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INTERNATIONAL/167: Somalia - Flüchtlinge auf Heimatbesuch, doch Rückkehr muss warten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 2. April 2014

Somalia:
Flüchtlinge auf Heimatbesuch - Doch Rückkehr muss warten

von Amy Fallon


Bild: © Amy Fallon/IPS

Im Kisenyi-Slum in der ugandischen Hauptstadt Kampala leben viele der 12.000 somalischen Migranten
Bild: © Amy Fallon/IPS

Kampala, 2. April (IPS) - An einem Freitagnachmittag steigen mehrere Männer in ihren weißen und langen Kamis - traditionellen Gewändern - die Stiegen zum Büro von 'Somcity Travel' hinauf. Das kleine Reiseunternehmen, ein Familienbetrieb, liegt in Kisenyi-Slum in der ugandischen Hauptstadt Kampala. Die Agentur brüstet sich damit, "in die ganze Welt zu fliegen", doch tatsächlich bedient sie vor allem ein Ziel: Somalia.

"Von den durchschnittlich fünf Kunden am Tag sind vier Somalier", berichtet Mohamed Abdullahi, der Manager des kleinen Reisebüros, das gleich gegenüber dem Al-Baraka-Kosmetikladen und dem Cadaysay-Shop liegt, wo man Geldüberweisungen vornehmen lassen und Handys und Telefonzubehör kaufen kann.

"Einige von ihnen fliegen in den Ferien nach Somalia. Doch sie kommen immer wieder zurück", sagt Abdullahi. "Das Geschäft mit diesen Reisenden boomt. Ihnen verdanken wir viele Buchungen."

Kisenyi, inoffiziell Klein-Mogadischu genannt, ist seit den 1990er Jahren das Zentrum der somalischen Gemeinde in dem ostafrikanischen Land. Dass sich in den Straßen des Slums Reiseagenturen an Restaurants, Tankstellen, Supermärkte und andere Geschäfte reihen, ist erst seit 2002 der Fall. Alle diese Kleinunternehmen befinden sich in der Hand von Somaliern. In Kisenyi gibt es sogar eine Moschee.


Erfolgreiche Geschäftsleute

"Wenn es ums Geschäft geht, sind wir recht agil und können es sogar mit den Indern aufnehmen", meint Abdul Kadir Farah Guled, der Geschäftsträger der somalischen Botschaft in Kampala stolz, der seit 1974 in Kenia stationiert ist. "Einziges Problem ist, dass uns schon einmal das Temperament durchgeht. Manchmal mögen wir uns aufgrund ethnischer Konflikte nicht. Doch am Ende eines jeden Tages sind wir wieder Freunde."

Konkrete Zahlen, wie viele Somalier in Uganda leben, liegen nicht vor. Angenommen wird jedoch, dass es um die 12.000 sind. Sie stellen zudem 85 Prozent der Bevölkerung des Kisenyi-Slums. Die meisten von ihnen sind Flüchtlinge beziehungsweise Ugander somalischer Herkunft. Angenommen wird, dass in dem Armenviertel gut 4.000 somalische Flüchtlinge leben.

Für viele ist das Armenviertel lediglich eine Art Zwischenstation, ein Sprungbrett in ein besseres Leben. "Von der ugandischen Bevölkerung und der Regierung werden die Ugander respektiert", erläutert Abdullahi. An der Wand gegenüber seinem Schreibtisch hängt ein Bild mit Ugandas Präsidenten Yoweri Museveni.

Abdullahi lebte einst in Towfiq, einem Viertel in der somalischen Hauptstadt Mogadischu. 2007 verließ der damals 17-Jährige zusammen mit mehreren Angehörigen und Freuden das Land am Horn von Afrika. "Ich bin hierher gekommen, weil ich eine Ausbildung machen und nicht in einem Bürgerkriegsland leben wollte", erklärt er. Milizen des Terrornetzwerks 'Al-Shabaab' konnten zwar 2011 aus Mogadischu vertrieben werden, doch kontrollieren sie immer noch einige Teile des Landes.

Als Abdullahi nach Uganda kam, wo sich sein Onkel Ahmed vier Jahre zuvor niedergelassen hatte, sprach er bereits Englisch. In Somalia ist die offizielle Sprache Arabisch, in Uganda Englisch. Er machte zunächst in seinem Gastland seine mittlere Reife und dann das Abitur. Inzwischen arbeitet er sechs Tage die Woche bei Somcity Travel und verdient dort monatlich 200 US-Dollar. "Auch wenn sich in Somalia die Lage verbessert - Probleme gibt es noch immer zuhauf", sagt der inzwischen 24-Jährige. "So werden Häuser dort immer noch bombardiert und es ist gefährlich, nachts vor die Tür zu gehen."

