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ORGANISATION/170: Grundsatzforderungen des Sozialverbandes zur Bundestagswahl 2009 (SoVD)


Sozialverband Deutschland - SoVD-Zeitung Nr. 2 / Februar 2009

10 GRUNDSATZFORDERUNGEN DES SOVD ZUR BUNDESTAGSWAHL 2009

"Der Mensch im Mittelpunkt"


Sozialabbau stoppen - Sozialstaat stärken

Der massive Sozialabbau der letzten Jahre und die zunehmende Privatisierung sozialer Risiken haben viele Menschen existenziell getroffen. Gerade angesichts der weltumspannenden Finanz- und Wirtschaftskrise muss der Sozialstaat als Schutzschild für die Menschen in unserem Land wieder gestärkt werden. Dies erfordert einen aktiven Sozialstaat, der niemanden im Stich lässt, Sicherheit und soziale Gerechtigkeit für alle gewährleistet und den solidarischen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft fördert.


Armut und soziale Ausgrenzung bekämpfen

Die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich und die steigende Kinderarmut gefährden den sozialen Zusammenhalt und die Zukunft unserer Gesellschaft.

Es gilt, auf allen Handlungsebenen mehr Verteilungsgerechtigkeit und Chancengleichheit herzustellen. Existenzsichernde Leistungen an Hilfebedürftige müssen bedarfsgerecht bemessen werden und den individuellen Lebenslagen weitest möglich Rechnung tragen. Dies erfordert eine Revision der Regelsätze und pauschalierten Leistungen in den Systemen der sozialen Grundsicherung. Die Leistungen für Kinder müssen sich nach deren spezifischen Bedarf richten und ihnen gleiche Teilhabe- und Verwirklichungschancen in unserer Gesellschaft ermöglichen.


Finanzielle Sicherheit im Alter

Der schleichende soziale Abstieg der Rentnerinnen und Rentner durch die Wertverluste bei ihren Renten muss gestoppt werden. Die Rentenanpassungen müssen sich wieder an den Löhnen orientieren und vor Inflationsverlusten schützen. Zur Angleichung des Rentenwert in den neuen Bundesländern sind weitere Anstrengungen erforderlich, um in absehbarer Zeit einheitliche Lebensverhältnis für die Rentnerinnen und Rentner in Ost und West herzustellen.

Dem drohenden Anstieg von Altersarmut muss schon heute entgegengewirkt werden. Hierzu müssen die Abschläge bei Erwerbsminderungsrenten abgeschafft, gezielte armutsvermeidende Maßnahmen für Niedriglohnbeziehende und Arbeitslose getroffen und die Rentenversicherung zu einer Erwerbstätigenversicherung ausgebaut werden. Die Rente mit 67 muss überprüft und abgeschafft werden, auch weil sie mit der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungssituation der Älteren nicht vereinbar ist.


Gleicher Zugang zu einer guten Gesundheitsversorgung

Die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) muss für die Menschen dasein. Krankheit darf in Deutschland kein Armutsrisiko sein. Der SoVD lehnt Den Gesundheitsfonds in seiner jetzigen Ausgestaltung ab, da er die dringenden Finanzprobleme der GKV nicht löst und die Kostensteigerungen einseitig auf die Mitglieder abwälzt. Der SoVD fordert den Ausbau der GKV zu einer Bürgerversicherung, in der alle Menschen den gleichen Zugang zu einer bedarfsgerechten Gesundheitsversorgung erhalten, und in der alle Bürgerinnen und Bürger dieses Landes versichert sind. Nur so kann eine Zwei- bzw. Mehrklassenmedizin vermieden werden.


Gute Arbeit und - angemessene Bezahlung

Der rasante Zuwachs von prekärer Beschäftigung muss ebenso entschieden bekämpft werden wie die Arbeitslosigkeit. Unbedingten Vorrang müssen daher die Schaffung sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung und die Integration in den ersten Arbeitsmarkt haben. Ein besonderes Augenmerk muss dabei auf behinderte und ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gerichtet werden. Sie dürfen nicht in Rente, Ein-Euro-Jobs oder andere atypische Beschäftigungsformen gedrängt werden. Wer Vollzeit arbeitet, muss von seiner Arbeit leben können. Die Schaffung eines einheitlichen gesetzlichen Mindestlohns bleibt unverzichtbar.


