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INTERNATIONAL/086: Asien - Nicht nur Wirtschaft, auch Ungleichheit wächst, Entwicklungsausblick 2012 warnt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 12. April 2012

Asien: Nicht nur Wirtschaft, auch Ungleichheit wächst - Entwicklungsausblick 2012 warnt

von Neena Bhandari

Donghyun Park präsentiert AsDB-Entwicklungsausblick 2012 - Bild: © Neena Bhandarai/IPS

Donghyun Park präsentiert AsDB-Entwicklungsausblick 2012
Bild: © Neena Bhandarai/IPS


Sydney, 12. April (IPS) - Das robuste Wirtschaftswachstum in asiatischen Entwicklungsländern hat die Armut verringert und den Lebensstandard von Millionen Menschen verbessert. Dennoch sieht die Asiatische Entwicklungsbank (AsDB) Handlungsbedarf. Der zunehmende Wohlstand führe zu größeren Einkommensunterschieden und Ungleichheit, die sich als Gefahren für die regionale Stabilität erweisen könnten, warnt sie in ihrem neuen Entwicklungsausblick 2012.

Wären die Früchte des Wirtschaftswachstums fairer verteilt worden, hätten in den vergangenen 20 Jahren weitere 240 Millionen Menschen in den 45 asiatischen Entwicklungsländern aus der Armut befreit werden können, befand der Flaggschiffreport der AsDB.

"Ein hoher Grad von Ungleichheit produziert soziale Spannungen zwischen Habenden und Besitzlosen sowie Instabilität", betonte Donghyun Park, einer der führenden Autoren des Berichts, am 11. April in Sydney. "Eine Zunahme der Ungleichheit begünstigt populistische und unwirksame politische Entscheidungen, die wiederum das Wachstum behindern können."

In den letzten 20 Jahren ist der Gini-Koeffizient, der die Verteilung der Einkommen auf einer Skala von null (Gleichheit) und eins (maximale Ungleichheit) misst, von 0,39 auf 0,46 gestiegen. Auf das reichste ein Prozent der asiatischen Haushalte verteilen sich sechs bis acht Prozent der Gesamteinkommen.


Chancen und Grenzen der Neuen Medien

Technologischer Fortschritt, Globalisierung und Marktreformen seien die Triebfedern sowohl des regionalen Wachstums als auch der Zunahme der Ungleichheit insbesondere zwischen den städtischen und ländlichen Gebieten sowie den Küsten- und Binnenregionen gewesen.

"Die gebildeteren Menschen waren eher in der Lage, aus dem technologischen Fortschritt Kapital zu schlagen. Das hat sich in einem höheren Einkommen ausgezahlt", sagte Park gegenüber IPS. Technologien könnten dazu beitragen, die Ungleichheit zu überwinden Als Beispiel nannte er den Fernunterricht für Kinder in entlegenen Gebieten.

In Asien ist der ungleiche Zugang zu Kapital, Land, Bildung, Schulungsprogrammen, Arbeits- und Finanzmärkten seit langem eine Realität. Der AsDB-Bericht empfiehlt den politischen Entscheidungsträgern deshalb, dem Bildungs- und Gesundheitssektor mehr Mittel bereitzustellen und wirksame Sozialprogramme auf den Weg zu bringen, Preissubventionen zu verringern oder abzuschaffen, Steuereinnahmen zu erhöhen, mehr Arbeitsplätze zu schaffen und die in ihrer Entwicklung zurückgefallenen Gebiete zu unterstützen.

"Die meisten asiatischen Regierungen sind sich zwar im Klaren darüber, dass die zunehmende Ungleichheit wachstumshemmend wirkt und die soziale Harmonie gefährdet. Dennoch haben sie noch nicht genug getan, um dem Trend entgegenzuwirken", warnte Park, Chefökonom der AsDB-Abteilung für Wirtschaftswissenschaften und -forschung.


Partnerschaften mit zivilgesellschaftlichen Akteuren gefordert

Der Experte empfiehlt den Staaten, mit zivilgesellschaftlichen Gruppen Partnerschaften einzugehen, um die Probleme zu bekämpfen. Als positives Beispiel nannte er die Bewegung 'Saemaul Undong' (Neues Dorf) in Südkorea, die von der Regierung in den 1960er und 1970er Jahren finanziell unterstützt wurde und dafür sorgte, dass trotz eines rapiden Wirtschaftswachstums das Stadt-Land-Gefälle nicht ein solches Ausmaß erreichte wie in anderen Ländern.

