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KONFERENZ/197: 27. März 2017 - Start der Gespräche über einen Vertrag zum Verbot von Nuklearwaffen (Pressenza)


Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin

27. März 2017 - Start der Gespräche über einen Vertrag zum Verbot von Nuklearwaffen

Von Tony Robinson, 3. März 2017



Menschengruppe hält rote Buchstaben hoch, die den Spruch 'BAN THE BOMB' bilden - Bild: © WILPF/ICAN

Bild: © WILPF/ICAN

"Während die Erfolge der bi- und unilateralen Abrüstungen einiger Atomstaaten begrüßt werden, nimmt die Konferenz mit Sorge zur Kenntnis, dass die insgesamt geschätzte Anzahl der einsetzbaren und auf Lager gehaltenen Nuklearwaffen immer noch einige Tausend beträgt. Die Konferenz drückt ihre tiefe Besorgnis über das anhaltende Risiko für die Menschheit aus, dass diese Waffen eingesetzt werden könnten, und über die katastrophalen humanitären Konsequenzen, die das zur Folge hätte."

So gesagt bei der 2010 stattfindenden UNO-Konferenz über den Fortschritt des Atomwaffensperrvertrages, nach vier turbulenten Wochen [1], in welchen mehrere Delegationen den Raum verließen, als der Iranische Präsident die Einführungsrede der Konferenz halten wollte. Und die Iraner mussten dann die Abstimmung über das Konsenspapier am Ende der Konferenz verschieben, um sich mit Teheran zu beraten, denn sie hätten niemals gedacht, dass die USA dem Aufruf für eine Konferenz für eine Nuklearwaffen-freie Zone im Mittleren Osten zustimmen würden.

Nichtsdestotrotz wurde das Konsenspapier aus dem Jahre 2010 [2] von allen Ländern angenommen - mit Ausnahme der vier Nuklearwaffen besitzenden Länder, welche keine Unterzeichner des Atomwaffensperrvertrages sind und auch nicht anwesend waren (Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea). So war ein neuer Impuls gesetzt, um die Organisationen der Zivilgesellschaft und die Länder anzutreiben, den Planeten zu entwaffnen, genau so wie schon die Bemühungen, Landminen und Streumunition zu ächten, erreicht hatten, deren Wirkung auf die Menschen in den Vordergrund zu stellen anstatt die geopolitischen und wirtschaftlichen Interessen der Waffenverkäufer und -hersteller.

Eine Reihe von Konferenzen, die die humanitären Konsequenzen analysierten, hat seitdem in Norwegen, Mexiko und Österreich in den Jahren 2012 und 2013 stattgefunden. In diesen lernten wir, dass nur 100 auf Städte abgeworfene Atombomben [3] die menschliche Zivilisation, wie wir sie heute kennen, auslöschen würden. Und Österreich gab im letzten Treffen in Wien ein Versprechen, das später bekannt wurde als Humanitäre Selbstverpflichtung [4] und unter anderem folgenden Aufruf enthielt:

"... an alle Staaten des Atomwaffensperrvertrages, ihr Bekenntnis zu der dringenden und vollständigen Umsetzung der bestehenden Verpflichtung nach Artikel VI zu erneuern, und dafür wirkungsvolle Maßnahmen zu identifizieren und zu ergreifen, um die gesetzliche Lücke für das Verbot und den Abbau nuklearer Waffen zu schließen, und wir versprechen, mit allen Akteuren zusammenzuarbeiten, um dieses Ziel zu erreichen."

Im Jahr 2014 wuchs die Unterstützung für diese Selbstverpflichtung und wurde zu einer Resolution der UNO-Generalversammlung umgesetzt, welche die Unterstützung von 127 Ländern erfuhr. 2015 scheiterte der Atomwaffensperrvertrag dabei, irgendeinen Fortschritt bei der nuklearen Abrüstung zu verzeichnen, und es konnte kein Konsens für ein gemeinsames Dokument gefunden werden, selbst als alle Nicht-Atomwaffenstaaten erlaubten, dass stärkere sprachliche Ausdrücke für eine weitere Abrüstung herausgenommen würden. Aber was nach einem Scheitern aussah, wurde von denjenigen Nationen, die die Humanitäre Selbstverpflichtung unterstützten, als Möglichkeit wahrgenommen, und neue Resolutionen wurden zur UNO-Generalversammlung getragen; zum einen wurde im Jahre 2015 eine Arbeitsgruppe zur nuklearen Abrüstung (Open-End Working Group, OEWG) [5] einberufen, die wirkungsvolle Maßnahmen zur nuklearen Abrüstung prüfen sollte und ein Abkommen zur Ächtung von Atomwaffen vorschlug; zum zweiten wurden 2016 Gespräche aufgenommen, um auf Grundlage der Vorschläge der OEWG ein Abkommen voranzutreiben, um Nuklearwaffen tatsächlich abzuschaffen. Diese Resolution L.41 von 2016 [6] wurde mit einer überwältigenden Unterstützung von 123 Ländern angenommen.


