Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → UNO


ORGANISATION/562: Umsetzung der kommenden Nachhaltigkeitsagenda kostet Billionen Dollar (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 4. August 2015

Entwicklung: Umsetzung der kommenden Nachhaltigkeitsagenda kostet Billionen

von Thalif Deen


Bild: © Mark Garten/UN

Macharia Kamau, ständiger Vertreter Kenias bei den Vereinten Nationen, während einer Pressekonferenz am 2. August zum neuen Entwicklungsfahrplan, der auf dem Entwicklungsgipfel im September angenommen werden wird
Bild: © Mark Garten/UN

NEW YORK (IPS) - Nach mehr als zwei Jahren intensiver Verhandlungen haben die 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen einstimmig für die Post-2014-Entwicklungsagenda mit 17 Nachhaltigkeitszielen gestimmt. Die Kosten für die Umsetzung des auf 15 Jahre festgelegten globalen Entwicklungsfahrplans wurden mit jährlich zwischen 3,5 Billionen und fünf Billionen US-Dollar angegeben.

Wie der kenianische Botschafter bei den Vereinten Nationen und Ko-Faszilitator des zwischenstaatlichen Konsultativprozesses, Macharia Kamau, am 3. August auf der Pressekonferenz im Anschluss an die Abstimmung erklärte, handelt es sich um ehrgeizige aber durchaus erreichbare Investitionsziele. Der Großteil werde von Regierungen und der Privatwirtschaft aufgebracht. "Es ist wichtig, dass sich alle Länder dieser Herausforderung stellen", erklärte er und fügte hinzu, dass die Mitwirkung der Privatwirtschaft ein Muss sei.

Der UN-Untergeneralsekretär für wirtschaftliche und soziale Angelegenheiten, Wu Hongbo aus China, drückte sich gegenüber den Journalisten zurückhaltender aus: "Es ist schwierig, konkrete Zahlen zu nennen", erklärte er. Alle 193 UN-Mitgliedstaaten seien aufgerufen, die Gelder aufzubringen, die zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele (SDGs) benötigt würden. Die SDGs schließen an die 15-jährigen Millenniumsentwicklungsziele an, die Ende des Jahres auslaufen.

Die neuen Ziele, die Teil der neuen Post-2015-Entwicklungsagenda sind, werden auf dem Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs vom 25. bis 27. September in New York beschlossen. Sie decken eine Vielzahl politischer und sozioökonomischer Themen einschließlich Armut, Hunger, Geschlechtergerechtigkeit, Industrialisierung, nachhaltige Entwicklung, Menschenrechte, qualitativ hochwertige Bildung, Klimawandel und nachhaltige Energien für alle ab.

"Die neue Agenda ist einzigartig, universell und beinhaltet für alle Länder der Welt, auch die reichen und mächtigen, Zielvorgaben und Verantwortlichkeiten", so Jens Martens, Leiter des Europa-Büros des 'Global Policy Forum' mit Sitz in Bonn, der die zurückliegenden Verhandlungen beobachtet hatte. Ferner beschäftige sich die Agenda mit der zunehmenden Ungleichheit zwischen und Ländern und den enormen Unterschieden, was Chancen, Reichtum und Macht angehe. Einige der Nachhaltigkeitsziele wie die Eliminierung der Armut überall und in allen ihren Erscheinungsformen bis 2030 seien extrem ehrgeizig.


Entwicklungsfinanzierung bleibt Problem

Doch weniger ehrgeizig sei die Agenda, wenn es an die praktische Umsetzung gehe, sagte Martens. "Die Umsetzung der SDGs verlangt fundamentale Veränderungen der Steuerpolitik, der Regulierung und Weltordnung. Doch das, was wir in der neuen Agenda vorfinden, reicht bei weitem nicht aus, um den angestrebten transformativen Wandel herbeizuführen. Ziele, denen es an ausreichenden Instrumenten gebricht, sind bedeutungslos", fügte er hinzu.

