Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → UNO

MELDUNG/018: Philippinen - Mehr arme Kinder als je zuvor brauchen Hilfe, UNICEF schlägt Alarm (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 6. Oktober 2010

Philippinen:
Mehr arme Kinder als je zuvor brauchen Hilfe - UNICEF schlägt Alarm

Von Tess Bacalla


Manila, 6. Oktober (IPS) - Lean Ray Francisco ist bis auf die Knochen abgemagert und so schwach, dass er seine Tage auf einer dünnen Decke verbringen muss. Die Großmutter, in deren Obhut der Dreijährige in Pascao im mittleren Süden der Philippinen lebt, hat selbst kaum etwas zu essen und füttert den Dreijährigen mit Reisbrühe oder Kaffee aus geröstetem Reis.

Leans Vater hat die Familie verlassen. Auch seine Mutter ist ausgezogen und schlägt sich in einer anderen Stadt als Kellnerin durch. In Pascao in der Provinz Camarines Sur ist der halb verhungerte kleine Junge, dessen Schicksal die Reporterin Kara David im Fernsehen schilderte, kein Einzelfall. Städtische Sozialarbeiter hätten bei einer allgemeinen Wiegeaktion in der Stadt festgestellt, dass 80 Prozent der von ihnen untersuchten Kinder unterernährt waren, berichtete die Journalistin in einer Sendung der größten philippinischen Fernsehanstalt GMA 7.

In der südostasiatischen Inselrepublik hat die Zahl der armen Kinder unter 15 Jahren in den vergangenen 20 Jahren ständig zugenommen und liegt inzwischen bei rund 12,8 Millionen. Das bedeutet, dass fast die Hälfte der als arm geltenden 27,6 Millionen Philippiner Kinder sind. Wie das für die Regierung arbeitende Philippinische Institut für Entwicklungsstudien (PIDS) und das UN-Kinderhilfswerk (UNICEF) in einer gemeinsamen, auf den dürftigen amtlichen Statistiken von 2006 basierenden Untersuchung feststellen, ist die Kinderarmut auf den Philippinen seit 2003 um fast vier Prozent gestiegen.


Mehr arme Familien, mehr hungrige Kinder

"Daran lässt sich erkennen, dass wir noch einen langen Weg vor uns haben, um Millionen philippinischer Kinder aus ihrer Armut heraus zu helfen", erklärte die UNICEF-Landesvertreterin Vanessa Tobin im September, als die 'Global Study on Child Poverty and Disparities: The Case of the Philippines' veröffentlicht wurde.

Demnach stieg der Anteil armer philippinischer Familien zwischen 2003 und 2006 von 24,4 auf 26,9 Prozent. Damit erhöhte sich auch die Zahl der Kinder, die nicht genug zu essen haben und auf Schulbildung und Gesundheitsversorgung verzichten müssen.

Kinderarmut wird an verschiedenen, formellen wie informellen Kriterien gemessen. Dazu gehören das Familieneinkommen, aber auch Ernährung, Unterbringung sowie die Trinkwasser- und Sanitärversorgung.

Auf den Philippinen ist die wachsende Zahl unterernährter Kinder besonders beunruhigend. Die PDIS-UNICEF-Studie berichtet, dass in der Altersgruppe der unter Fünfjährigen 2006 1,6 Prozent mehr Kinder untergewichtig waren als drei Jahre zuvor.

Zwischen 1985 und 2006 verdoppelte sich die Zahl der in informellen Siedlungen lebenden Kinder auf 1,2 Millionen. Während im Jahr 2000 301.000 Kinder in provisorischen Unterkünften lebten, stieg ihre Zahl bis 2006 auf 307.000. Nach Angaben des jährlichen Armutsberichts gingen 2007 2,2 Millionen philippinische Kinder zwischen sechs und 16 Jahren nicht zur Schule, 2002 waren es 1,8 Millionen.

Besonders arm dran seien Kinder, die in Familien mit den niedrigsten Einkommen aufwachsen würden, betonte Tobin. Man schätzt, dass es für 17.000 Kinder nicht genug zu essen gibt. Ihnen fehlen auch eine ordentliche Unterkunft und die Möglichkeit, zur Schule zu gehen.


Halb verhungert ins Vorschulzentrum

Die Sozialarbeiterin Precila Parana, Programmleiterin der christlichen Stiftung 'Alay Pag-asa' ('Es gibt Hoffnung'), bekräftigt die Erkenntnisse der Studie. In den letzten Jahren habe das Elend der von ihrer Organisation betreuten Kinder zugenommen, stellte sie fest. "Viele Kindern leben nur noch vom Müllsammeln", berichtete sie. "Die offizielle Bezeichnung 'Händler' beschönigt lediglich ihr Elend."

Ihre Stiftung müsse immer mehr Essen an Kinder verteilen, die halbverhungert ihr Vorschulzentrum besuchen, berichtete Parana.

Die Ergebnisse der PIDS-UNICEF-Studie verlangten nach einer Strategie, deren Programmschwerpunkte und -ziele mehr als bisher auf arme Kinder gerichtet sein müssten, sagte der für UNICEF arbeitende Projektexperte Augusto Rodriguez.

Die Ergebnisse der Studie über Kinderarmut auf den Philippinen überrasche sie nicht, stellte Maria Elena Caraballo, stellvertretende Direktorin des staatlichen Council for the Welfare of Children, fest. Immerhin vermittelten sie ein anschauliches aktuelles Bild von der Situation philippinischer Kinder. Dies sei auch positiv zu bewerten, denn "es ist zu hoffen, dass Regierungsprogramme für Kinder jetzt effizienter kontrolliert werden", meinte sie.

Die Regierung in Manila stellt 582.000 besonders armen Familien finanzielle Hilfe unter der Bedingung zur Verfügung, dass sie ihre Kinder weiterhin zur Schule und zu regelmäßigen Gesundheitskontrollen schicken.

Nach Ansicht der UNICEF-Expertin Tobin genügt das nicht. "Wir müssen mehr tun und darauf achten, dass auch für Familien gesorgt wird, die aus dem Raster der Regierungskontrollen fallen, weil sie obdachlos unter Brücken, an Flussufern oder weit weg in den Bergen hausen", forderte sie. (Ende/IPS/mp/2010)


Links:
http://www.pids.gov.ph/
http://www.unicef.org
http://www.alaypagasafoundation.org/
http://www.cwc.gov.ph/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=53056

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH


*


Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 6. Oktober 2010
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Oktober 2010