Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → UNO

ORGANISATION/515: Afrika - Von Sitzen im Sicherheitsrat noch weit entfernt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 17. Oktober 2012

Afrika: Von Sitzen im Sicherheitsrat noch weit entfernt - Internationaler Gemeinschaft Ausgrenzung vorgeworfen

von Thalif Deen



New York, 16. Oktober (IPS) - Nach 20-jährigen Verhandlungen über eine Erweiterung des UN-Sicherheitsrats werden afrikanische Länder auch weiterhin als potenzielle Mitglieder übersehen. Die Staaten beklagen, dass ihnen die internationale Gemeinschaft eine Antwort auf ihre Forderung nach zwei ständigen und fünf nichtständigen Sitzen schuldig geblieben sei.

Malawis Präsidentin Joyce Banda erinnerte auf der letzten Sitzung des UN-Sicherheitsrats (UNSC) im September daran, dass die größte Region häufig Gegenstand zahlreicher Diskussionen innerhalb des Sicherheitsrats sei. Dennoch hänge die Forderung der Afrikaner in der Schwebe. Banda gehörte zu den mehr als 40 afrikanischen Staats- und Regierungschefs, die von einer Marginalisierung des schwarzen Kontinents sprachen. Ein afrikanisches Staatsoberhaupt nach dem anderen kritisierte die Abwesenheit Afrikas in der Riege der ständigen UNSC-Mitglieder China, Frankreich, Großbritannien, Russland und USA.

"Dass die Mitgliedschaft und die Machtverhältnisse innerhalb des UN-Sicherheitsrats anachronistisch und ungerecht sind, lässt sich nicht abstreiten", meinte dazu Kwame Akonor, außerordentlicher Professor für politische Wissenschaften an der Seton-Hall-Universität in New York. Eine signifikante Reform des UN-Sicherheitsrates stoße auf den massiven Widerstand der ständigen Mitglieder. Diese seien nicht bereit, ihre Privilegien aufzugeben, so Akonor, Leiter des 'African Development Institute', eine Denkfabrik mit Sitz in New York.


"Ist das gute Regierungsführung?"

Der simbabwische Präsident Robert Mugabe gehört zu den politischen Führern, die besonders vehement für eine afrikanische Repräsentanz im UN-Sicherheitsrat eintraten. "Wie lange wird die internationale Gemeinschaft die Hoffnungen eines ganzen Kontinents aus 54 Ländern ignorieren?", fragte er. "Ist das gute Regierungsführung? Ist das Demokratie? Und ist das Gerechtigkeit? Wir sollten uns nicht mit leeren Versprechen abspeisen lassen und kleine kosmetische Veränderungen nicht als Reform durchgehen lassen."

Mugabes sambischer Amtskollege Yahya Jammeh erklärte auf der Volllversammlung in New York, dass "unsere kollektive Sicherheit auch weiterhin geopolitischen Überlegungen geopfert werden wird, es sei denn, wir finden den Mut zu einer Reform des Sicherheitsrates". Die Staatschefs und Regierungsvertreter aus Äquatorial-Guinea, der Zentralafrikanischen Republik, Tansania und anderen afrikanischen Ländern bliesen ins gleiche Horn.

Auf einem Treffen afrikanischer Entscheidungsträger in Äthiopien im März 2005 hatte die Afrikanische Union (AU) eine Resolution verabschiedet, in der sie zwei ständige und fünf nichtständige UNSC-Sitze für Afrika forderte. Allerdings legte sie sich nicht auf mögliche Kandidaten fest. Beansprucht wird ein ständiger Sitz von mehreren Ländern, etwa von Südafrika, Nigeria und Ägypten.

Obwohl Afrika grundsätzlich dagegen ist, dass UNSC-Mitglieder ein Vetorecht besitzen, soll es nach Ansicht der AU solange für alle Mitglieder Geltung haben, bis es von der internationalen Gemeinschaft abgeschafft wird. Darüber hinaus soll die Afrikanische Union die Kriterien für die Auswahl der für einen Sitz in Frage kommenden afrikanischen Länder festlegen und aus dem Staatenbund die Länder auswählen, die Afrika am besten vertreten könnten.

Akonor zufolge gestaltet sich die Frage nach einer größeren Repräsentanz Afrikas innerhalb des UN-Sicherheitsrats vor allem deshalb so schwierig, weil sich die afrikanischen Entscheidungsträger bisher offenbar nicht auf gemeinsame Kandidaten einigen konnten.

"Die Lähmung unter den afrikanischen Führern in dieser Frage hat zu der Marginalisierung des Kontinents in den Diskussionen um plausible Reformmaßnahmen beigetragen", sagte der Experte. Er drängte die afrikanischen Staaten dazu, dem Konzept der 'Pax Africana' zu folgen und sich auf sich selbst zu verlassen, wenn es um die Einrichtung, Umsetzung und Konsolidierung von Frieden und Sicherheit gehe.

Derzeit gelten Brasilien, Deutschland, Indien und Japan (G4) als Favoriten für einen ständigen Sitz im UNSC, allerdings ohne Vetorecht.

Nach Ansicht des Geistlichen Gabriel Odima, der dem 'Africa Center for Peace and Democracy', vorsteht, besteht kein Zweifel daran, dass der afrikanische Kontinent vom Westen ausgegrenzt werde. Die G4 habe den afrikanischen Staaten zu keiner Zeit zwei Sitze (mit Vetorecht) zugestanden. Dies zeigt sich seiner Ansicht nach auch schon durch die Bereitschaft der G4, sich notfalls mit einem ständigen Sitz ohne Vetorecht zufriedenzugeben. Ein solches Hybrid sei aber aus Sicht der afrikanischen Gruppe inakzeptabel, kritisierte


Auch die afrikanischen Staaten in der Kritik

Odima fügte hinzu, dass auch die afrikanischen Entscheidungsträger eine Mitschuld an der derzeitigen Lage hätten. Armut und Konflikte legten den Kontinent seit Jahren lahm. "Die massive Korruption in Ländern wie Uganda, Nigeria und Kenia bietet den großen Akteuren eine willkommene Gelegenheit zu verhindern, dass Afrika zwei ständige Sitze im UNSC erhält", sagte er. Die Abwesenheit von Demokratie, Menschenrechtsverletzungen und schlechter Regierungsführung unterminierten auch weiterhin die afrikanischen Bemühungen, eine größere Rolle auf der Weltbühne zu spielen.

Die internationale Gemeinschaft sollte nach Ansicht Odimas den Afrikanern dabei helfen, das Stigma des kolonialen Erbes loszuwerden und sich zu einer Gesellschaft zu entwickeln, in der Hunger keine Bedrohung der menschlichen Existenz mehr darstelle. Wahlzettel müssten künftig Waffen ersetzten und Diktatoren für Verbrechen an ihrem Volk zur Verantwortung gezogen werden. (Ende/IPS/kb/2012)


Links:

http://www.africacenterpd.org/about.html
http://www.ipsnews.net/2012/10/africas-claims-for-security-council-seats-still-in-limbo/

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 17. Oktober 2012
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Oktober 2012