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ORGANISATION/533: UN-Hochkommissariat am Limit - Harsche Kritik an Zahlungsmoral der Mitgliedsländer (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 20. Oktober 2014

Menschenrechte: UN-Hochkommissariat am Limit - Harsche Kritik an Zahlungsmoral der Mitgliedsländer

von Thalif Deen


Bild: © Jean-Marc Ferré/UN

Zeid Ra'ad Al Hussein, der neue Chef des UN-Menschenrechtshochkommissariats, bei der Eröffnung der 27. Sitzung des Menschenrechtsrats am 8. September 2014 in Genf
Bild: © Jean-Marc Ferré/UN

New York, 20. Oktober (IPS) - Sechs Wochen nach seinem Amtsantritt als neuer Chef des UN-Menschenrechtshochkommissariats (UNHCHR) hat der Jordanier Zeid Ra'ad al-Hussein heftige Kritik an der Zahlungsmoral der Mitgliedstaaten geübt. Aufgrund der gravierenden finanziellen Engpässe seien die Operationsmöglichkeiten seines Büros erheblich eingeschränkt, obwohl "die Welt von einer Krise in die nächste und noch gefährlichere Krise abrutscht".

"Ich sehe mich aufgrund der derzeitigen finanziellen Situation dazu gezwungen, Einsparungen vorzunehmen", erklärte der ehemalige ständige Vertreter Jordaniens bei den Vereinten Nationen am 16. Oktober vor Journalisten in New York. Er wies darauf hin, dass einige UN-Agenturen mit Budgets von mehr als einer Milliarde US-Dollar ausgestattet seien, während das UNHCHR 2014 und 2015 mit jährlich 87 Millionen Dollar auskommen müsse.

"Ich soll eine Flutkatastrophe mit einem Eimer und einem Boot bewältigen", meinte Zeid. Der UN-Menschenrechtsrat und der Sicherheitsrat bürdeten seiner klammen Organisation immer neue Aufträge wie die Entsendung neuer Untersuchungsmissionen und die Bildung von Untersuchungskommissionen auf, ohne die dafür erforderlichen Zusatzmittel aufzubringen.


Feuerwehr ohne Wasser

Jens Martens, Leiter des 'Global Policy Forum' (GPF) mit Sitz in Bonn, warf den Regierungen vor, die Vereinten Nationen als Feuerwehrleute vorzuschicken und sie dann im Stich zu lassen. "Sie rufen die UN zu einem Brandherd, aber geben ihnen nicht das Wasser, damit sie die Flammen löschen können, und zeihen sie später der Unfähigkeit."

Martens begrüßte die laute Kritik des UNHCHR-Chefs. Sie sollte den Staaten als Weckruf dienen, in die Verantwortung zu gehen und der Weltorganisation die erforderlichen finanziellen Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Seit vielen Jahren schon beharrten die westlichen Länder unter Führung der USA im Zusammenhang mit dem UN-Kernbudget auf der Null-Wachstumsdoktrin. "Sie sind zu einem großen Teil für die chronische Schwäche der UN bei der Bewältigung der globalen Herausforderungen und Krisen mitverantwortlich."

Damit das UNHCHR-Büro seine weltweiten Feldaktivitäten und die Support-Arbeit am Hauptquartier in Genf durchführen kann, ist es fast vollständig auf freiwillige Zuwendungen der Mitgliedstaaten angewiesen. "Trotz der soliden Unterstützung etlicher Geber reichen die Gelder nicht aus, um den ständig neuen Anforderungen an mein Büro gerecht zu werden", erklärte Zeid.

Wie Peggy Hicks von der internationalen Menschenrechtsorganisation 'Human Rights Watch' gegenüber IPS erklärte, sei die Differenz zwischen dem, was das UN-Menschenrechtsbüro zu leisten habe, und den Mitteln, die ihm dafür zur Verfügung gestellt würden, untragbar. "Es wird Zeit, dass die Staaten ihren Verpflichtungen für die Menschenrechte nachkommen, indem sie die Ressourcen bereitstellen, die der UN-Hochkommissar braucht, um seinen Job tun zu können", sagte sie.

Renzo Pomi, ein Vertreter von Amnesty International bei den Vereinten Nationen, hält es für einen gravierenden Fehler, die Kern- und mandatierten Aktivitäten des enschenrechtshochkommissariats nicht vollständig aus dem regulären UN-Budget zu bestreiten. Dabei - darauf hat der UNHCHR-Chef selbst hingewiesen - werden die Menschenrechte als eine der drei Säulen der UN bezeichnet. Die übrigen zwei sind Entwicklung sowie Frieden und Sicherheit.

Pomi zufolge erhält das UNHCHR gerade einmal drei Prozent des regulären UN-Haushalts. "Das reicht höchstens für eine kleine Säule und ein schlecht justiertes Kapitell."

Martens führt auch die Schwäche der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Kampf gegen die Ebola-Pandemie auf die schlechte Zahlungsmoral der Mitglieder zurück. Aufgrund fehlender Gelder sah sich die WHO gezwungen, die Mittel für ihr Interventionsprogramm, mit dem es auf den Ausbruch von Krankheiten und Krisen zu reagieren pflegt, in den letzten zwei Jahren zu halbieren.

Martens zufolge ist es ein Skandal, dass die Zuwendungen aus dem regulären Budget für die Menschenrechte unter 100 Millionen US-Dollar liegen und dass das Büro des UN-Menschenrechtshochkommissariats vor allem von freiwilligen Beiträgen abhängt. Auf einer solchen Grundlage ließen sich die Menschenrechte weder fördern noch schützen. "Um ein globales öffentliches Gut wie die Menschenrechte zu schützen, bedarf es ausreichender globaler öffentlicher Mittel", sagte er und forderte die UN-Mitgliedsländer auf, ihren Sparkurs gegenüber der Weltorganisation aufgeben.

Seit vielen Jahren appelliert das Global Policy Forum an die Staatengemeinschaft, ausreichende Mittel bereitzustellen, um die UN-Finanzierung auf solide Beine zu stellen. Angesichts der derzeitigen globalen Herausforderungen und Krisen sei dies wichtiger denn je.


Viele Worte, wenige Mittel

Zeid gab zu bedenken, dass die Menschenrechte wie seit Jahren nicht unter Druck stünden. "Auf den Titelseiten, Fernseh- und Computerschirmen tummeln sich Präsidenten und Minister, die über Konflikte und Menschenrechtsverletzungen sprechen. Und das globale Unbehagen in Anbetracht der Gefahr, dass sich die Konflikte ausweiten, wächst."

In solchen Krisen seien die UN-Menschenrechtssysteme aufgerufen, zu intervenieren, Vorwürfen über Menschenrechtsverletzungen nachzugehen, die Verantwortlichen haftbar zu machen und mutige Entscheidungen einzufordern, die weitere Verbrechen verhindern.

"Doch immer wieder werden wir aufgefordert, im Rahmen unserer vorhandenen Ressourcen immer neue Verantwortlichkeiten zu übernehmen", so Zeid. (Ende/IPS/kb/2014)


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http://www.ipsnews.net/2014/10/cash-strapped-human-rights-office-at-breaking-point-says-new-chief/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Oktober 2014