Ähnlich argumentierte auch Bhumika Muchhala, Finanz- und Entwicklungsexpertin beim 'Third World Network'. Wie sie betonte, werden die Gelder zur Finanzierung der SDGs vornehmlich aus zwei Quellen kommen: aus privatwirtschaftlichen Partnerschaften, wie sie in SDG 17 vorgesehen sind, und anderen Initiativen wie die der Nachhaltigen Energie für alle der Globalen Finanzierungsfazilität sowie - in Ermangelung alternativer Finanzierungsmittel - direkt aus den Staatssäckeln der Entwicklungsländer.

In Abwesenheit zwischenstaatlicher Evaluierungs- oder Kontrollverfahren könnten diese wild wuchernden Partnerschaften unterschiedlicher Interessengruppen agieren, ohne haftbar gemacht oder zur Einhaltung von Transparenzprinzipien angehalten zu werden. Auch könnten Vorab- und unabhängige Gutachten, zu denen sich selbst die Weltbank-Gruppe gezwungen sehe, wegfallen.

Shannon Kowalski von der Internationalen Koalition für Frauengesundheit, hält die SDGs gerade für Frauen und Mädchen für einen entscheidenden Schritt nach vorn. Das neue Rahmenwerk besitze das Potenzial, die Spielregeln zugunsten von Geschlechtergerechtigkeit zu verändern, die Voraussetzung für jede nachhaltige Entwicklung sei.

"Frauen und Mädchen überall auf der Welt können von den SDGs ausgiebig profitieren. Doch damit dies tatsächlich geschehen kann, müssen wir den Druck auf die Regierungen aufrechterhalten, damit sie ihre Versprechen tatsächlich umsetzen", fügte sie hinzu.

Lob kam auch von Ian Koski, einem Sprecher der 'ONE Campaign'. Die neuen Ziele legten den Grundstein für eine Welt, in der niemand mehr hungern oder an den Folgen einer besiegbaren Krankheit sterben müsse. Allerdings reichten die Ziele allein nicht aus. Koski zufolge kommt es jetzt darauf an, für Rechenschaftspflicht zu sorgen und den Bürgern die Informationen zugänglich zu machen, die zeigen, dass politische Entscheidungsträger ihren eingegangenen Verpflichtungen nachkämen.


"Agenda der Menschen"

Laut UN-Generalsekretär Ban Ki-moon bedeutet die neue Entwicklungsagenda einen historischen Wendepunkt in der Menschheitsgeschichte. "Das ist eine Agenda der Menschen, ein Aktionsplan zur Ausrottung der Armut in allen ihren Erscheinungsformen - unumkehrbar und überall", betonte er. Niemand werde zurückgelassen und Partnerschaft zwischen den Menschen und dem Planeten aufgebaut.

Wie Ban weiter betonte, wird mit der Annahme der SDGs auf dem Gipfeltreffen im September eine neue Ära der nachhaltigen Entwicklung eingeläutet, in der die Armut keine Chance mehr habe, der Wohlstand geteilt und die treibenden Kräfte des Klimawandels angegangen würden.

Auch Deon Nel vom Weltnaturschutzbund WWF begrüßte die neue Entwicklungsagenda. Die Ziele seien universeller Natur und verpflichteten alle Staaten dazu, im nationalen Kontext und jenseits der eigenen Grenzen aktiv zu werden. Die nationalen Zusagen müssten zu einem Ergebnis führen, das allen Menschen helfe, in einer gesunden Umwelt zu leben.

Wie er weiter erklärte, stellt der neue Entwicklungsfahrplan eine deutliche Verbesserung der UN-Millenniumsentwicklungsagenda dar, da er das Zusammenwirken zwischen der Nachhaltigkeit der Dienstleistungen, der Natur und der Armutsbekämpfung, der wirtschaftlichen Entwicklung und dem Wohlergehen der Menschheit anerkenne. (Ende/IPS/kb/04.08.2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/08/u-n-targets-trillions-of-dollars-to-implement-sustainable-development-agenda/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 4. August 2015
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. August 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang