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ORGANISATION/557: UN-Nothilfeprogramme für Palästina-Flüchtlinge gefährdet (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 3. Juli 2015

Nahost: UN-Nothilfeprogramme für Palästina-Flüchtlinge gefährdet

von Mel Frykberg


Bild: © Mel Frykberg/IPS

UNRWA-Sprecher Chris Gunness
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JERUSALEM (IPS) - Das Palästina-Hilfswerk der Vereinten Nationen (UNRWA) steckt in einer tiefen Krise. Sollten sich bis Ende des Monats keine neuen Finanzierungshilfen einstellen, werden die Zuwendungen für die palästinensischen Flüchtlinge in Syrien, im Libanon, im Gazastreifen und im Westjordanland weiter reduziert.

"Derzeit sind wir mit einem Finanzierungsdefizit in Höhe von 101 Millionen US-Dollar konfrontiert. So wie sich die Lage derzeit darstellt, wird UNRWA ab September schwer zu kämpfen haben, um funktionsfähig bleiben zu können. Uns fehlen sogar die Mittel, um unsere Kernaktivitäten bis Ende des Jahres aufrechtzuerhalten", warnte der UNRWA-Sprecher Chris Gunness im Interview mit IPS. "Aufgrund etlicher vorgenommener Einsparungen werden wir zumindest die lebensrettenden Nothilfemaßnahmen bis Ende des Jahres durchführen können."

In Folge der Finanzierungskrise sieht sich UNRWA gezwungen, die Verträge von 35 Prozent der 137 Mitarbeiter zu beenden. Auch das ist einer der Schritte, die UNRWA unternommen hat, um Kosten einzusparen und zu verhindern, dass die Basisleistungen für palästinensische Flüchtlinge in Syrien, dem Libanon, im Gazastreifen und im Westjordanland eingestellt werden müssen.

Wie Gunness betonte, gibt es keinen Bereich, der nicht von der Finanzierungskrise ausgespart wurde. "Betroffen ist unser Fonds, mit dem wir unsere Kernaufgaben wie Bildung, Gesundheitsversorgung und Sozialleistungen finanzieren. Das Gleiche gilt für den Nothilfefonds für die Menschen im Gazastreifen und im Westjordanland, die unter der israelischen Blockade beziehungsweise Besatzung leiden."

UNRWA betreut zudem mehr als 400.000 Vertriebene in Syrien, 45.000 Menschen, die aus dem Libanon geflohen sind, und die 15.000 Palästinenser, die sich über die Grenze nach Jordanien gerettet haben.


Umfangreiche Kürzungen

Nach der Zerstörung des Gazastreifens im Zuge der israelischen Militärkampagne im Juli und August letzten Jahres hat UNRWA im Oktober 2014 in der ägyptischen Hauptstadt Kairo eine Wiederaufbauinitiative in Höhe von 720 Millionen US-Dollar angekündigt.

Teile der Gelder waren für die Menschen im Gazastreifen bestimmt, deren Häuser zu stark beschädigt waren, um darin leben zu können. "Im zurückliegenden Februar mussten wir jedoch das Programm einstellen, weil uns 585 Millionen US-Dollar fehlten. Aufgrund des Defizits konnte im Gazastreifen kein einziges Wohnhaus wiederaufgebaut werden. Der Wiederaufbau steckt also in einer wirklich tiefen Krise."

Im letzten Jahr hatte UNRWA in Syrien Nothilfemittel in Höhe von 417 Millionen Dollar angemahnt, doch nur 52 Prozent des Betrags erhalten. Daraufhin sah sich das Hilfswerk gezwungen, die Zahl seiner Bargeldvergabeprogramme von sechs auf drei zu verringern.

Die Verteilung von Bargeld gehört zu den wichtigsten UNRWA-Nothilfemaßnahmen in Syrien, nachdem dort viele UN-Einrichtungen im Zuge des Bürgerkrieges zerstört und die Möglichkeiten der Entwicklungsorganisation, den Flüchtlingen zu helfen, so stark eingeschränkt worden waren. Angesichts der knappen Mittel, die UNRWA für Syrien erhalten hat, konnten den Flüchtlingen in Syrien gerade einmal 50 US-Cent pro Tag ausgezahlt werden. "Stellen Sie sich vor, mit 50 Cent am Tag überleben zu müssen. Das ist nahezu unmöglich. Unsere Geber waren zwar großzügig, aber nicht großzügig genug", erklärte Gunness.

Im Libanon sind die Palästinenser auf eine Vielzahl von UNRWA-Hilfen einschließlich Mietzuschüsse angewiesen. "Wir hatten jeweils 100 US-Dollar monatlich zu den Mieten beigesteuert", erklärte Gunness. "Doch damit kommt man in einem teuren Land wie dem Libanon nicht allzu weit."

Wie der UNWRA-Sprecher berichtete, hatte er bei einem Libanon-Aufenthalt eine palästinensische Flüchtlingsfamilie im Shatila-Lager in Beirut besucht, die für einen 36 Quadratmeter großen Raum mit einer kleinen Küche und einem winzigen Badezimmer einen monatlichen Mietzins in Höhe von 200 Dollar zahlte. "Wir mussten unsere Mietbeihilfen Ende Juni kürzen, und ich nehme an, die Familie lebt inzwischen auf der Straße."


Weitere Einsparungen befürchtet

Die jährlichen Betriebskosten von UNRWA belaufen sich auf 35 Millionen US-Dollar. Darin enthalten sind die Gehälter für 30.000 Mitarbeiter inklusive 22.000 Lehrer und die Kosten der Flüchtlingsbasisversorgung.

"Sollten wir keine zusätzlichen Mittel für die Bewältigung der Krise erhalten", warnte Gunness, "werden wir in den kommenden Wochen noch weitere, für die Palästina-Flüchtlinge sehr schmerzhafte Einschnitte vornehmen müssen". (Ende/IPS/kb/03.07.2015)


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http://www.ipsnews.net/2015/07/funding-for-desperate-palestinian-refugees-under-threat/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Juli 2015

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