Gleichberechtigung und Chancengleichheit für Frauen im Beruf

Es ist ein Skandal, dass Frauen in Deutschland noch immer ein Viertel weniger verdienen als Männer. In vielen Branchen wird noch immer nicht der gleiche Lohn für gleichwertige Arbeit für Frauen und Männer gezahlt. Daher sind Politik und Wirtschaft aufgefordert, diese Lohnungerechtigkeit endlich zu beseitigen. Zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind weitere Kraftanstrengungen unverzichtbar, damit vor allem alleinstehende Frauen gleichberechtigt und selbstbestimmt am Berufsleben und in der Gesellschaft teilhaben können. Hierzu bedarf es insbesondere eines ausreichenden und qualitativ hochwertigen (Ganztags)Betreuungsangebotes für Kinder sowie einer familiengerechten Gestaltung der Arbeitswelt. Für die Stärkung der häuslichen Pflege und Unterstützung pflegender Angehöriger Menschen mit Pflegebedarf wollen - wie alle Menschen - zu Hause und in privater Atmosphäre selbstbestimmt leben. Der SoVD fordert daher eine Trendwende in der Pflegepolitik mit einer klaren grundsätzlichen Entscheidung für eine qualitativ hochwertige Versorgung pflegebedürftiger Menschen im häuslichen Bereich. Eine individuelle Beratung und Unterstützung der pflegebedürftigen Menschen und der pflegenden Angehörigen sowie eine weitere Erhöhung des Pflegegeldes sind wichtige Bausteine für eine menschengerechte Pflege. Für eine langfristige und nachhaltige finanzielle Absicherung menschenwürdiger Pflege muss die Spaltung in soziale und private Pflegeversicherung überwunden und eine solidarische Bürgerversicherung für die Pflege eingeführt werden.


Für gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen

Die hohen gesetzlichen Ziele, umfassende berufliche, medizinische und soziale Teilhabe für Menschen mit Behinderungen sicherzustellen, werden in der Praxis noch immer unzureichend umgesetzt. Der SoVD fordert, durchgreifende Anstrengungen zu unternehmen, um behinderten Menschen die gleichen Chancen in Ausbildung und Beruf zu ermöglichen und hierbei die Instrumentarien des SGB IX offensiv zu nutzen. Die Herstellung umfassender Barrierefreiheit in allen Bereichen, insbesondere im Bereich Verkehr, bleibt eine große gesellschaftliche Herausforderung.

Die Eingliederungshilfe muss zu einem eigenständigen Leistungsgesetz weiterentwickelt werden, das die Rechtstellung der Betroffenen stärkt. Zudem fordert der SoVD, behinderten Menschen diskriminierungsfreien Zugang zu Gütern und Dienstleistungen zu ermöglichen und eine entsprechende EU-Richtlinie voranzubringen.


UN-Behindertenrechtskonvention mit Leben füllen - inklusive Bildung ermöglichen

Die UN-Behindertenrechtskonvention bedeutet einen Durchbruch für die Rechte der Menschen mit Behinderungen, denn sie zielt auf Selbstbestimmung, umfassende Gleichstellung und Teilhabe behinderter Menschen in allen Lebensbereichen. Nach der zügigen Ratifikation der Konvention ist Deutschland in der Pflicht, die sich aus der Konvention ergebenden Handlungsaufträge zeitnah umzusetzen. Besondere Berücksichtigung muss hierbei die inklusive Bildung finden. Der gemeinsame Schulunterricht für behinderte und nichtbehinderte Kinder darf kein Ausnahmefall bleiben, sondern muss zum Regelfall werden. Denn eine Schule für alle, die nicht ausschließt, sondern Kinder in ihrer Vielfalt anerkennt und einbezieht, kommt allen zugute.


Für einen europäischen Sozialraum

Die Menschen in Europa haben wenig Vertrauen in die Europäische Union. Die EU darf keine bloße Wirtschaftsgemeinschaft sein. Sie muss auch ihrer Rolle als Wertegemeinschaft gerecht werden, in der soziale Gerechtigkeit und Sicherheit die Basis für ein friedliches Zusammenleben bilden. Angesichts der Globalisierung und demografischen Herausforderungen brauchen die EU-Bürgerinnen und Bürger zentrale sozialpolitische Perspektiven, die nicht nur durch politische, sondern auch durch rechtlich verbindliche Vorgaben der EU abgesichert werden. Nur so kann eine stärkere Akzeptanz der europäischen Idee in der Bevölkerung erreicht werden.


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Quelle:
SoVD-Zeitung des Sozialverband Deutschland (SoVD)
Nr. 2 / Februar 2009, S. 4
Herausgeber: Bundesvorstand des Sozialverband Deutschland e.V.
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Der Bezugspreis wird im Rahmen des Verbandsbeitrages
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Juni 2009