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REDE/036: Ursula von der Leyen - Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
"REGIERUNGonline" - Wissen aus erster Hand - 05.03.09

Rede der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Dr. Ursula von der Leyen, zum Sechsten Bericht der Bundesrepublik Deutschland zum Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) vor dem Deutschen Bundestag am 5. März 2009 in Berlin:


Herr Präsident!
Meine Damen und Herren!

Der Internationale Frauentag steht in diesem Jahr unter besonderem Vorzeichen: Wir feiern 90 Jahre Frauenwahlrecht, 60 Jahre Grundgesetz mit Artikel drei Absatz zwei, und auch das Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau hat in diesem Jahr einen runden Geburtstag: 30 Jahre CEDAW. Bei solchen Anlässen schauen wir zurück und ziehen Bilanz. Aber natürlich schauen wir auch nach vorne und beschreiben Wegstrecken und auf ihnen vorhandene Hürden.

Im Februar haben wir in Genf zum sechsten Mal den CEDAW-Staatenbericht für Deutschland vorgestellt. Mit Erfolg: Der Ausschuss hat unsere Fortschritte in hohem Maße anerkannt und entgegen der Üblichkeit den nächsten deutschen Staatenbericht nicht für 2010/2011, sondern erst für 2014 vorgesehen. Gelobt wurde beispielsweise, dass sich Väter in Deutschland inzwischen stärker an der Elternzeit beteiligen. Bei der Vorlage des letzten Staatenberichtes - daran werden Sie sich noch erinnern - wurde die damalige Väterquote, die unter vier Prozent lag, noch heftig kritisiert. Mit den Partnermonaten im Elterngeld hat sich spürbar etwas verändert; die Väterquote hat sich inzwischen vervierfacht.

Auch der Zweite Aktionsplan der Bundesregierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen liegt auf der Linie der CEDAW-Empfehlungen, insbesondere deshalb, weil der Aktionsplan einen besonderen Schwerpunkt auf Schutzmaßnahmen für Migrantinnen und für Frauen mit Behinderungen legt.

Dies alles ist Bestätigung, aber auch Ansporn; denn es ist weiß Gott nicht alles Gold. Es gibt Bereiche, in denen noch viel zu tun ist: Warum ist Armut immer noch zunächst einmal weiblich? Warum sind so wenige Frauen in Führungspositionen? Warum verdienen Frauen in Deutschland für ein und dieselbe Arbeit im Durchschnitt fast ein Viertel weniger - eine Lohnlücke von 23 Prozent - als ihre männlichen Kollegen?

In dieser einen Messgröße, nämlich dem Verhältnis der Bruttostundenlöhne von Frauen und der Bruttostundenlöhne von Männern, verdichten sich fast alle Facetten der Probleme, die Frauen heute erleben, wenn sie im Erwerbsleben ihren Weg gehen wollen: die Hindernisse auf dem Karriereweg, die starren Rollenmuster, Frauen fehlen in bestimmten Berufen und Branchen sowie auf höheren Stufen der Karriereleiter, die Schwierigkeiten, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen, und die erheblichen Hürden beim Wiedereinstieg in den Beruf nach einer Familienzeit.

Typische Frauenberufe sind im Durchschnitt schlechter bezahlt als typische Männerberufe. Das ist sowohl im Einzelnen als auch in der Summe inakzeptabel; denn Frauen sind längst genauso gut ausgebildet wie ihre männlichen Kollegen. Viele Familien sind auf das Einkommen der Frauen angewiesen. In jeder fünften Familie ist die Frau inzwischen die Haupternährerin.

Wenn man die Entgeltungleichheit europaweit vergleicht, dann stellt man fest, dass Deutschland im schlechten hinteren Mittelfeld, nämlich auf dem siebtletzten Platz, liegt. Ich weiß, dass diese Statistik mit Vorsicht zu genießen ist. Zum Beispiel ist die geringe Lohnlücke von Malta - sie beträgt gerade einmal vier Prozent - auch darauf zurückzuführen, dass auf Malta überhaupt nur knapp 36 Prozent der Frauen einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Das kann keine Antwort sein. Wir haben in Deutschland eine Frauenerwerbstätigenquote von 64 Prozent und damit die Ziele der Lissabon-Strategie inzwischen übertroffen. Zu welchem Preis aber? Das muss heute nach wie vor die entscheidende Frage sein.

Gegen einige Ursachen für die Lohnlücke kann die Politik nur schwer etwas tun: Gewerkschaften und Arbeitgeber sind bei den Tarifverhandlungen für die Arbeitnehmer in so genannten typischen Frauenberufen und so genannten typischen Männerberufen entscheidend. Es gibt gar keinen plausiblen Grund, warum ganze Branchen schlechter bezahlt werden, nur weil in ihnen überwiegend Frauen arbeiten. Eine andere Ursache ist die Tatsache, dass die Lohnlücke mit steigender Qualifikation größer wird - das gilt gerade auch für die frei verhandelten Gehaltsebenen -, sodass Frauen für ein und dieselbe Arbeit schlechter bezahlt werden.

An einer der wichtigsten Ursachen für die Lohnlücke kann die Politik aber etwas tun, und da tut die Politik auch etwas; hier müssen wir weiter hartnäckig am Ball bleiben: Frauen unterbrechen ihre Erwerbstätigkeit wegen der Familie häufiger und länger als Männer. Je länger diese Erwerbsunterbrechungen dauern, desto größer werden die Gehaltseinbußen, und desto stärker schwinden die Aufstiegsmöglichkeiten. Das hat seine Ursachen natürlich auch in jahrzehntelangen Lippenbekenntnissen für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, denen gar keine oder nur zögerliche Taten gefolgt sind.

Deshalb ist das Elterngeld mit den Vätermonaten richtig gewesen. Deshalb ist der Ausbau der Kinderbetreuung überfällig. Deshalb sind Ganztagsschulen und haushaltsnahe Dienstleistungen in diesem Land unverzichtbar.

Entscheidend ist: Kinder brauchen Zeit, zu pflegende Angehörige brauchen Zeit, und die Karriere braucht Zeit. Wenn eine Seite - zum Beispiel Kinder - nicht zulasten der anderen Seite - Karriere - gehen soll, dann gibt es nur eines: Es muss für Männer und Frauen das gleiche Anliegen sein, und es muss Männer genauso wie Frauen angehen.

Ich bin der festen Überzeugung, dass für die Vereinbarkeit von Beruf beziehungs-weise Karriere und Familie die von uns eingeführten Partnermonate beim Elterngeld genauso entscheidend sind wie unser gemeinsam durchgeführter Ausbau der Kinderbetreuung. Das sind die Steine, die am Anfang gelegt werden müssen, damit der Weg überhaupt gegangen werden kann.

Im CEDAW-Ausschuss ist deutlich geworden: Wir kommen mit der Gleichstellungspolitik voran, und wir haben anerkanntermaßen einiges erreicht. Dennoch ist der Weg lang. Ich bin überzeugt: Wenn wir diesen Weg weiter hartnäckig und unbeirrbar gehen, dann werden wir diese Lohnlücke weiter schließen.


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Quelle:
Bulletin Nr. 29-1 vom 05.03.2009
Rede der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend,
Dr. Ursula von der Leyen, zum Sechsten Bericht der Bundesrepublik
Deutschland zum Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung
jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) vor dem
Deutschen Bundestag am 5. März 2009 in Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. März 2009