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FRAUEN/844: Chile - Großnichte von Pinochet wird neue Frauenministerin (poonal)


poonal - Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen

Chile
Großnichte von Pinochet wird neue Frauenministerin

Von Sol Bajar


"Eine Verwandte Pinochets und Verfechterin seines Regimes einzustellen war wieder mal eine Kriegserklärung von Piñera. Aber er wird nicht gewinnen."

(Santiago de Chile, 06. Mai 2020, La Izquierda Diario) - Seit dem 6. Mai heißt die neue chilenische Ministerin für Frauen und Geschlechtergleichheit Macarena Santelices. Ihre Ernennung durch den chilenischen Präsidenten Sebastián Piñera stieß auf große Ablehnung, handelt es sich doch um die Großnichte des Diktators Augusto Pinochet. Santelices ist eiserne Verfechterin der Völkermordpolitik und Interessenvertreterin der Unternehmer und Mächtigen in Chile. Als Bürgermeisterin der Stadt Olmué (Region Valparaíso) von 2012 bis Oktober 2019 hatte sie dem reaktionären Image ihres Großonkels stets die Treue gehalten und den Staatsterrorismus verharmlost: "Es ist nicht zu leugnen, dass sich das Land in dieser Zeit wirtschaftlich stabilisiert hat. Außerdem herrschte so eine gewisse Mystik", schwärmte sie 2016 in einem Interview mit der chilenischen Tageszeitung El Mercurio.


Vorgängerin Plá erntete massive Kritik

Hinter der Ernennung von Santelices verbirgt sich ein weiteres Statement: Ihre Vorgängerin Isabel Plá war am 13. März aufgrund massiver Kritiken an ihrer Arbeit als Frauenministerin zurückgetreten. Seit Beginn der Aufstände im Oktober 2019 wird in aller Welt die Unterdrückung, Vergewaltigung, Misshandlung und entsetzliche Demütigung tausender Demonstrant*innen durch die staatlichen "Sicherheits"-Kräfte angeprangert. Plá rief nicht nur zum Schweigen über die Verbrechen auf, sondern unterstützte auch das kriminelle Handeln und die repressiven Maßnahmen von Polizei und Militär. Am 8. März, dem Internationalen Frauentag, gingen Millionen Chilen*innen in einem historischen Aufmarsch auf die Straße, um unter anderem gegen Plás Positionierungen zu protestieren.


Las Tesis fordern Santelices' Rücktritt

Die Repressions-, Verfolgungs- und Kriminalisierungspolitik der Regierung Piñera zielt darauf ab, das Regime der 30-jährigen Pinochet-Diktatur fortzusetzen und die Interessen der Unternehmer auf der anderen Seite der Kordilleren zu wahren. Die Choreografie "Un violador en tu camino" (Ein Vergewaltiger auf deinem Weg) wurde von Frauen*zusammenhängen auf der ganzen Welt kopiert. Das Kollektiv Las Tesis platzierte damit einen Aufschrei gegen die aktuelle chilenische Politik, der weltweit Aufsehen erregte und mit Solidarität beantwortet wurde. "Es kann nicht sein, dass ein Ministerium, das die Gleichberechtigung der Geschlechter garantieren soll, von einer Frau geleitet wird, die eine rechtsextreme konservative Politik verfolgt und öffentlich ihre Zustimmung zur bürgerlich-militärischen Diktatur unseres Landes demonstriert", so die Künstlerinnen von Las Tesis. Im Gespräch mit der spanischen Nachrichtenagentur Efe forderten sie den Rücktritt der Ministerin, da sie die Diktatur von Augusto Pinochet (1973-1990) gerechtfertigt hatte. Die Frauen*bewegung betrachtet die Ernennung von Santelices als reine Provokation und Warnung an diejenigen, die bisher furchtlos ihre Rechte eingefordert haben. Die Zeitung La Izquierda Diario - Chile betont, es sei auch "eine deutliche Botschaft an die Frauen, die während der Pinochet-Diktatur unter der politischen und sexuellen Gewalt des von Santelices unterstützten Staatsterrorismus gelitten haben".


Nonverbale Kampfansage an die Linke

"Ab heute bin ich Ministerin aller chilenischen Frauen. Wir werden gemeinsam daran arbeiten, die Gewalt gegen Frauen zu beseitigen und die Rechte aller Chileninnen durchzusetzen", so Santileces bei ihrer Vereidigung im Präsidentenpalast Palacio de la Moneda. "Ich bin sicher, dass Macarena dieser enormen Herausforderung gewachsen ist", versicherte der Präsident, der das Land weiterhin mit blutbefleckten Händen regiert und trotzdem absolute Straffreiheit genießt. In den sozialen Medien indes war die Ablehnung dieser Entscheidung den ganzen Tag zu spüren. Bárbara Brito, Vorsitzende des chilenischen "Partido de Trabajadores Revolucionarios" (PTR), erklärte: "Nach einem Aufstand des Volkes und inmitten einer Pandemie, die zu mehr Femiziden und mehr geschlechtsbezogener Gewalt geführt hat, stellen sie eine Verwandte Pinochets und Verfechterin seines Regimes ein. Das war wieder mal eine Kriegserklärung Sebastián Piñeras, auch wenn er es nicht ausdrücklich gesagt hat. Aber er wird nicht gewinnen". Der PTR ist die Schwesterorganisation des argentinischen "Partido de los Trabajadores Socialistas" (PTS) der Linken (Frente Izquierda) und der internationalen Organisation Pan y Rosas.


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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Mai 2020

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