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ORGANISATION/541: Ex-Regierungs- und Staatschefs legen der UN Empfehlungen vor (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 11. Februar 2015

UN: Handlungsfähiger UN-Sicherheitsrat, unabhängiger UN-Chef - Ex-Regierungs- und Staatschefs legen Empfehlungen vor

von Patrick Fernando


New York, 11. Februar (IPS) - Eine Gruppe ehemaliger Staats- und Regierungschefs hat eine Reihe von Empfehlungen vorgelegt, die den UN-Sicherheitsrat im Sinne einer ausgewogenen internationalen Friedens- und Sicherheitspolitik handlungsfähiger machen und den künftigen UN-Generalsektären zu mehr Unabhängigkeit verhelfen sollen.

Den sogenannten 'Älteren' zufolge sollte die Amtszeit der künftigen UN-Chefs auf sieben Jahre verlängert werden und die Möglichkeit einer zweiten Kandidatur entfallen. Auf diese Weise könne der Druck auf den höchsten Würdenträger der Weltorganisation, sich mit Gefälligkeiten für die erhaltene politische Unterstützung revanchieren zu müssen, genommen werden, betonten sie. Denn Parteilichkeit sei mit dem Geist der UN-Charta unvereinbar.

Die Institution der Älteren war 2007 von Nelson Mandela gegründet worden. Ihr gehören Martti Ahtisaari, Kofi Annan (Vorsitz), Ela Bhatt, Lakhdar Brahimi, Gro Harlem Brundtland (Vizevorsitz), Fernando Henrique Cardoso, Jimmy Carter, Hina Jilani, Graça Machel, Mary Robinson und Ernesto Zedillo an. Desmond Tutu ist Ehrenmitglied.

Die einstigen politischen Führer hatte die Münchener Sicherheitskonferenz in der ersten Februarwoche genutzt, um vier Schlüsselempfehlungen vorzustellen. Sie wiesen in einem gemeinsamen Statement darauf hin, dass die UN vor 70 Jahren mit dem Ziel gegründet worden sei, allen nachfolgenden Generationen die Geißel des Krieges zu ersparen.


Häufiges Versagen von UN-Sicherheitsrat

Inzwischen sind jedoch sind angesichts der vielen Krisenherde berechtigte Zweifel an der Fähigkeit der Weltorganisation aufgekommen, den Herausforderungen des 21. Jahrhundert gewachsen zu sein. Ob in Nigeria, Pakistan, Nahost oder anderen Teilen der Welt sorgen auch in diesem Jahr bewaffnete Konflikte und Gewalt für viel menschliches Leid. Dass einige der ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates (P5) von ihrem Vetorecht Gebrauch machten, hat den Älteren zufolge militanten Gruppen in die Hände gespielt und ihnen erlaubt, weiter straffrei zu agieren.

Die Völker dieser Welt sehnten sich nach einer gerechteren und friedlicheren Welt, heißt es in der Mitteilung. Damit dieser Wunsch Wirklichkeit werden könne, müsse die UN an Stärke und Beweglichkeit gewinnen. Die Menschen wollten nicht erleben, dass die UN wie schon der Völkerbund in den 1930er Jahren +++(hat)[an] Relevanz verliere.

Den Älteren zufolge bedarf es zeitnaher Veränderungen in Bezug auf die Zusammensetzung und die Arbeit des UN-Sicherheitsrats. Dieser müsse demokratischer und repräsentativer werden. Es gelte die UN-Missionen effektiver zu machen, damit bewaffnete Konflikte verhindert oder beendet werden könnten.

In diesem Sinne haben die ehemaligen Staats- und Regierungschefs vier konkrete Empfehlungen unterbreitet. Nummer eins beinhaltet angesichts der schieren Unmöglichkeit, sich auf neue Mitglieder des UN-Sicherheitsrats geschweige denn auf einen Konsens hinsichtlich der Frage des Vetorechts zu einigen, die Einführung einer neuen Länderkategorie.

Den Älteren zufolge sollen die Staaten, die eine ständige Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat anstreben, länger als die zwei Jahre, die für die nichtständigen Mitglieder vorgesehen sind, im Sicherheitsrat bleiben und bei Ablauf der Frist unverzüglich wiedergewählt werden dürfen.

Das würde sie de facto zu ständigen Mitgliedern machen. Diese Verfahrensweise hätte den einstigen politischen Führern zufolge den Vorteil, demokratischer zu sein, da es Sache dieser de-facto-Mitglieder wäre, sich das Vertrauen der anderen Mitgliedstaaten zu erwerben. Eine solche Demokratisierung des Sicherheitsrats würde dessen Legitimität und Autorität stärken.