Dem Bericht zufolge wird sich das im letzten Jahr in Asien erzielte Wirtschaftswachstum von 7,2 Prozent im laufenden Jahr auf 6,9 Prozent verlangsamen, um 2013 wieder auf 7,3 Prozent anzusteigen. Die Region sei auf einem Wachstumskurs, der sich durch mehr Nachhaltigkeit auszeichne, heißt es in dem AsDB-Ausblick.

Die zweitstärkste Volkswirtschaft China wird den Schätzungen zufolge 2012‍ ‍ein Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 8,5 Prozent erzielen. Das ist eine Verlangsamung der Wirtschaft um 0,7 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr. 2013 darf die Volksrepublik dem Bericht zufolge dann mit einem BIP von 8,7 rechnen. Das indische Wirtschaftswachstum wird demnach 2012 auf sieben Prozent und 2012 auf 7,5 Prozent ansteigen.

Die AsDB musste ihre Prognosen allerdings für 2012 im letzten Dezember von 7,5 Prozent auf 6,9 Prozent BIP korrigieren, weil sie die Folgen der wirtschaftlichen Abwärtsspirale unterschätzt habe, so Satyajit Das. Der Experte für internationale Finanzderivate und Risikomanagement wirft der AsDB vor, "wild spekuliert" zu haben, was die Wirtschaftswachstumsprognosen angeht.


Im Schatten der Eurokrise

"Die europäischen Probleme werden sich erst verschärfen, bevor sich die Lage verbessert", ist er überzeugt. "Für Asien bedeutet dies, dass die Nachfrage nach Exporten geringer ausfallen wird als erwartet und sich für Länder wie Indien, die aufgrund ihrer Leistungsbilanzdefizite auf Auslandskapital angewiesen sind, Finanzierungsschwierigkeiten ergeben."

Weiter betonte Das, dass sich die USA nur sehr langsam aus der Krise erholt. "Da Europa als wichtigster US-Handelspartner schwächelt, wird sich die US-Wirtschaft verlangsamen", befürchtet der Experte. Er erwartet, dass die Volkswirtschaften der USA, der Eurozone und Japans 2012‍ ‍nur um 1,1 Prozentpunkte und 2013 um 1,7 Prozentpunkte zulegen werden.

Dem Experten Das zufolge sind die Marktentscheidungen der Industriestaaten für Asien "extrem zerstörerisch". Die USA, Großbritannien, Japan und Europa seien derzeit dabei, ihre Schulden zu monetisieren. Dies habe unter anderem zur Folge, dass auf Asien ein enormer Wohlstandsverlust zukomme, weil die Devisenreserven der asiatischen Zentralbanken in den Währungen der Industriestaaten angelegt worden seien.

Dem AsDB-Ausblick zufolge bergen der Anstieg der Erdölpreise und die Volatilität der Nahrungsmittelpreise die Gefahr der Inflation, doch könnten politische Entscheidungsträger asiatischer Entwicklungsländer von weiteren Finanz- und Steueranreizen Abstand nehmen.

Ein robustes Wachstum der Rohstoffexportländer Papua-Neuguinea, Osttimor und der Solomon-Inseln sowie ein starkes BIP der tourismusabhängigen Volkswirtschaften Cook-Inseln, Fidschi, Palau und Vanuatu hatten 2011 zu einem subregionalen Wirtschaftswachstum von sieben Prozent geführt.

Zwar sind die Pazifikstaaten von der Krise der Eurozone weitgehend verschont geblieben. Dennoch muss sich die gesamte Region als Folge des Rückgangs der Rohstoffexporteinnahmen, Infrastrukturprojekte und internationalen Agrarpreise in den nächsten beiden Jahren auf eine Verlangsamung der Wirtschaft auf sechs Prozent beziehungsweise 4,1 Prozent einstellen. (Ende/IPS/kb/2012)

Links:
http://www.adb.org/publications/asian-development-outlook-2012-confronting-rising-inequality-asia
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=107397

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 12. April 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. April 2012