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INTERNATIONAL/025: Dominikanische Republik - Arbeitsrechte großgeschrieben (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 17. Mai 2011

Dominikanische Republik: Arbeitsrechte großgeschrieben - US-Modellfabrik macht den Unterschied

Von Elizabeth Eames Roebling

AltaGracia zahlt das Dreifache des staatlichen Mindestlohns - Bild: © Elizabeth Eames Roebling/IPS

AltaGracia zahlt das Dreifache des staatlichen Mindestlohns
Bild: © Elizabeth Eames Roebling/IPS
Santo Domingo, 17. Mai (IPS) - Vor zwei Jahren hatte sich der Kleidungshersteller 'Knights Apparel' ein besonderes Ziel gesetzt: die Eröffnung einer Fabrik, in der die Beschäftigten nicht nur gutes Geld verdienen, sondern sich auch gewerkschaftlich organisieren können.

Nach der Übernahme eines entsprechenden Werksgeländes in der Dominikanischen Republik wandte sich das Unternehmen mit Sitz in Kalifornien an die Organisation 'Worker Rights Consortium' (WRC), die sich weltweit für die Einhaltung der Arbeitsrechte einsetzt. Gemeinsam entwickelte man ein Geschäftsmodell, das das Unternehmen inzwischen berechtigt, das Siegel 'nicht unter ausbeuterischen Bedingungen hergestellt' zu führen.

Das WRC kümmerte sich um das Zahlenmaterial als Grundlage für die Berechnung der künftigen Löhne. Anstatt auf lokale Untersuchungen zurückzugreifen, stellte die Organisation eigene Berechnungen über die Höhe des Einkommens an, das eine Familie in dem karibischen Inselstaat zum Leben braucht.

Knights Apparel erklärte sich bereit, den errechneten Monatslohn in Höhe von 527 US-Dollar zu zahlen. Das ist ein um 333 Prozent höherer Verdienst, als ihn andere Fertigungsbetriebe in den Freihandelszonen zahlen. Seither kann der kalifornische Kleiderproduzent auf die weltweite Unterstützung von Aktivistengruppen zählen. Die Produkte von Alta Gracia Apparel werden inzwischen auf dem Campus von 350 Universitäten verkauft. Sie sind zwar teurer als die Produkte der Billighersteller, aber immer noch preiswerter als die Kleidung von Nike, Reebok und Co.

Das Abkommen zwischen Knights Apparel und WRC sieht auch moderate Arbeitszeiten vor: an vier Tagen von sieben Uhr morgens bis 17:00 Uhr, eine halbstündige Frühstücks- und eine einstündige Mittagspause eingerechnet. Freitags endet der Arbeitstag bereits gegen Mittag.

In dem Büro außerhalb des Fabrikgebäudes dolmetscht Sara Adler-Milstein, die örtliche WRC-Vertreterin, während einer Web-Cam-Konferenz zwischen einer Gruppe Studierender der Universität von Birmingham, Teresa Cheng von den 'United Students against Sweatshops' (Vereinigte Studenten gegen Ausbeuterfabriken' - USAS) und zwei Gewerkschaftsvertretern von Alta Gracia Garments.

"Vor zehn Jahren hatten US-Studenten für den Beitritt ihrer Universitäten zum WRC demonstriert", erinnerte sich Cheng. "Das ist das erste Mal, dass wir von der USAS in der Lage sind, eine Fabrik wie Alta Gracia zu unterstützen, weil sie unseren Standards für Nichtausbeuterbetriebe entspricht."


"Mein Leben hat sich vollständig verändert"

Die dominikanische Gewerkschaftsführerin Maritza Vargas erzählte den Studierenden ihre Geschichte. "Mein Leben hat sich vollständig verändert", sagte sie. "Bevor ich bei Alta Gracia anfing, musste ich einen weiten Weg zu meiner Arbeit zurücklegen und meine Kinder in einer Tagesstätte unterbringen. Ich konnte mit Ach und Krach das Geld für Nahrungsmittel aufbringen und nur einem Kind den Schulbesuch ermöglichen. Jetzt leben alle Kinder bei mir und die Mittel reichen, alle anderen Kinder ebenfalls zur Schule zu schicken."

AltaGracia-Gewerkschaftsvertreter - Bild: © Elizabeth Eames Roebling/IPS

AltaGracia-Gewerkschaftsvertreter
Bild: © Elizabeth Eames Roebling/IPS

Vargas zufolge kann die Dominikanische Republik durchaus Arbeitsrechte vorweisen. "Doch Anspruch und Wirklichkeit liegen weit auseinander", meinte sie. "Arbeitnehmer, die Rechtsverstöße anzeigen, werden meist wieder weggeschickt. Die Chancen, dass jemand zur Rechenschaft gezogen wird, sind gering. Unternehmer können das Land verlassen und ihre Fabriken schließen, ohne ihre Beschäftigten abzufinden. Ebenso ist es üblich, dass Betriebe Gewerkschaftsmitglieder feuern."


Vorzeigefabrik als Hoffnungsträger

Alta Gracia habe seinen fairen Löhnen und der menschenwürdigen Behandlung der Beschäftigten der gesamten Gewerkschaftsbewegung der Dominikanischen Republik geholfen, ist Vargas überzeugt. "Denn nun können auch andere Gewerkschaften hoffen, ein ähnliches Ziel zu erreichen.

Pablo de Jesus berichtet von seinen Erfahrungen, die er in anderen Fabriken in der Dominikanischen Republik gemacht hat. Die Löhne seien niedrig gewesen, die Arbeiter schlecht behandelt und zu immer größeren Arbeitsanstrengungen angetrieben worden. Auch kommt es immer wieder zu körperlichen Misshandlungen der Beschäftigten.

Adler-Milstein hatte kürzlich die Belegschaft einer Fabrik der Bekleidungsherstellers 'Gildan Dortex' befragt. Dem Unternehmen wird vorgeworfen, Gewerkschaftsmitglieder unter Druck zu setzen und zu feuern. Dazu meinte die WRC-Vertreterin, dass Alta Gracias auf jeden Fall das "Highlight der Woche" gewesen sei. (Ende/IPS/kb/2011)


Links:
http://www.workersrights.org/
http://altagraciaapparel.com/
http://baseswiki.org/en/FLA,_Complaint_Regarding_Gildan_Dortex,_Dominican_Republic_2010
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=55655

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 17. Mai 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Mai 2011