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MELDUNG/321: UNO fordert sofortige Freilassung katalanischer Gefangener in Spanien (Pressenza)


Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin, 30. Mai 2019

UNO fordert sofortige Freilassung katalanischer Gefangener in Spanien


Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen fordert die sofortige Freilassung katalanischer politischer Gefangenen in Spanien. Der katalanische Außenminister Alfred Bosch fordert die spanischen Behörden auf, dem Beschluss der Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen (WGAD) Folge zu leisten.

In einer offiziellen Erklärung fordert die UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen [1] die sofortige Freilassung des Vorsitzenden der katalanischen Republikanischen Partei (ERC), Oriol Junqueras; des Vorsitzenden der kulturellen zivilgesellschaftlichen Vorsitzenden der zivilgesellschaftlichen Organisation ANC, die sich für die Unabhängigkeit Kataloniens einsetzt, Jordi Sànchez.

Die UN-Arbeitsgruppe, die vom Büro des Hohen Kommissars für Menschenrechte (UN Human Rights) abhängt, fordert die sofortige Freilassung dieser Gefangenen, aber auch, sie für die Zeit und Schäden zu kompensieren, die für die Untersuchungshaft aufgewendet wurde bzw. durch die Haft entstanden sind (seit November 2017 in Haft).

Der Fall wurde der Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen im Februar 2018 vom internationalen Anwalt und ehemaligen Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für Terrorismusbekämpfung und Menschenrechte, Ben Emmerson, vorgestellt. Laut Emmerson verhält sich Spanien "nicht wie ein demokratisches Land in Europa" und das Land verstoße "gegen demokratische Grundsätze".

Die Arbeitsgruppe ist der Auffassung, dass sowohl die Meinungsfreiheit als auch das Recht auf Manifestation und Teilnahme eindeutig verletzt wurden. In gleicher Weise werden die katalanischen Unabhängigkeitsführer in eine "friedliche politische Bewegung" eingeordnet.

Die Arbeitsgruppe hat in ihrer Urteilsfindung auch die Informationen der spanischen Regierung, des gesamten juristischen Prozesses gegen die Gefangenen und die Entscheidung des deutschen Oberlandesgerichts Schleswig-Holstein im Fall Puigdemont in Bezug auf das Nichtvorhandensein von Gewalt, in Betrachtung gezogen.

Katalanischer Außenminister Alfred Bosch: "Die spanischen Behörden sollten dem UN-Entscheid nachkommen"

Der katalanische Minister für auswärtige Angelegenheiten, institutionelle Beziehungen und Transparenz, Alfred Bosch, fordert die spanischen Behörden auf, "der Entscheidung der UN-Arbeitsgruppe nachzukommen und die politischen Gefangenen unverzüglich freizulassen". Bosch warnt, dass die Entscheidung eindeutig zeigt, dass das präventive Gefängnis "in diesem Fall eine unverhältnismäßige Maßnahme darstellt".

In diesem Sinne unterstreicht Bosch die Notwendigkeit, dass das Königreich Spanien sich des Problems bewusst wird und "die Unterdrückung aufgibt, um einen Dialog mit Katalonien aufzunehmen", wobei die Schlussfolgerungen der UN-Arbeitsgruppe als ein klares Zeichen für die Suche nach einer friedlichen und verhandelten Lösung für das katalanische Problem zu verstehen sei.


Unabhängigkeitsbewegung, eine demokratische und friedliche Option

Laut dem katalanischen Minister wurde das "präventive Gefängnis genutzt, um Rache zu üben und gegen die Unabhängigkeitsbewegung vorzugehen", eine politische Option, die der Minister als demokratisch und friedlich hervorhebt und die von den katalanischen Bürgern an den Wahlurnen bei den jüngsten Wahlen zum Europäischen Parlament, den Spanienwahlen und in den Kommunalwahlen bestätigt wurde."


Das Gerichtsverfahren, ein historischer Fehler

Diese von der UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen vorgelegte Entscheidung sei zudem ein weiteres Beispiel dafür, "dass der Gerichtsprozess ein historischer Fehler ist", sagt Bosch. "Wir bestehen darauf, dass der einzige Ausweg aus dem Konflikt der Dialog ist und den Bürgern Kataloniens eine Stimme zu geben, damit sie über ihre eigene Zukunft entscheiden können".

