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ORGANISATION/363: Forderungen der AWO zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ungleichheit (AWO)


AWO Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e.V. - Pressemitteilung vom 3. Mai 2017

Forderungen der AWO zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ungleichheit


Anlässlich der Frühjahrstagung der DL21 stellte die AWO zwei zentrale Forderungen zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ungleichheit auf. Der AWO Präsident Wilhelm Schmidt vertrat dort erfolgreich die Thesen Ende März. Der Beitrag beschäftigt sich mit der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich und mit dem traurigen Sachverhalt, dass obwohl die wirtschaftliche Lage in Deutschland gut ist, die Reallöhne insgesamt steigen und die Arbeitslosigkeit zurück geht, immer mehr Menschen von diesen Entwicklungen ausgeschlossen sind und abgehängt werden.

Daher fordert die AWO erstens, dass Chancengleichheit und gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen in unserer Gesellschaft geschaffen werden muss, indem insbesondere Kinder- und Altersarmut verhindert wird. Des Weiteren muss es auch künftig Wohlstand, sozialer Frieden und Vertrauen zum demokratischen Regierungssystem in Deutschland geben. Und zweitens fordert die AWO die Solidarität der Reichen ein, um die Finanzkraft des Staates zu stärken. Nur so kann eine demokratische und gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen in unserer Gesellschaft gesichert werden.


Forderungen der AWO zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ungleichheit

Die Schere zwischen Arm und Reich, zwischen den Erfolgreichen und den Abgehängten, geht immer weiter auseinander. Dabei stehen die Zeichen der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung eigentlich gut: Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat die Haushalte an der Spitze der Verteilung nicht nachhaltig getroffen. 2015 sind die Bruttolöhne je Arbeitnehmer*in im Vergleich zum Vorjahr um 2,4 Prozent gestiegen[1]. Die konjunkturelle Entwicklung ist solide und die Steuereinnahmen haben einen Höchststand erreicht.

Doch viele Menschen in unserer Gesellschaft profitieren nicht von den guten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Bereits die Einkommensentwicklung ist sehr unterschiedlich verteilt. So stiegen die höchsten Einkommen um bis zu 26 Prozent, während die mittleren Einkommen nur um acht Prozent zulegten. Die unteren Einkommen sind real sogar deutlich zurückgegangen. Arbeit schützt nicht mehr ausreichend vor Armut. Millionen Menschen sind trotz Arbeit von Armut betroffen. Mit 15,7 Prozent der Bevölkerung war jede sechste Person in Deutschland im Jahr 2015 von monetärer Armut bedroht[2]. Besonders betroffen sind Kinder. Nahezu jedes fünfte Kind wächst in Armut bzw. armutsgefährdet auf. Jedes zweite Kind im SGB IIBezug lebt in einem Alleinerziehenden-Haushalt[3].

Es wird eine bedenkliche Entkoppelungstendenz sichtbar: Die tatsächlichen Lebensbedingungen der Menschen in Deutschland sind zunehmend unabhängig von der gesamtwirtschaftlichen Lage. Die AWO ist daher überzeugt, dass ein Höchstmaß an sozialer Gleichheit und sozialer Sicherheit nur erreicht werden kann, wenn allen Menschen in unserer Gesellschaft Chancengleichheit und eine gleichberechtigte Teilhabe ermöglicht wird (1.). Um die hiermit verbundenen Aufgaben schultern zu können, muss gleichzeitig die Finanzkraft des Staates gestärkt werden. Hierfür braucht es eine bessere Verteilungspolitik (2.).

Daher fordert die AWO unter anderem:

1.) Für Chancengleichheit und gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen in unserer Gesellschaft.

