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FRAUEN/547: Gambia - Frauenorganisationen erwarten Gesetz gegen Genitalverstümmelung (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 16. Juli 2014

Gambia: Zeit, das Messer wegzulegen - Frauenorganisationen erwarten Gesetz gegen FGM

von Saikou Jammeh


Bild: © Saikou Jammeh/IPS

Beschneiderinnen, die öffentlich erklären, dass sie keine Genitalverstümmelungen mehr durchführen werden
Bild: © Saikou Jammeh/IPS

Banjul, 16. Juli (IPS) - Frauenrechtsaktivistinnen in Gambia sind der Meinung, dass 30 Jahre Aufklärung über die Risiken der weiblichen Genitalverstümmelung (FGM) ausreichend sind, um die Praxis zu verbieten. Dennoch ist sie in dem 1,8 Millionen Menschen zählenden, westafrikanischen Land nach wie vor verbreitet. Doch den Gegnern zufolge ist der Wendepunkt erreicht.

Vor zwei Jahren hatte GAMCOTRAP, eine Nichtregierungsorganisation (NGO), die sich für den Schutz der politischen, sozialen, sexuellen und reproduktiven Rechte von Frauen und Mädchen einsetzt, einen Gesetzentwurf vorgelegt, über den seither beraten wird.

Bisherige Versuche, Gesetze gegen FGM zu erlassen, sind kläglich gescheitert. Doch diesmal hoffen seine Verfechterinnen, dass sie mit ihrem Entwurf endlich durchkommen. "Die Zeit ist reif", meint die Rechtsberaterin Amie Bensouda, die an der Gesetzesvorlage mitgearbeitet hat. "Ein solches Gesetz muss eindeutig sein und die FGM in allen ihren Erscheinungsformen verbieten. Die Diskussion kann nicht ewig dauern. Die Regierung muss endlich das Richtige tun."

"Die Kampagne hat ihren Höhepunkt erreicht", so auch Isatou Touray, die Leiterin der NGO, im IPS-Gespräch. "Wir haben eine Menge Arbeit hinter uns gebracht. Ich bin zuversichtlich, dass wir nun das Gesetz bekommen, dass von Frauen und Männern gleichermaßen erwünscht ist. Ich weiß, dass es Nischen des Widerstands gibt, doch das ist immer der Fall, wenn es um Frauenbelange geht."


Überzeugungsarbeit zahlt sich aus

2010 hatte GAMCOTRAP einen Workshop für die Mitglieder der Nationalversammlung organisiert. "Damals versprachen sie uns, jedes Gesetz zu unterstützen, dass die FGM unter Strafe stellt", sagt Touray stolz. "Außerdem bin ich glücklich, dass ich berichten kann, dass sich seit 2007 mehr als 128 Beschneiderinnen und Beschneider sowie 900 Gemeinden von der Praxis abgewandt haben. Dieser Trend wird sich fortsetzen."

78 Prozent der gambischen Frauen haben sich der Beschneidung unterzogen, doch nun, nach mehr als drei Jahrzehnten, die die Anti-FGM-Kampagne in Gambia schon anhält, ist der Wind des Wandels sogar in den konservativen ländlichen Gemeinden spürbar.

Sensibilisierungsprogramme führten dazu, dass hunderte Beschneiderinnen und Beschneider öffentlich versprachen, keine FGM mehr durchzuführen. Eine von ihnen ist Babung Sidibeh, die die Tradition in Janjanbureh, der Provinzhauptstadt der Central-River-Region, 196 Kilometer von Banjul entfernt, seit dem Tod ihrer Eltern am Leben erhalten hatte. Doch seit sie sich entschlossen hat, das Messer wegzulegen, sind keine FGM-Fälle mehr in ihrer Heimatstadt bekannt geworden.

Sidibeh hatte an einem Kurs über reproduktive Gesundheit und Frauenrechte teilgenommen. "Kurz nach der Beschneidung unserer Kinder im Jahr 2011 lud mich GAMCOTRAP ein, an einem Trainingsprogramm teilzunehmen. Ich wurde mit dem Leid konfrontiert, das wir unseren Frauen zugefügt haben. Hätte ich gewusst, was ich heute weiß, hätte ich nie jemanden beschnitten", sagt sie heute. "Und wenn meine Großeltern gewusst hätten, was ich heute weiß, hätten auch sie nie jemanden beschnitten. Unwissenheit ist das Problem."

Wie aus dem Gesundheitsministerium zu erfahren ist, hat die Behörde inzwischen eine aktivere Rolle im Kampf gegen die FGM eingenommen. "Wir haben ein FGM-Komplikationsregister angelegt und Krankenschwestern für FGM-Komplikationen sensibilisiert", so eine Sprecherin der Behörde.

Nach der Einrichtung des Registers hatte man Experten in die gambischen Regionen ausgeschickt. Binnen drei Monaten wurden hunderte von Komplikationen im Zuge von weiblichen Beschneidungen offenkundig. Im vergangenen März organisierte GAMCOTRAP ein religiöses Forum, das den Zusammenhang zwischen Islam und FGM untersuchen sollte.

"Wir brachten Islamwissenschaftler aus Mali, Guinea, Mauretanien und Gambia zusammen und führten eine rege und konstruktive Debatte", berichtet Touray. "Am Ende kamen wir zu der Erkenntnis, dass es sich bei der weiblichen Beschneidung um einen kulturellen und nicht religiös bedingten Eingriff handelt. In einer entsprechenden Erklärung wurde die Forderung erhoben, die Praxis gesetzlich zu untersagen."


Widerstand

Trotz aller Erfolge gibt es in Gambia eine einflussreiche islamische Expertengruppe, die von der Führung des Obersten Islamischen Rats unterstützt wird und darauf beharrt, dass die FGM ein religiöses Gebot sei. Sie hat ihrerseits ihre Pro-FGM-Kampagne intensiviert. "Es wäre ein Fehler, ein Gesetz gegen die FGM zu erlassen", meint Ebrima Jarjue, ein Mitglied des Obersten Islamischen Rats, im IPS-Gespräch.

"Unser Glauben schreibt vor, dass wir einen kleinen Schnitt vornehmen. Wir sollten das Recht haben, unseren Glauben zu praktizieren", meint Jarjue. "Wenn es Menschen gibt, die diese Arbeit schlecht verrichten, sollten sie aufgehalten werden und zunächst lernen, es besser zu machen. Und sollte die Beschneidung im Kindesalter Probleme verursachen, könnte sie ins Erwachsenenalter verschoben werden. Das wäre die richtige Verfahrensweise."

Das Frauenbüro, der Umsetzungsarm des Frauenministeriums, äußert sich zurückhaltend über die Möglichkeit, die FGM zu verbieten. "Im Frauenbüro sind wir der Meinung, dass noch Bedarf besteht, Sensibilisierungskampagne und Dialog fortzusetzen", so die Behördensprecherin Neneh Touray. Die Frage, ob ihr Amt der Meinung sei, dass das Gesetz zu früh komme, wollte sie nicht beantworten. (Ende/IPS/kb/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/07/time-to-drop-the-knife-for-fmg-in-the-gambia/

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IPS-Tagesdienst vom 16. Juli 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Juli 2014