Für die meisten Somalier, die erstmals nach Uganda kommen, sei die englische Sprache ein Riesenproblem, weiß Shukri Islow, Gründerin der Nichtregierungsorganisation 'Somali Youth Action For Change', die Somaliern bei der Integration behilflich ist. "Eine Sprache zu können, vermittelt ein Gefühl von Verbundenheit", sagt die 28-Jährige, die Somalia im Alter von acht verlassen hatte. Sie lebte danach in Schweden, Ägypten und Saudi-Arabien, bevor sie nach Uganda kam.

"Wir wollen, dass junge Leute, auch wenn sie über 20 Jahre alt sind, das Gefühl bekommen, dass sie aus eigener Kraft alles erreichen können", erläutert Islow, die im November an der 'Cavendish University' in Uganda ihren Bachelor in Internationale Beziehungen und Diplomatie gemacht hat.

Islow bereitet zudem ugandische Soldaten auf ihre Teilnahme an der Mission der Afrikanischen Union in Somalia (AMISOM) vor. Uganda war das erste Land, das der seit 2007 in Somalia stationierten AMISOM Truppen bereitgestellt hatte. 6.223 des 22.000 Mann starken und mit UN-Mandat ausgestatteten AU-Kontingents sind Ugander. Anfang März gab die Regierung in Kampala bekannt, dass sie zusätzliche 410 Soldaten zur Bewachung von UN-Einrichtungen nach Somalia entsenden wird.


Angst vor Gewalt in Somalia

"In Somalia ist es derzeit so, dass du um dein Leben fürchten musst. Du weißt nicht wer und aus welchem Grund dich jemand umbringen könnte. Du wirst einfach nur wegen deines Lebensstils oder deiner Ideologie ermordet", sagt sie gegenüber IPS. "Ich bin schon deshalb gefährdet, weil ich in den sozialen Medien zu finden bin und Fotos von mir mit ugandischen Soldaten online kursieren."

Die junge Aktivistin, die in Somalia noch Familie hat, würde gern für immer in ihr Heimatland zurückkehren. "Egal wo du hingehst, zu Hause ist es am schönsten", sagt sie. Doch solange dies nicht möglich ist, möchte sie nach Australien, um in Melbourne weiterzustudieren.

Abdullahi hat ähnliche Pläne. Er wird ab Juli in Sydney im Hause eines Onkels leben, um in der australischen Stadt einen Kurs für Geschäftsmanagement zu absolvieren. "Ich möchte mich professionell weiterbilden, gleichzeitig ein normales Leben führen, heiraten und eine Familie gründen", meint er.

Im Januar hat die somalische Botschaft in Uganda ihr erstes Treffen mit der somalischen Diaspora abgehalten, um über den Stand des fortgesetzten Stabilisierungs- und Friedenprozesses im Land am Horn von Afrika zu berichten. Die Regierung in Mogadischu hofft, dass gebildete junge Leute wie Abdullahi und Islow zurückkehren und sich am Wiederaufbau Somalias beteiligen werden.


Auslandssomalier überweisen Milliarden Dollar in die Heimat

Die im Ausland lebenden Somalier haben bereits viel für die alte Heimat getan. Ein Bericht des UN-Entwicklungsprogramms (UNDP) von 2011 schätzt die Zahl der im Ausland lebenden Somalier auf 1,5 Millionen. Der Bericht hält ferner fest, dass diese jährlich zwischen 1,3 Milliarden und zwei Milliarden US-Dollar an ihre Familien zu Hause schicken.

Seit dem vergangenen Juli bietet 'Air Uganda' vom 'Entebbe International Airport' Direktflüge nach Mogadischu an. Doch Abdullahi hat Somalia seit seiner Einreise in Uganda nicht wiedergesehen. Selbst wenn es ihn nach Hause zöge, würde er sicherlich kein One-Way-Ticket buchen. "Ich habe mich so an das Leben im Ausland gewöhnt", erläutert er. "Und es gibt noch viele Dinge in Somalia, die nicht rund laufen. Noch kann man dort nicht gut leben." (Ende/IPS/kb/2014)


Link:
http://www.ipsnews.net/2014/03/somali-diaspora-ready-buy-one-way-tickets-home-yet/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 2. April 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. April 2014