Es muss auch künftig Wohlstand, sozialen Frieden und Vertrauen zum demokratischen Regierungssystem in Deutschland geben. Um dies zu erreichen, fordert die AWO insbesondere:

• Das physische und soziale Existenzminimum muss stets bedarfs- und realitätsgerecht abgesichert sein. So müssen etwa die pauschalierten Regelsätze so hoch sein, dass die Leistungsberechtigten ihr individuelles Existenzminimum auch mit einer Pauschalleistung decken können. Für Kühlschränke, Brillen oder andere Dinge des täglichen Bedarfs, die nur in größeren Zeitabständen angeschafft werden können, aber immer mit hohen Kosten verbunden sind, müssen wieder gesondert erbracht werden.

• Alle Kinder müssen unabhängig von ihrer familiären Situation und dem Einkommen ihrer Eltern ausreichend gefördert werden und die Chance auf ein gutes Aufwachsen erhalten. Daher muss das bürokratische und sozial ungerechte System aus Kindergeld, Kinderfreibeträgen und ALG IIRegelsätzen durch eine bedarfsgerechte Kindergrundsicherung ersetzt werden. Dazu gehören die angemessene Bestimmung des kindlichen Existenzminimums sowie bedarfsgerechte, transparente und unbürokratische monetäre Transfers.

• Die Vermeidung und Bekämpfung von Altersarmut muss ursachenadäquat, systemgerecht und zielgenau erfolgen. Dies erfordert zunächst präventive Maßnahmen in der Erwerbsphase. Hierzu gehören insbesondere dynamische Mindestlöhne, eine Einbeziehung aller sozialversicherungsfreien Erwerbsformen in die gesetzliche Rentenversicherung und ausreichende Rentenversicherungsbeiträge bei Arbeitslosigkeit, Kindererziehung und Pflege. Weiterhin müssen die Leistungen in der Rentenbezugsphase verbessert werden. Hierzu gehören die Abschaffung der Abschläge bei Erwerbsminderungsrenten, ein besseres Rentenniveau und eine bessere Absicherung von Geringverdienenden, damit sie trotz Beitragszahlungen zur Rente nicht auf ergänzende Grundsicherungsleistungen verwiesen werden müssen.

• Es muss ausreichend sozialer Wohnraum geschaffen und mehr in die soziale Infrastruktur investiert werden.


2.) Solidarität einfordern.

Um die demokratische, chancengleiche und gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen in unserer Gesellschaft sicherzustellen, muss die Finanzkraft des Staates gestärkt werden. Dies kann nur durch eine gerechte Verteilungspolitik erreicht werden. Die AWO fordert daher insbesondere:

• Die Vermögenssteuer muss neu geregelt werden, damit Deutschland nicht länger eine Steueroase für Superreiche ist.

• Für große Erbschaften muss die Erbschaftssteuer erhöht werden.

• Kapitaleinkommen dürfen nicht mehr steuerlich privilegiert werden. Hierzu muss die Abgeltungssteuer, nach der Kapitalerträge nicht mehr in der Steuererklärung erfasst und zudem unabhängig von ihrer Höhe mit 25 Prozent besteuert werden, abgeschafft werden. Das Einkommen aus Kapitalerträgen ist wieder mit dem individuellen Einkommenssteuersatz zu besteuern, um die Privilegierung gegenüber der Erwerbsarbeit rückgängig zu machen.

Verteilungsgerechtigkeit geht alle an. Als AWO fordern wir daher alle politischen Akteur*innen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene auf, Armut klar zu benennen, Ansätze zu ihrer Beseitigung zu entwickeln und Verteilungsspielräume zu nutzen.


Anmerkungen:
[1] Statistisches Bundesamt (2016): Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung. Fachserie 18, Reihe 1.4.
[2]Quelle: Mikrozensus (Statistisches Bundesamt)
[3] Bundesagentur für Arbeit 2016: Statistik der Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II). Nürnberg.

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Quelle:
AWO Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e.V.
Heinrich-Albertz-Haus
Blücherstr. 62/63, 10961 Berlin
Telefon: 030 / 26309-0
E-Mail: info(at)awo.or
Internet: https://www.awo.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Mai 2017

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