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FRAUEN/791: Mexiko - Autonome Frauenhäuser in Mexiko in Gefahr (poonal)


poonal - Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen

Mexiko
Autonome Frauenhäuser in Mexiko in Gefahr

Von Sonja Gerth



Eine Frau mit einer weißen Maske mit dem Schild 'violencias' (Gewalt) auf der Stirn vor einer Ansammlung Protestierender mit Plakaten - Foto: © Sonja Gerth/Cimac

Anfang Juli protestierten Mitarbeiter*innen von Frauenhäusern auf dem Zócalo in Mexiko-Stadt gegen Kürzungen.
Foto: © Sonja Gerth/Cimac

(Mexiko-Stadt, 4. Juli 2019, cimacnoticias).- Obwohl Mexiko mittlerweile die vierthöchste Frauenquote der Welt im Parlament besitzt und der neue Präsident Andrés Manuel López Obrador sich bemüht hat, ein annähernd paritätisch besetztes Kabinett zu ernennen, ist ein Jahr nach der Wahl nicht zu erkennen, wie die Regierung die extreme Gewalt gegen Frauen in den Griff bekommen will.

Pro Tag werden laut UN Women landesweit neun Frauen umgebracht. Jede dritte Frau über 15 Jahren gibt an, schon einmal eine Form von Gewalt erlebt zu haben. Dennoch haben die autonomen Frauenhäuser in diesem Jahr sechs Monate lang gezittert und protestiert, bis am 4. Juli endlich die Nachricht kam, dass die erste Finanzierungsrunde für die Betreiberinnen ausgeschüttet wird. Dabei gibt es ohnehin zu wenig Plätze, um bedrohte Frauen in Sicherheit bringen zu können: landesweit sind es nach Zählung der Organisation Fundar 72 Frauenhäuser, etwa die Hälfte davon öffentlich, die Hälfte autonom betrieben.

Kampf gegen Korruption richtet sich auch gegen Zivilgesellschaft

Der Streit um die Finanzierung reicht bis zum Anfang des Jahres zurück. López Obrador, kurz AMLO, hat sich in seiner Amtszeit die Bekämpfung der Korruption auf die Fahnen geschrieben. Dabei geht er aber nicht nur gegen Funktionär*innen und Unternehmer*innen, sondern auch gegen die Zivilgesellschaft vor. "Wie allgemein bekannt ist, haben wir beschlossen, keine Mittel aus dem Haushalt an soziale Organisationen, Gewerkschaften, Zivil- oder Bürgerbewegungen zu übertragen, um letztendlich die Mittlertätigkeit zu beenden, die zu Undurchsichtigkeit und Korruption geführt hat", heißt es in einem Dekret vom 14. Februar.

Diese Maßnahme hat auch andere Programme betroffen, aber die Situation der Frauenhäuser ist vor dem Hintergrund der Gewalt besonders besorgniserregend. "Ein Großteil des Personals ist solidarisch, sie haben bis jetzt ohne Lohn gearbeitet", erklärte Teresa Blanco, Leiterin eines Frauenhauses in der Hauptstadt, bei einer Demonstration vor dem Nationalpalast Anfang Juli. "Wir haben unsere Ressourcen versucht einzuteilen, Priorität haben Medikamente, rechtliche Formalitäten und Lebensmittel."

Vorgesehene Gelder erst nach öffentlichem Druck

"Jetzt heißt es, an Türen klopfen und versuchen, andere Spender*innen zu finden", so Sabina Carrillo vom Frauenhaus "Empecemos Hoy" im Bundesstaat Mexiko. Ihre Einrichtung mit 6 Plätzen ist bei der ersten Ausschreibung sogar durchgefallen und hat gar kein Geld zu erwarten. "Es waren nur einige technische Kriterien", kritisiert sie, "wie dass wir zu wenig Kleidung und Schuhe hatten." Genau wie das Netzwerk der autonomen Frauenhäuser RNR (Red Nacional de Refugios [1]) beklagt sie, dass die Regierung die im Haushalt vorgesehenen Gelder nach öffentlichem Druck zwar ausgeschrieben, aber keine transparenten Kriterien für die Vergabe aufgestellt hat. "Das hängt dann eher vom Bauchgefühl der Inspekteurin oder des Inspekteurs ab", so Wendy Figueroa vom RNR.

Ohnehin sind die Betreiberinnen der Frauenhäuser am meisten von einer Regierung enttäuscht, die einen Wechsel, sogar eine "Vierte Transformation" des Landes versprach, aber hinter allen Forderungen zum Schutz von Frauen zurückbleibt. Dass die Gelder der ersten Ausschreibung nun überwiesen wurden, bedeutet nur eine kleine Verschnaufpause. Die feministische Nachrichtenagentur Cimac, die die Entwicklung seit langem verfolgt, geht davon aus, dass AMLO spätestens 2020 ernst macht und den zivilen Organisationen nichts mehr gibt - selbst wenn die Regierung bis dahin nicht in der Lage ist, die Zahl der wegfallenden Frauenhausplätze zu ersetzen.


Anmerkung:
[1] https://www.rednacionalderefugios.org.mx/


URL des Artikels:
https://www.npla.de/wordpress/wp-content/uploads/2019/07/mexiko-frauenhaeuser.jpg


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https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Juli 2019

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