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INTERNATIONAL/149: Kuba - Metrosexualität, neuer Lebensstil, altes Rollenverständnis (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 9. Juli 2013

Kuba: Metrosexualität - Neuer Lebensstil, altes Rollenverständnis

von Ivet González


Bild: © Jorge Luis Baños/IPS

Junge Kubaner - vor allem in den Städten - legen großen Wert auf ihr Äußeres
Bild: © Jorge Luis Baños/IPS

Havanna, 9. Juli (IPS) - In Kuba hat sich das Ästhetikverständnis junger Männer gewandelt. Viele verbringen inzwischen eine Menge Zeit vor dem Spiegel und im Fitnessstudio, investieren in Haarfarbe und Körperpflege. Doch Studien belegen, dass sich die Veränderungen im Wesentlichen auf das Äußere beschränken, und die 'Metrosexuellen' im karibischen Inselstaat an den machistischen Denkweisen ihrer Väter festhalten.

Metrosexualität - der Begriff setzt sich aus dem Englischen 'metropolitan' (städtisch) und Heterosexualität zusammen - meint einen mode- und körperbewussten Lebensstil heterosexueller Männer, der bisher Frauen und Homosexuellen zugeordnet wurde. Das Wort wurde in den 1990er Jahren von dem britischen Journalisten Mark Simpson als Umschreibung für junge männliche Städter verwendet, die ihren Körper pflegen, Kosmetika benutzen und Wert auf Hygiene legen.

"Überall auf Kuba beobachten wir junge Männer, die sich die Augenbrauen zupfen und sich das Haar färben, aber alten Rollenbildern verhaftet sind", meint Airelav Pérez, Psychologin an der medizinischen Fakultät Efraín Benítez Popa in der ostkubanischen Stadt Bayamo.

Pérez und ihr Team haben in diesem Jahr die sogenannte ProCC-Methode angewandt, ein vor 40 Jahren von der Argentinierin Mirtha Cucco entwickeltes Interventionsverfahren zur Bewältigung von Missständen im Alltagsleben. "Dabei stellte sich heraus, dass die 27 Medizinstudenten, die sich für die Untersuchung zur Verfügung stellten, ihrem äußeren Erscheinungsbild nach zwar kein Problem mit einem Lebensstil haben, der Frauen oder Homosexuellen nachgesagt wird, an der Vorstellung von der Überlegenheit des Mannes jedoch nach wie vor festhalten", meint die Wissenschaftlerin.

"Die Mehrheit der Probanden hat ausgesagt, dass sie dem als Metrosexualität bekannten Lebensstil folgen, um den Mädchen zu gefallen oder mit der Mode zu gehen, die von Künstlern und Sportlern vorgegeben wird", erläutert Karelia Fernández, Mitautorin der Studie über die neue Selbstinszenierung junger Städter. Sie hätten ferner ausgesagt, dass Männern zwar nicht abverlangt werde, sich zurechtzumachen, doch dass sie dies ganz praktisch fänden, kommentierte sie die Ergebnisse der Untersuchung, die auf den 'Jornadas 2013. Geschlechterfragen: die ProCC-Beiträge' vom 4. bis 6. Juli vorgestellt wurde.

Der Workshop, auf dem eine Vielzahl von Untersuchungen zum Thema männliche Rollenbilder präsentiert wurde, war eine Gemeinschaftsveranstaltung des kubanischen Nationalen Zentrums für Sexualerziehung und des internationalen Marie-Langer-Entwicklungszentrums für kommunale Gesundheit mit Sitz in der spanischen Hauptstadt Madrid.


Denkmuster in Frage stellen

"Die Menschen leben mit vielen Missständen, die sie aber weder in Frage stellen noch analysieren, weil sie sie für normal halten", so Cucco im IPS-Gespräch. Aus diesem Grund hat sie eine Strategie entwickelt, die Gemeinschaften bei der Suche nach gesünderen Lebensweisen und einer besseren Lebensqualität helfen: durch Schulen für Eltern, Entfaltungsräume für junge Leute und Gesprächszirkel, die sich mit Fragen des Alters, der Männlichkeit, der Weiblichkeit und des Berufslebens beschäftigen.

Die diesjährigen Jornadas haben sich explizit mit dem Thema 'Männlichkeit' beschäftigt, das auf der Karibikinsel Kuba immer häufiger Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen wird. Doch bleibt die große Herausforderung, Männer an ein neues Rollenverständnis heranzuführen und zu motivieren, die von Frauen erreichte Emanzipation zu unterstützen, bestehen.

Kubas Frauen haben ein hohes Maß an Bildung genossen. Sie sind in technischen Berufen anzutreffen und stellen 48,9 Prozent des kubanischen Einkammerparlaments. Und das sind nur einige wenige Erfolge im Kampf um mehr Gleichberechtigung, die zum Teil Einfluss auf männliche Sichtweisen nehmen konnten.

"Die Metrosexualität ist eine Mode, der junge Kubaner und vor allem Universitätsstudenten folgen, die aber das patriarchalische Rollenverständnis unwesentlich verändert hat", meint auch der Männlichkeitsexperte Alejandro Céspedes.

"Die neue Körperkultur nimmt keinen Einfluss auf den Menschen oder dessen sexuelle Orientierung", erläutert der 19-jährige Agronom Héctor Montiel, der sich seine Beinbehaarung rasiert. Seiner Meinung nach "ist der kubanische Mann heute weniger machistisch als vorher".

Céspedes zufolge sind Metrosexuelle meist Mitglieder der wirtschaftlich bessergestellten Kreise des Inselstaates, der seit zwei Jahrzehnten in einer wirtschaftlichen Krise steckt. Der Experte gehört dem Iberoamerikanischen und Afrikanischen Netzwerk für Männlichkeit an, einer Pionierorganisation in diesem Forschungsbereich. Der Zusammenschluss organisiert Treffen mit Gesprächskreisen für Männer unterschiedlicher Herkunft, die für die Notwendigkeit eines neuen Männerbildes sensibilisieren sollen. (Ende/IPS/kb/2013)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Juli 2013