Und jetzt ist es soweit!

Die Gespräche starten am 27. März 2017 in New York und die Länder sowie zivilgesellschaftlichen Organisationen, die sich gegen Nuklearwaffen und für einen Verbotsvertrag einsetzen, können ihre erregte Anspannung kaum zurückhalten - denn zum ersten Mal, seit der Kernwaffenteststopp-Vertrag im Jahre 1996 zur Unterzeichnung vorgelegt wurde, erfolgt ein substantieller Schritt, um die Verpflichtungen zur nuklearen Abrüstung aus dem Artikel VI des Atomwaffensperrvertrags zu erfüllen. Der Kernwaffenteststopp-Vertrag selbst ist noch nicht in Kraft getreten, da acht Länder sich immer noch weigern, ihn zu unterzeichnen: China, Ägypten, Indien, Iran, Israel, Nordkorea, Pakistan und die USA.

Niemand erwartet, dass die USA, Russland, Frankreich und Großbritannien an den Gesprächen teilnehmen, aber es sieht so aus, als ob China dazu bereit ist. Und es erwartet auch niemand, dass auch nur eine einzige Nuklearwaffe in der Folge dieses Vertrags abgebaut werden wird.

Dennoch ist es ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer Erfüllung des Atomwaffensperrvertrags und eine Rechtsnorm wird aufgestellt werden, Nuklearwaffen werden rechtlich verboten werden, ihr Besitz wird gebrandmarkt werden und das Geschäftemachen mit Firmen, die in die Zulieferkette für Nuklearwaffen verwickelt sind, wird in den Augen der Öffentlichkeit sehr umstritten wahrgenommen und diskutiert werden. Außerdem bekommen die zivilgesellschaftlichen Organisationen eine neue schlagkräftige Handhabe, um die Öffentlichkeit zu sensibilisieren - zum Beispiel durch Kapitalabzugskampagnen mit Verweis auf die verheerenden Folgen eines Atomkriegs und die steigende Notwendigkeit, die Nuklearwaffen ein für alle Mal loszuwerden.

Und das ist es, was die USA, Russland, Frankreich und Großbritannien am meisten fürchten: Die negative öffentliche Meinung gegenüber Nuklearwaffen; denn nur innerer gesellschaftspolitischer Druck in diesen Ländern selbst wird die Voraussetzungen für nukleare Abrüstung schaffen.

Die Gesprächspartner kommen im März eine Woche lang und im Juli für zwei weitere Wochen zusammen.

Pressenza und unser Netzwerk von Freunden in der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Nuklearwaffen (International Campaign to Abolish Nuclear Weapons, www.icanw.org) [7] wird anwesend sein, um unseren Lesern die aktuellen Neuigkeiten, Entwicklungen und anregende Meinungen zu allen Aspekten dieses historischen Moments auf dem Weg zu nuklearer Abrüstung nahe zu bringen.


Übersetzung aus dem Englischen von Johanna Heuveling und Harald Freyer


Über den Autor

Tony Robinson ist Aktivist der Humanistischen Bewegung, Vize-Direktor von Pressenza und Autor des Buches "Coffee with Silo and the quest for meaning in life" (Kaffee mit Silo und die Suche nach dem Sinn des Lebens).


Anmerkungen:
[1] https://www.pressenza.com/2010/05/despite-movement-on-the-middle-eastx-disappointment-reigns-over-the-outcome-of-the-npt-conference/
[2] http://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=NPT/CONF.2010/50%20(VOL.I)
[3] http://www.ippnw.org/pdf/nuclear-famine-two-billion-at-risk-2013.pdf
[4] http://www.icanw.org/wp-content/uploads/2015/03/HINW14vienna_Pledge_Document.pdf
[5] http://www.unog.ch/oewg-ndn
[6] http://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=A/C.1/71/L.41
[7] http://www.icanw.org/


Der Text steht unter der Lizenz Creative Commons 4.0
http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/

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Quelle:
Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin
Johanna Heuveling
E-Mail: johanna.heuveling@pressenza.com
Internet: www.pressenza.com/de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. März 2017

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