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REFORM/025: Neue nichtständige Mitglieder - Schwellenländer fordern elitären Sicherheitsrat heraus (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 13. Oktober 2010

UN: Neue nichtständige Mitglieder - Schwellenländer fordern elitären Sicherheitsrat heraus

Von Thalif Deen


New York, 13. Oktober (IPS) - Wenn sich der 15-köpfige UN-Sicherheitsrat im kommenden Januar trifft, wird nicht nur Deutschland als neues nichtständiges Mitglied an den Beratungen teilnehmen. Auch Indien, Kolumbien, Portugal und Südafrika werden nun Seite an Seite mit den Vetomächten USA, China, Russland, Frankreich und Großbritannien an dem berühmten Hufeisen-Tisch Platz nehmen. Das Besondere an der neuen Zusammensetzung des Gremiums: Unter den insgesamt zehn nichtständigen Mitgliedern sind einige der einflussreichsten Schwellenländer anzutreffen.

Nach Einschätzung politischer Beobachter wird sich im nächsten Jahr zeigen, ob das Gremium in seiner neuen Konstellation tatsächlich größeren Einfluss gewinnt. Deutschland und Indien haben lange auf einer Liste mit vier Kandidaten für ständige Sitze im Sicherheitsrat gestanden.

Bei den anderen Bewerbern für ein permanentes Mandat handelt es sich um Brasilien, dessen nichtständige Mitgliedschaft Ende 2011 nach zwei Jahren endet sowie um Japan, das bereits in diesem Dezember ausscheidet. Neumitglied Südafrika gilt als Repräsentant Afrikas als aussichtsreicher Anwärter für einen ständigen Sitz, obwohl das Land bisher nicht öffentlich Interesse daran angemeldet hat.

Im nächsten Jahr könnten sich zwei mächtige neue Machtblöcke bilden. Auf der einen Seite stünden Brasilien, Russland, Indien und China, auf der anderen Indien, Brasilien und Südafrika. Ein Diplomat aus einem Entwicklungsland, der nicht namentlich genannt werden wollte, erklärte gegenüber IPS, die Effizienz des Sicherheitsrats werde auf den Prüfstand gestellt. Es werde sich zeigen, ob die Präsenz potenzieller ständiger Mitglieder einen Unterschied mache. "Werden sie den Rat dazu bringen können, über den Tellerrand hinaus zu schauen und dringliche Probleme wie Frieden und Sicherheit in der Welt anzugehen?" fragte er.

Indien, das für den Zeitraum 2010 und 2011 gewählt wurde, war bereits sechs Mal nichtständiges Mitglied. Deutschland war vier Mal dabei, Brasilien und Japan jeweils zehn Mal. Letztere Staaten waren bisher die längste Zeit in dem Gremium präsent. Dicht dahinter folgt Argentinien, das acht Mal einen nichtständigen Sitz erhielt.


Vetomächte wollen unter sich bleiben

Die Vetomächte scheinen nicht sonderlich darauf erpicht, ihren elitären Zirkel für weitere ständige Mitglieder zu öffnen. Bei der Wahl in der UN-Vollversammlung zeigte sich allerdings deutlich, dass Indien beträchtlichen internationalen Einfluss hat. Der Subkontinent erhielt 187 von möglichen 192 Stimmen. Kolumbien folgte mit 186, Südafrika mit 182, Portugal mit 150 und Deutschland mit 128 Stimmen. Als eine der größten Überraschungen wurde der Rückzug Kanadas gewertet, das nach Portugal als chancenreicher Kandidat galt.

Der indische UN-Botschafter Hardeep Dingh Puri erklärte, dass die Wahl "unsere Motivation stärkt, uns in dem Rat für Fragen einzusetzen, die für uns immer schon Priorität hatten". Indiens Außenminister S.M. Krishna sprach in New York mit Kollegen aus mehr als 120 Staaten, um große Unterstützung für sein Land zu sichern.

Als Indien im Oktober 1996 mit Japan um einen nichtständigen Sitz konkurriert hatte, musste es eine herbe Schlappe hinnehmen. Japan setzte sich mit 142 Stimmen durch, während lediglich 40 Länder für Indien votierten. "Die Niederlage war schockierend", kommentierte der ehemalige indische Premierminister Atal Bihari Vajpayee.

Seit die Wahl der Sicherheitsmitglieder anonym erfolgt, halten sich viele Länder nicht mehr an vorher gegebene Stimmversprechen. Japan hatte damals seine wirtschaftliche Machtstellung und erhöhte Hilfszusagen dazu genutzt, Indien Stimmen abzujagen. Der südasiatische Staat konnte später aber geltend machen, mit deutlicher Mehrheit vor Bangladesch, Pakistan und Sri Lanka in den UN-Menschenrechtsrat gewählt worden zu sein.


Indien zur asiatischen Supermacht aufgestiegen

"Es ist ausgleichende Gerechtigkeit, wenn die größte Demokratie der Welt die meisten Stimmen erhält", erklärte der frühere indische UN-Botschafter Nirupam Sen. Inzwischen ist das Land zur asiatischen Supermacht aufgestiegen. Aus dem einstigen Hilfsempfänger ist ein wichtiger Geberstaat geworden.

Bei den Vereinten Nationen setzt sich Indien außerdem vehement für eine Vergrößerung des Sicherheitsrats ein. "Von ständigen Mitgliedern ist zu erwarten, dass sie über ihre nationalen Interessen hinaus gehen, wenn es um internationale Friedens- und Sicherheitsfragen geht", sagte Puri. "Daher ist es wichtig, dass die permanente Mitgliedschaft die aktuelle Realität widerspiegelt und alle Regionen der Welt adäquat berücksichtigt." (Ende/IPS/ck/2010)

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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Oktober 2010