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AGRAR/1527: Nahost - Blumen aus dem Gazastreifen, Produzenten hoffen auf bessere Zeiten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 16. Januar 2012

Nahost: Blumen aus dem Gazastreifen - Produzenten hoffen auf bessere Zeiten

von Mohammed Omer

Blumenpflanzer Ayman Siam hofft auf den Weltmarkt - Bild: © Mohammed Omer/IPS

Blumenpflanzer Ayman Siam hofft auf den Weltmarkt
Bild: © Mohammed Omer/IPS

Rafah, 16. Januar (IPS) - Ayman Siam züchtet in diesem Jahr weniger Nelken. Denn die Verluste, die er infolge der israelischen Blockadepolitik gegen den Gazastreifen erlitten hat, zwingen ihn zum Umdenken. So baut er jetzt vorwiegend robusteren Strandflieder an.

Zwar hat Israel kürzlich vier Lkws mit Erdbeeren und Blumen aus dem Gazastreifen durchgelassen und damit den Würgegriff auf die Ausfuhren aus dem Palästinensergebiet ein wenig gelockert. Doch der Exporteur will auf Nummer sicher gehen.

"Das Geschäft mit den Nelken hat mir in den letzten fünf Jahren Einbußen von fast einer Million US-Dollar beschert, die Kosten für die Pflanzen und Düngemittel eingerechnet", berichtet der Unternehmer. Weil er seine Rechnungen nicht mehr bezahlen konnte, gingen seine Zulieferer gerichtlich gegen ihn vor. Zudem sah er sich gezwungen, Mitarbeiter zu entlassen.


Hilfe aus den Niederlanden

Wie andere Blumenzüchter aus den palästinensischen Gebieten hofft Siam nun, dass sich die Beziehungen zu den Niederlanden und der Europäischen Blumenbörse, die er mit seinen Produkten beliefert, nun verbessern werden. Die Niederlande haben damit begonnen, die Farmer im Gazastreifen finanziell zu unterstützen.

Der 41-Jährige produziert weit unterhalb seiner Kapazitäten. "Ich musste die Anbaufläche im Zeitraum November 2011 bis Mai 2012 von acht Dunum (8.000 Quadratmeter) auf drei Dunum (3.000 Quadratmeter) verkleinern. Unser Angebot war gut. Die Nachfrage war gut. Das Problem war die israelische Blockade."

Jetzt hofft Siam, dass die neuen Blumen die möglichen Verzögerungen an den israelischen Kontrollposten besser verkraften werden als Nelken. Es steht viel auf dem Spiel. Schließlich geht es um 15.000 Blumen, die erstmals wieder als palästinensische Erzeugnisse den Gazastreifen verlassen werden. In der Vergangenheit hatte das israelische Unternehmen 'Agrexco' die palästinensischen Blumen aufgekauft und auf den europäischen Märkten als eigene Produkte verkauft.

Jetzt, da immer mehr internationale Gruppen israelische Produkte boykottieren, verpacken palästinensische Unternehmer ihre Erzeugnisse in Kisten mit dem Aufdruck 'made in Palästina'. "Es macht mich stolz, dass meine Waren als palästinensische Produkte verkauft werden", sagt Siam. Der Anfang war viel versprechend, die Nachfrage nach seinen Blumen groß - auch nach roten und weißen Nelken.

Und Unterstützung ist in Sicht. "Züchter aus dem Gazastreifen haben ein großes Potenzial und ich hoffe, dass sie ihre Geschäftsmöglichkeiten erweitern können", sagt Ada Cohen, die für die Region Nahost zuständige Managerin des niederländlichen Unternehmens 'Floral Holland'.

Auch die Beschäftigten sind erleichtert. Mohammed Dahlez beispielsweise hat seinen alten Job wieder. "Wir hoffen so sehr, dass wir eines Tages einen eigenen Seehafen haben, um unsere Erzeugnisse von Rafah direkt in die Niederlande zu schiffen", sagt er.

Mahmoud Khalil, Leiter der Vereinigung der Blumen- und Beerenzüchter, wünscht sich zunächst vor allem, dass die Blumen wieder regelmäßig den Weg ins Ausland finden. "Vor 2005 wurden aus dem Gazastreifen jährlich 50 bis 60 Millionen Blumen in die Niederlande geliefert. Inzwischen sind es nur noch bis zu 16 Millionen."


Am Nullpunkt

Viele Züchter haben sich von den Verlusten nicht erholt. Auf dem Höhepunkt der Blockade 2008 wurden Millionen von Majed Hadaeids Blütenköpfen an Gänse, Esel, Kamele und Schafe verfüttert. Diesen Verlust konnte er nicht verkraften. Zudem musste er 200 Arbeiter entlassen. "Ich bin am Ende", sagt er. Hilfe aus den Niederlanden wird er nicht erhalten. Der mit zwei Millionen US-Dollar bestückte Hilfsfonds ist ausschließlich für kleine Züchter gedacht.

Die meisten Unternehmen, die durchgehalten haben, sind am Boden. Khalil zufolge konnte die Branche im Gazastreifen einst 4.000 Menschen beschäftigen. Inzwischen sind es nur noch 500. "Die Herausforderung für uns besteht darin, dass wir nur ein kleines Quantum produzieren, aber trotzdem fixe Transportkosten zahlen müssen." Seit zwei Monaten versucht seine Organisation die Bauern zu ermutigen, wieder mehr Blumen zu pflanzen.

Siam würde nur allzu gern sein Geschäft auf den Stand von vor fünf Jahren bringen. Seiner Meinung nach "hängt alles vom Druck der Niederlande auf die israelische Regierung ab, uns zu erlauben, mit den Blumenexporten fortzufahren". (Ende/IPS/kb/2012)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Januar 2012