Die zweite Empfehlung der Älteren ist im Grunde ein Appell an die P5, sich insbesondere im Zusammenhang mit politischen Krisen, in denen Menschen von Völkermord und/oder anderen Kriegsverbrechen bedroht oder heimgesucht werden, stärker und kompromissloser um eine gemeinsame Handlungsposition zu bemühen. Denn nur ein geeinter Sicherheitsrat sei handlungsfähig, um Verbrechen wie den Holocaust, den Völkermord in Ruanda, das Massaker in Srebrenica, den Giftgasangriff des Saddam-Hussein-Regimes auf die irakischen Kurden und die Massenmorde in Kambodscha zu verhindern.


Privilegienmissbrauch unterbinden

Die P5 sollen sich im Grunde dazu verpflichten, in derartigen Krisensituationen auf den Gebrauch ihres Vetorechts oder dessen Androhung zu verzichten und sich stattdessen klar und deutlich zu Strategien bekennen, die den Schutz der bedrohten Bevölkerung zum Ziel haben. Die Staaten, die allein aus nationalen Interessengründen von ihrem Vetorecht Gebrauch machten, trieben Schindluder mit dem Privileg der ständigen Mitgliedschaft.

Die ehemaligen Staats- und Regierungschefs kritisierten ferner die Praxis der ständigen UN-Sicherheitsratsmitglieder, viel zu oft hinter verschlossenen Türen zu verhandeln, ohne die Stimmen derer zu berücksichtigen, die von ihren Entscheidung direkt betroffen sind. Auch sähen sich die übrigen Staaten häufig mit vorgefertigten Resolutionen konfrontiert, ohne dass Raum für Diskussionen bleibe.

"Um Abhilfe zu schaffen, appellierten wir an alle Mitglieder des Sicherheitsrates, regelmäßiger und systematischer von der 'Arria-Formel' (nach der es in den letzten beiden Jahrzehnten zu Treffen zwischen Mitgliedern des Sicherheitsrates und unterschiedlichen zivilgesellschaftlichen Organisationen gekommen ist) Gebrauch zu machen, um Gruppen, die die Menschen in Konfliktgebieten vertreten, die großmöglichste Gelegenheit zu bieten, die Sicherheitsratsmitglieder zu informieren und die Entscheidungen des Rates zu beeinflussen."

Bisher fänden sich auf den Treffen weniger wichtige Beamte ein, deren Berichte leicht ignoriert werden könnten. In Zukunft sollten die Delegationsleiter der Sicherheitsratsmitglieder höchstpersönlich an den Treffen teilnehmen.

Der vierte Vorschlag betrifft die Person des UN-Generalsekretärs/der UN-Generalsekretärin, deren Aufgabe es ist, die Interessen aller Völker der Welt gleichermaßen im Auge zu behalten. Dieses hohe Amt erfordere ein Höchstmaß an Führungsstärke, wie die Älteren betonten.

Bisher werden UN-Chefs auf Vorschlag des Sicherheitsrates für fünf Jahre von der Generalversammlung ernannt. Eine zweite Amtszeit ist möglich. In der Regel findet das Auswahlverfahren durch den UN-Sicherheitsrat in aller Heimlichkeit statt, und die Qualifizierungskriterien bleiben dem Rest der Welt verborgen. Somit sei nicht gewährleistet, dass der Posten mit dem fähigsten Kandidaten besetzt werde, kritisieren die früheren Staats- und Regierungschefs.


Transparenz bei Wahl des UN-Chefs gefordert

Aus diesem Grund rufen sie die UN-Vollversammlung dazu auf, dafür zu sorgen, dass der UN-Sicherheitsrat nach einem offenen und transparenten Auswahlverfahren mehrere Kandidaten präsentiert. Es gelte unter allen Kandidaten, unabhängig ihrer regionalen Herkunft oder ihres Geschlechts, die für das Amt am besten qualifizierte Person auszuwählen.

"Wir schlagen vor, dass die künftige UN-Generalsekretärin/der künftige UN-Generalsekretär für eine einzige, auf sieben Jahre befristete Amtszeit ernannt wird, damit ihre oder seine Unabhängigkeit gewahrt bleibt und nicht der Eindruck entsteht, dass sie oder er von wahltaktischen Überlegungen geleitet wird", betonten die Älteren.

"Diesem neuen Verfahren sollte unverzüglich zugestimmt werden, damit die Vereinten Nationen in die Lage versetzt werden, das Amt im Januar 2017 mit der geeignetsten Person zu besetzen." (Ende/IPS/kb/2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/02/a-seven-year-one-term-for-u-n-chief/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 11. Februar 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Februar 2015

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