten leben 43 Prozent der Haushalte unterhalb der Armutsgrenze. In den Städten liegt der Anteil bei 29,9 Prozent, wie aus einer Untersuchung des salvadorianischen Wirtschaftsministeriums aus dem letzten Jahr hervorgeht.

"Wir stellen neben Arbeitsplätzen auch das Produktivpotenzial der lokalen Genossenschaften unter Beweis", sagt der Kleinbauernführer Juan Luna, der das Agrarprogramm der Kooperative 'Mangle' koordiniert.

"Wir liefern das Saatgut, das wir zum Überleben brauchen", meint Gladys Cortez von La Maroma. Sie und die anderen Genossenschaftsmitglieder verdienen hier fünf Dollar pro Tag. Allein in Bajo Lempa sichern sich der Kooperative zufolge 15.000 Kleinbauern als Saatgutzüchter ein Zubrot. "Wir verdienen nicht viel", räumt Cortez ein. "Doch positiv ist für mich als alleinerziehende Mutter, ein regelmäßiges Einkommen zu haben". (Ende/IPS/kb/2014)


Links:

http://www.ipsnoticias.net/2014/07/campesinos-salvadorenos-se-enfrentan-a-eeuu-por-las-semillas/
http://www.ipsnews.net/2014/07/salvadoran-peasant-farmers-clash-with-u-s-over-seeds/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 7. Juli 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Juli 2014