Bosch betont erneut, wie wichtig es sei, dass Spanien dieser internationalen Warnung folgt, da der Beschluss der UN-Arbeitsgruppe "legitim ist und Rechtsprechung schafft". Der spanische Staat sollte den Empfehlungen der Vereinten Nationen nachkommen.


Nicht die erste Forderung internationaler Organisationen

Es ist nicht das erste Mal, dass ein internationales Gremium die Entscheidung der spanischen Justiz in Frage stellt, die katalanischen Politiker und Aktivisten inhaftiert zu halten. Amnesty International, die Weltorganisation gegen Folter (OMCT), unter anderem Frontline Defenders, forderten bereits die sofortige Freilassung der Gefangenen. Sowohl die deutsche als auch die belgische Justiz haben geltend gemacht, dass es keine Verbrechen von Aufruhr und Rebellion gegeben habe, wofür die Betroffenen in Spanien trotzdem vor Gericht stehen.

Erst diese Woche hat die spanische Staatsanwaltschaft ihre Forderung von 25 Jahren Haft wegen Rebellion für Oriol Junqueras, und 17 Jahren Haft für Jordi Sánchez, Jordi Cuixart und die ehemalige katalanische Parlamentspräsidentin Carme Forcadell bestätigt.


Was ist die Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen?

Die Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen wurde von der ehemaligen Menschenrechtskommission gegründet und hat die Aufgabe, Fälle von Haft zu untersuchen, ob diese willkürlich verhängt wurde oder nicht den einschlägigen Normen in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und anderen internationalen Gesetzen auf dem Gebiet der Menschenrechte entsprechen. Die Arbeitsgruppe besteht aus fünf unabhängigen Experten, die vom Menschenrechtsrat [2], dem Hauptorgan der Vereinten Nationen für Menschenrechte, mittels einer strengen Auswahl bestimmt werden, um deren Unparteilichkeit, Unabhängigkeit und Kompetenz zu gewährleisten.

Wenn die Einrichtung beschließt, dass eine willkürliche Inhaftierung stattgefunden hat, wird die zuständige Regierung aufgefordert, die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen. Die Regierungen sind verpflichtet, die von ihnen ergriffenen Maßnahmen zur Behebung der Situation im Auge zu behalten und darüber zu informieren.

Obwohl Spanien behaupten kann, das Urteil sei nicht bindend, würde seine Nichtbeachtung gegen das Völkerrecht und insbesondere gegen die von Spanien unterzeichneten Menschenrechtsverträge verstoßen. Die Autorität dieser von Staaten eingerichteten Arbeitsgruppe zur Verteidigung der Menschenrechte im Zusammenhang mit dem Verbot willkürlicher Verhaftungen und Inhaftierungen kann nicht in Frage gestellt werden.

Wenn Spanien die UN-Regelung nicht einhält, wird es Teil der Staatengruppe, die die Menschenrechte nicht respektiert und gegen das Völkerrecht verstößt. Laut dem neuesten Bericht der Arbeitsgruppe wurden im Jahr 2017 31 Personen aufgrund der Stellungnahmen der Arbeitsgruppe freigelassen. Länder wie die USA, Israel, die Türkei oder Kuba haben nach Erhalt einer solchen Stellungnahme der Arbeitsgruppe die Gefangenen freigelassen.

Die Arbeitsgruppe weist zudem darauf hin, dass die andauernde Haft dieser Menschen eine kontinuierliche Verletzung der Freiheit ist, die durch den Artikel 9 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und Artikel 9 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte geschützt ist.

Die Arbeitsgruppe tritt dreimal im Jahr zusammen, um über mögliche Verletzungen der Menschenrechte in Sinne von willkürlichen Inhaftierungen zu befinden. Der Vorsitzende der Arbeitsgruppe ist der mexikanische Menschenrechtsexperte Mr José Guevara Bermúdez und die weiteren Mitglieder sind Ms Leigh Toomey (Australien), Ms Elina Steinerte (Lettland), Mr Seong-Phil Hong (Republik Korea), und Mr Sètondji Adjovi (Benin).


Anmerkungen:
[1] https://www.ohchr.org/en/issues/detention/pages/wgadindex.aspx
[2] https://www.unric.org/de/menschenrechte/106


Der Text steht unter der Lizenz Creative Commons 4.0
http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/

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Quelle:
Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin
Reto Thumiger
E-Mail: redaktion.berlin@pressenza.com
Internet: www.pressenza.com/de


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Juni 2019

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