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FRAUEN/296: Viele Frauen zahlen hohen Preis für Migration (DGVN)


Bevölkerung & Entwicklung Nr. 69 - Dezember 2009
Informationsdienst der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V. (DGVN)

Viele Frauen zahlen hohen Preis für Migration
DGVN-Tagung thematisiert die Situation von Migrantinnen

Von Frank Kürschner-Pelkmann


"Migration im Fokus - menschliche Entwicklung, Klimawandel, Frauen" lautete das Thema einer Fachtagung der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen, die am 30. November 2009 in Berlin in Kooperation mit der Internationalen Organisation für Migration (IOM) stattfand. In verschiedenen Beiträgen wurde deutlich, welche Chancen Migration für Frauen bedeutet, aber auch, welchen Gefahren sie ausgesetzt sind. Die Tagung ließ auch erkennen, warum immer mehr Frauen trotz aller Risiken migrieren.


Die Hälfte aller Menschen, die sich zur Migration entschließen, sind inzwischen Frauen. 1960 waren es erst etwa sechs Prozent. Jan de Wilde von der Internationalen Migrationsorganisation (IOM), dem Kooperationspartner bei der Tagung, machte deutlich, dass der Umfang der Migration von Frauen stark von kulturellen Traditionen beeinflusst wird. Während der Frauenanteil unter den internationalen Migranten aus den Philippinen, Indonesien und Sri Lanka bis zu 70 Prozent erreicht, ist ihr Anteil unter den Migranten aus Pakistan sowie den Ländern des Mittleren Ostens und Nordafrikas nur gering. In verschiedenen Ländern ist es alleinstehenden Frauen nicht erlaubt, als Migrantinnen ins Ausland zu gehen.


Der gefahrvolle Weg in die USA

Professorin Úrsula Oswald Spring aus Mexiko stellte bei der DGVN-Fachtagung in ihrem Vortrag über "Migrantinnen zwischen mehr Lebenschancen und größerer Ausbeutung" detailliert dar, warum es eine wachsende Zahl internationaler Migrantinnen gibt und welche Konsequenzen dies hat.

Es gibt inzwischen 23 Millionen mexikanische Migrantinnen und Migranten in den USA, und deren Zahlungen in die Heimat in Höhe von 27 Milliarden Dollar im Jahr sind hinter den Öleinnahmen die zweitwichtigste Devisenquelle des Landes. Seit die USA Ende der 1980er Jahren die legalen Migrationsmöglichkeiten stark eingeschränkt haben, ist der Anteil der Mexikanerinnen und Mexikaner, die ohne legalen Status in den Vereinigten Staaten leben und arbeiten, rasch gestiegen. Besonders für Frauen ist die illegale Migration sehr riskant. 70 bis 80 Prozent dieser Migrantinnen werden in Zusammenhang mit dem illegalen Transit in die USA vergewaltigt. Hinzu kommt eine hohe Zahl ermordeter Frauen. Die Grenzregionen Mexikos werden inzwischen von Drogen- und Menschenhandelskartellen beherrscht. In den USA angekommen, müssen die Frauen schlecht bezahlte und oft auch gesundheitsgefährdende Arbeiten annehmen. Mexikanische Migrantinnen verdienen noch ein Drittel weniger als Männer. Sie müssen zudem ständig fürchten, entdeckt und deportiert zu werden.

Nachdem sie diese erschütternde Situation dargestellt hatte, fragte Úrsula Oswald Spring in ihrem Vortrag: "Warum migrieren Frauen, wenn sie solch riesige Probleme erleben müssen?" Ihre Antwort: "Die Lebenschancen sind trotzdem besser." Migration bringt nicht nur persönliche Vorteile. Besonders in den ärmsten Gegenden Mexikos haben sich die Lebensbedingungen durch die Geldtransfers der Migrantinnen deutlich verbessert: "Frauen schicken Geld für notwendige Zwecke wie Ernährung, Kleidung und Gesundheit." Die Frauen nehmen Risiken und Ausbeutung auf sich, weil sie ihren Kindern eine bessere Zukunft ermöglichen wollen: "Es geht den Frauen nicht nur um Lebenschancen für sich selbst, sondern auch für ihre Kinder."

Allerdings sind auch die Kinder gefährdet, die mit ihren Eltern oder ihrer Mutter in die USA migrieren: "Zwischen Januar und September 2008 wurden 90.000 Kinder deportiert, getrennt von ihren Eltern. Die Eltern versuchen, zurück in die USA zu kommen, die Kinder auch. Tausende Kinder versuchen, irgendwo über die Grenze zu kommen, um wieder zu ihren Familien auf der anderen Seite der Grenze zu gelangen."

Mexiko ist keine Ausnahme, ging aus dem Tagungsbeitrag von Dr. Heike Brabandt von der Universität Bremen hervor. Angesichts der hohen Hindernisse für eine legale Migration in Industriestaaten bleibt vielen afrikanischen und asiatischen Frauen nur die Möglichkeit, Schlepperbanden zu nutzen, was mit hohen Kosten und Risiken verbunden ist. Heike Brabandt plädiert für eine länderübergreifende Zusammenarbeit von Frauen: "Es geht nicht nur um die Rechte von Frauen in den Herkunftsländern, sondern auch darum, wie Frauen hier bei uns gemeinsam etwas verändern können."


Die Chancen legaler Migration

Wenn die Migrantinnen die Unterstützung ihrer Regierungen erhalten und wenn sie legal arbeiten können, verbessert das ihre Situation deutlich. I.E. Delia Domingo Albert, Botschafterin der Philippinen in Deutschland, gab einen Einblick in die Situation der internationalen Migrantinnen und Migranten ihres Landes. Inzwischen ist jeder zehnte Bürger der Philippinen migriert, und die Hälfte von ihnen lebt permanent in einem anderen Land. Ein hoher Bildungsstand und große Anpassungsfähigkeit erleichtern es, in anderen Gesellschaften Fuß zu fassen.

Dennoch, räumte die Botschafterin ein, haben diese Erfolge einen Preis. Dazu gehört die Trennung von Familien und in vielen Fällen nur eine Tätigkeit unterhalb des tatsächlichen Qualifikationsniveaus: "Man findet in Dubai einen Taxifahrer, der Rechtsanwalt ist. Und gut ausgebildete Buchhalterinnen arbeiten als Verkäuferinnen in Duty-free-Shops." Eva Jespersen, eine der Autorinnen des diesjährigen "Berichts über die menschliche Entwicklung" mit dem Schwerpunkt "Migration und menschliche Entwicklung", betonte in Berlin: "Die Perspektive des 'Human Development Reports' ist es, auf den Nutzen von Migration zu blicken." Angesichts der Gefahren und Benachteiligungen, denen viele Migrantinnen ausgesetzt sind, forderte sie: "Wir müssen dafür sorgen, dass die Vorteile der Migration erhöht und die Risiken gemindert werden." Dahin ist es, so wurde auf der DGVN-Tagung deutlich, noch ein langer Weg.


Weitere Informationen:
www.dgvn.de
www.klimawandel-bekaempfen.de


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Quelle:
Bevölkerung & Entwicklung Nr. 69 - Dezember 2009, S. 8-9
Herausgeber:
Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V.
Zimmerstraße 26/27, 10969 Berlin
E-Mail: info@dgvn.de
Internet: www.dgvn.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Februar 2010