Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → TICKER

AFRIKA/015: Somalia - Hunger nicht einzige Folge der Dürre, auch Schulbildung bleibt auf der Strecke (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 22. August 2011

Somalia: Hunger nicht einzige Folge der Dürre - Auch Schulbildung bleibt auf der Strecke

Von Isaiah Esipisu

Mütter stehen mit ihren Kindern vor einer Klinik an - Bild: © Abdurrahman Warsameh/IPS

Mütter stehen mit ihren Kindern vor einer Klinik an
Bild: © Abdurrahman Warsameh/IPS

Nairobi, 22. August (IPS) - Seit die Dürre den achtjährigen Jamaal Abdi und seine Eltern aus dem Süden Somalias vertrieben hat, lebt die Familie in dem Lager Badbaado am Rande der Hauptstadt Mogadischu. Zukunftsperspektiven gibt es für sie dort kaum. Im täglichen Existenzkampf bleibt auch für die Schulbildung der Kinder kein Platz.

In dem größten Camp für somalische Binnenflüchtlinge leben mittlerweile rund 30.000 Menschen. Die meisten von ihnen sind Frauen und Kinder. Abdi würde gern zur Schule gehen und etwas lernen. Doch auch in seinem Heimatort hat er nie einen Klassenraum von innen gesehen. "Von meinen Freunden habe ich gelernt, meinen Namen zu schreiben. Jetzt sitze ich hier herum und habe nichts zu tun", sagt er gegenüber IPS. "Dabei würde ich so gern Arzt werden, um Kranken zu helfen."

In Babaado gibt es nur einen informellen Koran-Unterricht. An Bildung ist ansonsten nicht zu denken. Die Hilfsorganisationen konzentrieren sich darauf, den Dürreopfern Nahrungsmittel bereitzustellen und Hungernde medizinisch zu behandeln.

Auch in anderen Teilen des nordostafrikanischen Landes sieht es nicht besser aus. Nach einer gemeinsamen Untersuchung des Weltkinderhilfswerks UNICEF und der Organisation 'Save the Children' könnte sich die Zahl der Minderjährigen, die nicht zur Schule gehen, vor allem im Süden und im Zentrum Somalias verdoppeln. Schätzungen zufolge sahen sich etwa 200.000 Kinder im Schulalter mit ihren Eltern zur Flucht gezwungen.


Bisher nur 30 Prozent der Kinder unterrichtet

Schon in den vergangenen zwei Jahrzehnten hatten nur 30 Prozent der somalischen Kinder Gelegenheit, die Grundschule zu besuchen. Das ist die weltweit niedrigste Rate. Im Nachbarland Kenia haben 92 Prozent der Kinder Zugang zu einer kostenlosen Grundschulbildung. In Somalia dagegen ist der Schulbesuch kostenpflichtig und somit für viele unerschwinglich.

Wenn im September in Somalia der Schulunterricht wieder beginnt, werden aller Voraussicht nach weit weniger als 30 Prozent der Kinder den Unterricht besuchen. Um dies zu verhindern, müssten nach Schätzungen von UNICEF und 'Save The Children' im nächsten Monat 20 Millionen US-Dollar in den Bildungsbereich investiert werden. "Die bisherigen Mittel reichen nicht aus", erklärte UNICEF. Die Finanzierungslücken im Bildungsbereich seien auf dem höchsten Stand seit vier Jahren.

Trotz der seit jeher schwierigen klimatischen Bedingungen und des langen Bürgerkriegs haben die Somalier bewiesen, dass sie den Wert von Bildung erkennen. Vor der jüngsten Hungersnot fand Schulunterricht statt, obwohl die Macht der Regierung auf tönernen Füßen stand.

"Die Schulen werden von den Gemeinden verwaltet, weil es kein Bildungsministerium gibt. Dank der Unterstützung durch humanitäre Organisationen können die Lehrer bezahlt und die Schulprogramme finanziert werden", sagte Lisa Doherty, die bei UNICEF ein Ausbildungsprogramm für den Süden Somalias leitet. Auch sie räumt ein, dass die internationale Gemeinschaft angesichts der Hungersnot vor allem Lebensmittel und medizinische Hilfe bereitstellt.

Doherty ist aber davon überzeugt, dass der Schulunterricht zu den Grundbedürfnissen von Kindern gehört. Auch Rozanne Chorlton, die UNICEF-Vertreterin in Somalia, sieht Bildung als wichtigen Bestandteil von Nothilfe. "Schulen sind für Kinder nicht nur ein Ort des Lernens, sondern erschließen ihnen auch den Zugang zu Gesundheitsversorgung und anderen Basisleistungen", sagte sie. "Die Möglichkeit, in einem sicheren Umfeld zu lernen, ist ausschlaggebend für die Entwicklung eines Kindes und für sein Überleben. Längerfristig wirkt sich dies auch auf das Wachstum und die Stabilität eines Landes aus."


Schulen in einigen Camps

In einigen Flüchtlingslagern haben Hilfsorganisationen bereits behelfsmäßige Schulen eröffnet. Allein UNICEF unterstütze 155 Schulen in den Camps, die bereits Vertriebene aufgenommen hätten, so Doherty. Momentan würden dort etwa 37.000 Schüler unterrichtet - 40 Prozent sind Mädchen. Je nach Verfügbarkeit weiterer Gelder sollen noch mehr Unterrichtsmöglichkeiten geboten werden. In den Klassen müssen viele Kinder nach den schrecklichen Erlebnissen der letzten Wochen auch psychologisch betreut werden.

Burhan Mohamed, der selbst durch die Dürre vertrieben wurde, sieht in Badbaado dringenden Bedarf für schulische Bildung. Andernfalls würden es die Kinder zu nichts bringen und eine Bürde für die Gesellschaft werden, warnte er. Burhan unterrichtete an einer privaten Schule in einer der fünf Regionen, die von den UN zu Dürregebieten erklärt wurden.

Der Somalier lebt seit zwei Monaten mit seiner Familie in dem Lager. Arbeit als Lehrer hat er dort bisher nicht gefunden, da es keine Schulen gibt. Seine eigenen Kinder unterrichtet er selbst, wünscht sich aber, dass Bildung auch den anderen Heranwachsenden zugänglich wird.

Jüngsten UN-Berichten zufolge fliehen Menschen aus dem Süden und dem Zentrum Somalias nach wie vor in Richtung Mogadischu. Etwa 1.300 Somalier aus den Katastrophengebieten treffen täglich im kenianischen Auffanglager Dadaab ein.

Ein Ende der Dürre ist noch nicht absehbar. Anfang August erklärte die Welternährungsorganisation FAO, dass sich die Situation verschlimmert habe und weitere Teile des Landes, unter anderem der Afgooye-Korridor im Nordosten, von extremer Trockenheit betroffen seien. Zehntausende Menschen sind bereits an den Folgen der Nahrungsknappheit gestorben. (Ende/IPS/ck/2011)


Links:
http://www.unicef.org/
http://www.fao.org/news/story/en/item/86848/icode/
http://www.savethechildren.org/site/c.8rKLIXMGIpI4E/b.6115947/k.8D6E/Official_Site.htm
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=89348

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH


*


Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 22. August 2011
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. August 2011