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MELDUNG/112: Überflugverbot für bolivianischen Präsidenten beschäftigt die UN (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 12. Juli 2013

UN: Überflugverbot für bolivianischen Präsidenten beschäftigt Weltorganisation

von Thalif Deen


Bild: © Rick Bajornas/UN-Foto

Boliviens Staatspräsident Evo Morales
Bild: © Rick Bajornas/UN-Foto

New York, 12. Juli (IPS) - Die wachsende Welle der Empörung über das illegale Überflugverbot europäischer Länder für eine Maschine des bolivianischen Staatspräsidenten Evo Morales hat inzwischen die Vereinten Nationen erreicht. So brachte die 120 Länder zählende Bewegung der Blockfreien (NAM), die größte politische Gruppierung innerhalb der Weltorganisation, ihr "tiefes Befremden über den eklatanten Immunitätsverstoß" gegenüber einem amtierenden Staatsoberhaupt zum Ausdruck.

"Dieser schwerwiegende Vorfall hat das Leben eines Staatschef eines souveränen Entwicklungslandes und dessen Gefolges aufs Spiel gesetzt, indem das Flugzeug des Präsidenten zur Notlandung in Österreich gezwungen wurde", heißt es in einer NAM-Mitteilung. "Staatspräsidenten und ihre Flugzeuge genießen nach internationalem Recht die volle Immunität."

Am 9. Juli hatten sich die Botschafter Boliviens, Ecuadors, Kubas, Nicaraguas und Venezuelas mit UN-Generalsekretär Ban Ki-moon getroffen, um formell gegen den Immunitätsverstoß zu protestieren. Das Gespräch löste Spekulationen über eine mögliche Behandlung des Vorfalls durch den UN-Menschenrechtsrat noch vor der UN-Vollversammlung im September aus.

Mehrere europäische Länder einschließlich Frankreich, Italien, Portugal und Spanien hatten der Maschine des bolivianischen Staatspräsidenten nach dessen Russland-Besuch Anfang Juli den Überflug verweigert. Das Verbot und die Durchsuchung der Präsidentenmaschine standen offenbar mit dem Wunsch der US-Regierung in Verbindung, den US-Amerikaner Edward Snowden zu fassen, der einen Abhörskandal des US-Geheimdienstes NSA publik gemacht und in Russland um Schutz angesucht hat.


"Imperialismuskeule"

Dazu meinte Michael Ratner, emeritierter Vorsitzender des 'Centre for Constitutional Rights' in New York, gegenüber IPS: "Ich finde es immer wieder interessant, wie sich bisweilen alte und mächtige Staaten wie die USA ihre Maske der Menschenrechte vom Gesicht reißen und die eigenen frommen Sprüche mit dem Ziel aushöhlen, ihren fortgesetzten Hegemonie- und Machtanspruch unter Beweis zu stellen."

Ratner zufolge ist die erzwungene Notlandung ein gutes Beispiel dafür, "wie ein Land die Imperialismuskeule schwingt, um kleinen Staaten dieser Welt eine Lektion zu erteilen". Für ihn steht außer Frage, dass das Überflugverbot gegen die UN-Charta verstößt und die Behandlung des Präsidenten einer Entführung gleichkommt. Letztendlich habe sich wieder einmal bestätigt, dass die in der UN-Charta und in der Allgemeinen Menschenrechtserklärung festgeschriebenen Rechte von den Großmächten bei Bedarf mit Füßen getreten würden.

Ratner, Vorstandsvorsitzender des 'European Center for Constitutional und Human Rights' mit Sitz in Berlin, warf Washington vor, sich einmal mehr als Tyrann geoutet zu haben. Auch kritisierte er Großbritannien für die Drohung, den WikiLeaks-Gründer Julian Assange aus der ecuadorianischen Botschaft in London zu holen. Den ehemaligen Kolonien empfahl Ratner, der auch einer der US-amerikanischen Anwälte von Assange und Wikileaks ist, die Aktivitäten der Großmächte unbedingt im Auge zu behalten.

In einer Mitteilung in Anschluss an das Treffen mit den lateinamerikanischen Diplomaten erklärte der UN-Generalsekretär, er verstehe "die Sorge, die im Zusammenhang mit diesem unglücklichen Vorfall zum Ausdruck gebracht wurde". Ban äußerte sich zudem erleichtert darüber, dass der Vorfall keine Folgen für die Sicherheit von Staatspräsident Morales und dessen Entourage gehabt habe. Es gelte nun dafür zu sorgen, dass sich ein solcher Zwischenfall nicht wiederhole. "Staatsoberhäupter und ihre Flugzeuge genießen Immunität."


UN-Chef mahnt zu Besonnenheit

Der UN-Chef zeigte sich zuversichtlich, "dass die involvierten Regierungen das Problem freundschaftlich und in gutem Glauben besprechen werden". Auch sollten sie die mit dem Vorfall verbundenen Interessen respektieren und die freundschaftlichen Beziehungen zwischen den Ländern nicht aus dem Blickfeld verlieren.

Auf einem Gipfeltreffen lateinamerikanischer Führer in Bolivien hatte Morales erklärt, dass er sich mit Entschuldigungen von Seiten der Länder, die ihn und seine Maschine nicht passieren ließen, keinesfalls zufrieden geben werde. "Einige Regierungen sprachen von einem Irrtum. Doch das war kein Irrtum", fügte der Präsident hinzu. Der Zwischenfall hatte auch Argentinien, Ecuador, Uruguay, Venezuela und andere lateinamerikanische Staaten zu heftiger Kritik veranlasst.

Auf die Frage, ob die USA die europäischen Länder zu den Überflugverboten ermuntert habe, erklärte die US-Außenamtssprecherin Jennifer Psaki gegenüber Journalisten: "Ich würde mich an sie wenden, damit sie erklären, warum sie die Entscheidungen trafen, die sie trafen".

Ratner zufolge haben die USA und ihre Verbündeten bereits mehrfach gegen internationales Recht verstoßen. "Man stelle sich vor, ein Land würde die Luftwaffe mit Obama an Bord zur Notlandung zwingen", so der Jurist. "Ein solches Land würde sicherlich ausgelöscht." Wie er weiter betonte, hätte auch Edward Snowden unter Schutz gestanden, wäre er an Bord des bolivianischen Flugzeugs gewesen.

Artikel 14 der Allgemeinen Menschenrechtserklärung garantiert politisch verfolgten Personen, in anderen Ländern Asyl zu beantragen. Selbst die USA erkennen Ratner zufolge an, dass Whistleblower in Übereinstimmung mit der UN-Flüchtlingskonvention ein Anrecht auf Schutz haben. Die USA, Frankreich, Italien, Portugal und Spanien hätten gegen dieses Recht verstoßen.

"Zum Glück scheint sich in der Welt eine Welle aufzubauen, die die alten imperialistischen Gewohnheiten wegschwemmt und das Potenzial hat, die Ausbeutung und die Macht der Länder einzuschränken, die bisher Straffreiheit genossen haben", sagte Ratner. Das lasse sich auf den Straßen Griechenlands, Spaniens und Italiens beobachten, und am Handeln von Whistleblowern und Journalisten wie Julian Assange, Wikileaks, Edward Snowden, Bradley Manning, Jeremy Hammond, Barrett Brown. "Sie alle wissen, was auf dem Spiel steht - unsere Freiheit". (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.ecchr.de/
http://ccrjustice.org/
http://www.ipsnews.net/2013/07/denial-of-airspace-to-bolivian-leader-resonates-at-u-n/

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IPS-Tagesdienst vom 12. Juli 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Juli 2013