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INTERNATIONAL/147: Prostitutionsgesetze und ihr Einfluss auf den Menschenhandel (idw)


Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg - 27.05.2013

Prostitutionsgesetze und ihr Einfluss auf den Menschenhandel

Liberale Gesetzgebung scheint "moderne Sklaverei" zu begünstigen



In Ländern ohne gesetzliches Prostitutionsverbot wird Menschenhandel in einem größeren Umfang registriert als in Ländern, in denen die Prostitution verboten ist. Das ist das Ergebnis einer statistischen Querschnittsanalyse, in der die Folgen von legalem käuflichem Sex dokumentiert werden. "Unsere Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass sich Länder, in denen Prostitution gesetzlich erlaubt ist, stärker im Fokus von Menschenhändlern befinden", erläutert Prof. Dr. Axel Dreher vom Alfred-Weber-Institut für Wirtschaftswissenschaften der Universität Heidelberg, der die Studie zusammen mit zwei Kollegen in der Fachzeitschrift "World Development" veröffentlicht hat.

Der Menschenhandel zählt den Vereinten Nationen zufolge zu den lukrativsten und weltweit am schnellsten wachsenden kriminellen Wirtschaftszweigen. Die große Mehrzahl der Opfer sind Frauen und Mädchen, die in den Zielländern zur Arbeit in der Sex-Industrie gezwungen werden. Die Wissenschaftler aus Heidelberg, London und Marburg wollten mit ihrer Analyse herausfinden, ob legale Prostitution zu mehr oder zu weniger Menschenhandel in den betreffenden Ländern führt. "Es wird oft angenommen, dass legaler käuflicher Sex den Menschenhandel reduzieren könnte, da dann mehr legal in einem Land lebende Prostituierte zur Verfügung stehen. Unsere Studie deutet jedoch auf das Gegenteil", erläutert Axel Dreher. "Die Daten zeigen, dass in Ländern, in denen die Prostitution nicht gesetzlich verboten ist, mehr Fälle von Menschenhandel erfasst werden." Einen möglichen Grund sehen die Wissenschaftler darin, dass weniger strenge Prostitutionsgesetze zu einer Ausweitung der Prostitution führen, wodurch auch die Zahl der zwangsweise in diesem Land arbeitenden Prostituierten zunimmt.

Eine der größten Schwierigkeiten von Forschungen zum Menschenhandel ist nach den Worten von Prof. Dreher der Mangel an verlässlichen und vergleichbaren Daten. "Da sich diese Form moderner Sklaverei nur schwer dokumentieren lässt, ist die genaue Zahl der Opfer unbekannt und kann nur grob geschätzt werden", erklärt Axel Dreher. Der Heidelberger Wissenschaftler und seine Kollegen werteten für ihre statistische Querschnittsanalyse einen Bericht der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2006 aus. Der "Report on Trafficking in Persons: Global Patterns" trägt Daten von 113 internationalen Organisationen sowie Regierungs- und Nicht-Regierungsorganisationen, Forschungseinrichtungen und den Medien zum Menschenhandel in 161 Ländern zusammen.

Bei der Datenauswertung arbeiteten die Wissenschaftler mit einem Index, der die dokumentierten Fälle von Menschenhandel auf einer Skala von 0 bis 5 misst. Dabei zeigt 0 an, dass im Untersuchungszeitraum 1996 bis 2003 keine Fälle von Menschenhandel bekannt wurden, während 5 für eine große Zahl registrierter Fälle steht. Nach den Ergebnissen der statistischen Querschnittsuntersuchung ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Land der hohen Skala 4 zugeordnet werden kann, um 12,8 Prozent über dem Durchschnitt aller erfassten Länder, wenn Prostitution dort erlaubt ist. Anders stellt sich die Auswertung für Länder mit Prostitutionsverbot dar. Danach hat die Zuordnung zu Skala 1 eine größere Wahrscheinlichkeit, wenn das Land über strenge Prostitutionsgesetze verfügt. Hier liegt der Wert um 10 Prozent über dem Durchschnitt aller erfassten Länder.

Wie die Wissenschaftler betonen, lassen sich mit den Methoden der Statistik trotz der schlechten Datenqualität Rückschlüsse auf den generellen Zusammenhang zwischen Prostitution und Menschenhandel ziehen. Die Forscher warnen jedoch davor, die Ergebnisse auch als Beweis für die Situation in einzelnen Ländern heranzuziehen. "Eine solche Beweisführung ist auf Basis der existierenden Daten nicht möglich", sagt Prof. Dreher. Seine Kollegen und er wenden sich auch gegen vorschnelle Rückschlüsse und Forderungen nach einem generellen Verbot der Prostitution. "Es darf zum Beispiel nicht übersehen werden, dass sich mit der Legalisierung von Prostitution die Arbeits- und Lebensbedingungen der in diesem Bereich tätigen Frauen und Männer verbessern können", sagt Prof. Dreher, der die Studie "Does Legalized Prostitution Increase Human Trafficking?" zusammen mit Prof. Dr. Eric Neumayer von der London School of Economics in Großbritannien und Juniorprofessorin Dr. Seo-Young Cho von der Universität Marburg veröffentlicht hat.

Die Studie kann im Internet abgerufen werden unter:
www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.405653.de/diw_econsec0071.pdf

Originalveröffentlichung:
Cho, Seo-Young & Dreher, Axel & Neumayer, Eric, 2013. "Does Legalized Prostitution Increase Human Trafficking?" World Development, Elsevier, vol. 41(C), pages 67-82

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution5

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Marietta Fuhrmann-Koch, 27.05.2013
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Mai 2013