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SUCHT/034: Mauritius - Einstiegsdroge Hustensaft, immer mehr kindliche und jugendliche Junkies (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 29. August 2011

Mauritius: Einstiegsdroge Hustensaft - Immer mehr kindliche und jugendliche Junkies

Von Nasseem Ackburally


Port Louis, 29. August (IPS) - Mauritius kämpft gegen einen traurigen Rekord: Kein anderes afrikanisches Land hat einen so hohen Drogenkonsum wie die kleine ostafrikanische Inselrepublik im Indischen Ozean. Der Weltdrogenbericht 2010 schätzt, dass 1,9 Prozent der 1,2 Millionen Mauritier drogenabhängig sind. Alarmierend ist vor allem die ständig steigende Zahl junger Junkies. Beliebte Einstiegsdroge ist codeinhaltiger Hustensaft aus der Apotheke.

Auch die aus Plaine-Verte in der Nähe der Landeshauptstadt Port Louis stammenden 15-jährigen Zwillingsbrüder Assad und Asraf, so jedenfalls nennen sie sich, verschafften sich ihren ersten Drogenrausch mit Hustensaft. Mit elf Jahren hatten sie zur ersten Zigarette gegriffen, dann besorgte ihnen ein Nachbar den Hustenlöser.

"Später haben wir alles gespritzt, was wir kriegen konnten, auch Heroin und die Ersatzdroge Buprenorphin", berichteten sie IPS. Jetzt versuchen sie, wie rund 600 andere junge Junkies, im Idriss-Goomany-Zentrum von ihrer Sucht loszukommen. In der von der Regierung finanzierten Einrichtung werden Drogenabhängige behandelt und rehabilitiert.

Zentrumsleiter Imran Dhanoo und sein Sozialarbeiter Ally Lazer berichten von vielen tausend drogenabhängigen Kindern und Jugendlichen, mit denen sie es zu tun gehabt hätten. "Früher waren unsere Klienten 25 und älter, doch jetzt behandeln wir schon 16-Jährige", erklärte Dhanoo. "Wenn sie hierher kommen, haben die meisten schon eine mindestens vierjährige Drogenkarriere hinter sich", berichtete er. Lazer klagte, dass skrupellose Apotheker sogar Kindern rezeptpflichtige opiathaltige Hustenmittel verkauften und dafür den fünf-, sechsfachen Preis verlangten.

Die Behörden wüssten von dem Problem und seien nicht untätig, versicherte ein auf Anonymität bestehender Beamter aus dem Gesundheitsministerium. "Von Zeit zu Zeit gibt es Razzien in den Apotheken. Bei illegalem Verkauf von Hustenmitteln droht eine Anklage", sagte er IPS.

"In meiner Region wächst die Armut", stellte der Sozialberater Jamaluddin Guillaume aus Riche-Verte nahe der Hauptstadt fest. "Hier rauchen schon achtjährige Kids aus zerbrochenen Familien. Sie schwänzen die Schule, hängen herum, schnüffeln Lösungsmittel oder schlucken Hustensaft", berichtete er IPS.

Yousouf Dauhoo von der 1998 gegründeten lokalen Nichtregierungsorganisation 'SOS Poverty' bestätigt Guillaumes Beobachtungen. "In den verarmten Gebieten treten viele Kinder in die Fußstapfen ihrer drogenabhängigen Eltern", sagte er.

Der Sozialarbeiter Lazer, der in den Schulen für Anti-Drogenprogramme wirbt, sagte IPS: "Kein Dorf, keine Stadt ist von dem Problem verschont. Viele Schüler erzählen mir, dass sie neben Hustensaft auch Haschisch und Alkohol konsumieren."


Kritik an der Drogenpolitik der Regierung

Die Regierung ist nach eigenen Angaben ernsthaft bemüht, den grassierenden Drogenhandel einzudämmen. Im März beantwortete Ministerpräsident Navin Ramgoolam eine entsprechende parlamentarische Anfrage mit dem Hinweis, die Regierungsstrategie zur Drogenbekämpfung bestehe aus der Durchsetzung von einschlägigen Gesetzen, der Prävention, der Behandlung von Abhängigen und deren Rehabilitation.

"Die Zahl der im Zusammenhang mit Drogen verhafteten Personen ist in den vergangenen zehn Jahren deutlich gestiegen, von 1.504 (2000) auf 1.899 (2010). Außerdem wurden 2010 rund drei Kilo Heroin, 55 Kilo Cannabis und 20.301 Bupremorphin-Tabletten beschlagnahmt", beschrieb der Regierungschef die Erfolge der Drogenfahnder.

Dem Experten Lazer und seinen Kollegen genügt das nicht. In ihren wöchentlichen Informationsveranstaltungen prangern sie weiterhin die erfolglose Drogenpolitik der Regierung und den laschen Umgang der Behörden mit Drogenhändlern an. (Ende/IPS/mp/2011)


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http://www.unodc.org/
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. August 2011