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FRAUEN/359: Mauritius - Frauenquote für Gemeinderäte, Verfassungsänderung gefeiert und kritisiert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 4. Januar 2012

Mauritius: Frauenquote für Gemeinderäte - Verfassungsänderung gefeiert und kritisiert

von Nasseem Ackbarally


Port-Louis, 4. Januar (IPS) - Seit Jahresbeginn haben Frauen in Mauritius die Chance, ihre Präsenz in den Kommunalvertretungen und damit ihren politischen Einfluss deutlich zu verbessern. Dank einer kürzlich verabschiedeten Verfassungsergänzung müssen die politischen Parteien bei den alle fünf Jahre stattfindenden Gemeindewahlen ein Drittel ihrer Kandidatenlisten mit Frauen besetzen. Im April stehen in den fünf Städten und 108 Dörfern der kleinen Inselrepublik vor der afrikanischen Ostküste Kommunalwahlen an.

Derzeit sind die Frauen in den Kommunalvertretungen des Landes mit nur 6,4 Prozent vertreten. Im 70-köpfigen Landesparlament sitzen 13 Frauen, und im Kabinett halten zwei Ministerinnen unter 23 männlichen Kollegen die Stellung.

Regierungschef Navinchandra Ramgoolam sprach von einem wichtigen Schritt in Richtung Gleichberechtigung von Mann und Frau. In seiner vom Fernsehen übertragenen Neujahrsrede betonte er: "Wir müssen dafür sorgen, dass deutlich mehr Frauen als Kandidatinnen aufgestellt werden."

Mit der von der parlamentarischen Opposition geforderten Ausweitung der Frauenquote auf nationaler Ebene hat Ramgoolam es hingegen nicht eilig. Erst wenn der dazu erarbeitete Bericht dreier ausländischer Verfassungsexperten vorliege, werde man darüber entscheiden, erklärte er. Mit der Analyse sind die Politikwissenschaftler Guy Carcassonne von der Pariser Sorbonne, Vernon Bogdanoret von der Universität in Oxford und Pere Vilanova von der Universität in Barcelona befasst.

Erst 2015 finden in Mauritius die nächsten Parlamentswahlen statt. Im gleichen Jahr verlangt auch die Entwicklungsgemeinschaft Südliches Afrika (SADC), der auch Mauritius angehört, auf allen Entscheidungsebenen eine 50-prozentige Präsenz von Frauen.

Einheimische Frauenorganisationen begrüßen das neue Quotengesetz. Bislang hatten die Parteien nur wenige Frauen als Wahlkandidaten aufgestellt. "Sie haben zwar Aktivistinnen für sich arbeiten lassen, doch wenn es darum ging, Frauen aufzustellen, behaupteten sie immer, es gebe zu wenig geeignete Kandidatinnen", erklärte Nushrat Gunnoo. Sie gehört der zivilen Organisation 'Women in Politics' (WIP) an, die ebenso wie das größte lokale Frauennetzwerk 'Women in Networking' (WIN) bereits viele hundert Frauen in Kursen für die politische Arbeit fit macht.

"Wir haben damit begonnen, Frauen für die politische Arbeit in ihren Kommunen zu begeistern", berichtete Ameenah Sorefan von WIN. Es werde allerdings nicht leicht sein, die von SADC verlangte 50-prozentige Frauenquote zu erreichen, räumte die Aktivistin ein.

Doch auch Kritiker der Frauenquote melden sich zu Wort. "Brauchen Frauen etwa eine Lokomotive, um an die Spitze zu kommen? Das schaffen sie doch aus eigener Kraft", meinte Haniff Peerun, Chef des 'Mauritius Labour Congress', der größten Gewerkschaftsorganisation der Insel.


"Gesetzlich garantierte Gleichberechtigung statt Frauenquote"

Auch die Anwältin Vishwanee Boodhonee, die 2010 bei den Parlamentswahlen kandidiert hatte, hält die Frauenquote eher für kontraproduktiv, wenn man sich für ein generelles Gesetz für Gendergleichheit engagiert.

Rajiv Kumar Bundhun, der im nördlichen Amaury im Gemeinderat sitzt, befürwortet zwar eine größere Präsenz von Frauen in kommunalen Vertretungen. Doch er ist skeptisch: "Wenn schon Männer vor ihrer Feldarbeit davonlaufen, sobald sie gewählt sind, wie sollen dann Frauen ihr vielfältiges Arbeitspensum in Fabrik, Büro und Familie auch noch mit politischer Arbeit vereinbaren?", meinte er. "Und wie werden sich Ehemänner fühlen, wenn ihre Frauen bei politischern Kontroversen beschimpft werden?" (Ende/IPS/mp/2012)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Januar 2012