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INTERNATIONAL/197: Argentinien - Männer für Geschlechtergleichheit (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 30. September 2015

Argentinien: Männer für Geschlechtergleichheit - Netzwerk verpflichtet sich zu Anti-Diskriminierungsmaßnahmen

von Fabiana Frayssinet


Bild: © Fabiana Frayssinet/IPS

In Buenos Aires hat eine Gruppe von Männern eine 'Gleichheitsverpflichtung' unterschrieben
Bild: © Fabiana Frayssinet/IPS

BUENOS AIRES (IPS) - In Argentinien haben Männer ein Zeichen für die Gleichberechtigung der Geschlechter gesetzt. Auf einem Treffen in der Hauptstadt Buenos Aires verpflichteten sie sich schriftlich dazu, Frauen im Kampf gegen Diskrminierung, Vorurteile und Gewalt zu unterstützen.

So heißt es in dem 'Gelöbnis für Gleichheit': "Ich verpflichte mich zur tagtäglichen Überprüfung meiner Verhaltensweisen und Einstellungen, um der Weiterverbreitung von Vorurteilen und Stereotypen entgegenzuwirken, die der systematischen Diskriminierung Vorschub leisten und verhindern, dass Frauen die gleichen Rechte wie Männer ausüben können."

Auf der vom 'Männernetzwerk für Gleichheit' organisierten Veranstaltung nahmen Vertreter der Regierung, Justiz, Privatwirtschaft, Forschung und der Zivilgesellschaft teil. Unterstützt wird die Initiative von den Vereinten Nationen und dem staatlichen Nationalen Frauenrat sowie von der privaten Stiftung 'Avon' und der französischen Supermarktkette 'Carrefour'.

Die Herausforderung wird nun darin gesehen, einflussreiche Mitglieder der Gesellschaft dazu zu bringen, die Initiative zu unterstützen. "Wir wollen erreichen, dass alle mitmachen und sich persönlich verpflichten, die Diskriminierungen in allen Geseellschaftsbereichen zu bekämpfen", sagte der UN-Koordinator René Mauricio Valdés.

Dies ist auch das erklärte Ziel von Organisationen wie 'Campaña Lazo Blanco', die unter anderem mit gemischten Fußballmannschaften in der Provinz Cordoba gegen Männerwahn und Diskrminierung vorgeht. In diesen Clubs werde gegen männliche Stereotypen Front gemacht, die normalerweise mit Gewalt in Verbindung gebracht würden, erklärte Hugo Huberman, Koordinator des Männernetzwerks, auf der Veranstaltung. Das Netzwerk war 1991 in Kanada als Initiative gegen Machogewalt entstanden.


Todesursache Machismus

Wie gefährlich Machismus sein kann, hat die 'Adriana-Marisel-Zambrano-Beobachtungsstelle' in diesem Jahr dokumentiert. Grundlage ihrer Untersuchungen waren Zeitungsberichte der Jahre 2008 bis 2013. Demnach waren 1.236 Frauen aufgrund ihrer Geschlechtszugehörigkeit ermordet worden, unter ihnen mindestens 124 Teenager.

Die Supermarktkette Carrefour unterstützt den neuen Vorstoß. Sie setzt sich seit geraumer Zeit in ihren eigenen Reihen für die Förderung der Geschlechtergleichheit ein, indem sie ihren männlichen Mitarbeitern Freizeit gewährt, damit sie an den Geburtstagsfeiern ihrer Kinder teilnehmen oder zu Elternsprechstunden in die Schulen gehen können. Betriebsbesprechungen finden grundsätzlich nicht später als 16 Uhr statt, um allen Beschäftigten zu ermöglichen, pünktlich nach Hause zu kommen.

Schließlich komme heutzutage Männern und Frauen die gleiche Rolle in Beruf und Familie zu, betonte der Carrefour-Manager Leonardo Scarone. "Wird Männern aber nicht gestattet, ihre familiären Aufgaben zu erfüllen, können sich die Frauen niemals am Arbeitsplatz behaupten."

Um die Gleichberechtigung seines weiblichen Personals zu fördern, hat Carrefour in den Führungsebenen eine Frauenquote festgelegt. "Im Management beträgt der Anteil von Frauen 20 Prozent", so Scarone. Sechs Jahre nach Einführung der Frauenquote arbeiten in dem Unternehmen sechs Frauen in Führungspositionen. Dies entspricht einem Anteil von 15 Prozent. Früher hatte es bei Carrefour in Argentinien keine einzige Managerin gegeben.

Bereits 2001 hatte eine Kampagne dafür gesorgt, dass sich inzwischen Tausende argentinische Männer mit den Themen Männerwahn und Gewalt gegen Frauen auseinandersetzen.

Den Aktivisten der Kampagne '260 Männer gegen den Machismo' geht es darum, möglichst viele einflussreiche Männer aus Politik, Wirtschaft und anderen Bereichen dazu zu bringen, sich innerhalb ihrer Einflusssphäre als Promotoren für ein Ende der Gewalt gegen Frauen zu engagieren. Medienberichten zufolge wurden 2010 mindestens 260 Frauen von ihren Partnern ermordet.

2011 erklärten sich Tausende männliche Argentinier schriftlich dazu bereit, jede Gewalt gegen Frauen zu unterlassen und eigene Verhaltensweisen auf sexistische und frauenfeindliche Elemente zu prüfen und zu ändern.


Militärs gegen Männerwahn

Und im laufenden Jahr ergriffen 29 Politiker, Militärs und andere männliche Führungspersönlichkeiten die Gelegenheit, ihre Mitarbeiter von der Notwendigkeit zu überzeugen, den Machismus und seine Folgen auf das Leben von Frauen zu hinterfragen.

"Es ist schon sehr interessant, einen Verteidigungsminister (Arturo Puricelli) dabei zu beobachten, wie er den Generalstab einberuft, um in einem voll besetzten Saal gegen den Männerwahn zu Felde zu ziehen und die anwesenden Militärs anschließend dazu aufzurufen, dem Machismus abzuschwören", meinte José María Di Bello, einer der Kampagnenleiter.

Die Kampagne machte auch vor dem Nationalen Strafvollzugssystem nicht Halt. So wurden die Mitarbeiter der Behörde von ihrem Chef in die Pflicht genommen, damit sie sich mit dem Problem von Männergewalt und Männerwahn gründlich auseinandersetzen. Am Ende der Veranstaltung ließen sich die Teilnehmer mit Plakaten ablichten, auf denen die Namen der im letzten Jahr ermordeten Frauen zu lesen waren.

"Wenn sich Frauen mobilisieren, geht es ihnen meist darum, ihre Geschlechtsgenossinnen vor Männergewalt zu schützen. Parlamentarierinnen kämpfen um entsprechende Gesetze, und Feministinnen veranstalten Protestkundgebungen. Wir Männer jedoch sind immer abwesend", erläuterte Di Bello von der Nichtregierungsorganisation 'Efecto Positivo' ein Motiv für die Durchführung der Kampagne. "Wollen wir die Gewalt gegen Frauen beenden, müssen wir gegen den Machismo vorgehen, den Vater aller Gewalttaten. Wir wollen Teil der Lösung sein." (Ende/IPS/ck/30.09.2015)


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http://www.ipsnoticias.net/2015/09/varones-se-comprometen-con-cosas-de-mujeres-en-argentina/

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IPS-Tagesdienst vom 30. September 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Oktober 2015

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