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FRAGEN/006: Studierendenvertretungen machen gegen Wohnungsnot mobil (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 45 vom 8. November 2013
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

"Viele können sich keine angemessene Wohnung mehr leisten"
Studierendenvertretungen machen gegen Wohnungsnot mobil

Interview mit Katharina Mahrt von Markus Bernhardt



Katharina Mahrt ist Vorstandsmitglied des "freier zusammenschluss von studentInnenschaften" (fzs,), der als überparteilicher Dachverband von Studierendenvertretungen in Deutschlands fungiert (www.fzs.de)


UZ: Sie haben gemeinsam mit verschiedenen Organisationen das Bündnis "Studis gegen Wohnungsnot" gegründet. Welche Organisationen unterstützen Sie?

Katharina Mahrt: Das Bündnis ist ein Zusammenschluss, in dem nicht nur Studierendenschaften und Hochschulgruppen vertreten sind, sondern beispielsweise auch Die Linke.SDS, Juso-Hochschulgruppen, Campusgrün, der Bundesverband grün-alternativer Hochschulgruppen, die DGB- und die ver.di-Jugend, der Bundesverband Ausländischer Studierender (BAS) und der Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (BdWi).

Aktuell laufen die bundesweiten Mietenaktionstage unseres Bündnisses, an denen sich viele Studierendenschaften mit Aktionen vor Ort beteiligen. Die lokalen Bündnisse und Studierendenschaften machen dabei mit unterschiedlichen Aktionen auf die Wohnungsnot aufmerksam, um die Politik auf der lokalen Ebene weiter zu einer Lösungsfindung zu bringen.

UZ: Was fordern Sie konkret?

Katharina Mahrt: Wir fordern auf Bundes- und Landesebene die gesicherte Bereitstellung von bezahlbaren Wohnungen in Hochschulnähe, den Neubau von mindestens 25 000 zusätzlichen Wohnheimplätzen und die Schaffung eines Bund-Länder-Programms zur ausreichenden Wohnungsversorgung. Außerdem machen wir uns für die Erhöhung der finanziellen Förderung der Studierendenwerke durch Bund und Länder, u. a. für Instandhaltung und Sanierung der Wohnheime, stark. Darüber hinaus ist uns die Rekommunalisierung von ehemals staatlichen und städtischen Wohnungen oder Flächen und ein verstärktes Engagement der Kommunen im sozialen Wohnungsbau, sowie der Ausbau des barrierefreien und familiengerechten Wohnraums wichtig. Kurzfristig fordern wir die Gewährleistung von kostenlosen Notfallunterkünften - schon in diesem Herbst.

UZ: Trotz der vielerorts schwierigen Wohn- und Finanzverhältnisse von Studentinnen und Studenten, scheinen diese jedoch etwas träge - selbst wenn es um den Kampf für ihre eigenen Rechte geht. Trügt dieser Eindruck?

Katharina Mahrt: Studierende sind gerade in den ersten Wochen ihres Studiums sehr ausgelastet mit dem Einstieg ins Studium, der Wohnungssuche, der Jobsuche, der Eingewöhnung in die neuen Lebensumstände. Gerade die Kraft, die für die Wohnungssuche gebraucht wird, fehlt dann an anderer Stelle. Erschwerend kommt hinzu, dass es keine wirkliche "Eingewöhnungszeit" ins Studium mehr gibt. Studierende müssen bereits ab dem ersten Semester die notwendigen Creditpoints erbringen, um nicht aus der Regelstudienzeit zu fallen, was wiederum dazu führen würde, dass das BAföG gestrichen wird.

Der Druck auf Studierende ist also enorm gewachsen, während ihre soziale Absicherung dagegen eher abnimmt. Die Zeit, welche Studierende früher in gesellschaftliches, politisches und ehrenamtliches Engagement stecken konnten, hat in den letzten Jahren massiv abgenommen und wird in der Regel heute für den Erwerb des Lebensunterhalts und das Studium gebraucht. Studierenden fehlt also nicht die Motivation, sondern die Zeit für den Kampf um die eigenen Rechte. Dies ist auch keine zufällige Entwicklung, sondern systembedingt.

Trotzdem gibt es eine breite Unterstützung für den Kampf gegen die studentische Wohnungsnot, der sich auch immer mehr Interessensgruppen anschließen. Letztlich ist dies ja auch ein Problem, vor dem nicht nur Studierende stehen. Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum betrifft auch andere gesellschaftliche Gruppen.

UZ: Also wäre eine radikale Neuausrichtung der Wohnungspolitik notwendig?

Katharina Mahrt: Ja. Wohnraum muss als Grundrecht begriffen werden, das allen zur Verfügung gestellt wird, ohne dass dafür der überwältigende Teil des Einkommens aufgebracht werden muss. Die Entwicklung in einigen Städten läuft hingegen darauf hinaus, dass in erster Linie hochpreisiger Wohnraum geschaffen wird und immer mehr Menschen sich keine angemessene Wohnung mehr leisten können.

Studierende stehen insbesondere vor dem Problem, dass sie während ihres Studiums in der Regel häufiger wegen eines Studienstandortwechsel zwischen Bachelor- und Masterstudium, Praktika oder Auslandssemester umziehen und mit jeder Neuvermietung der Mietpreis steigt. Dies hat natürlich auch Auswirkungen auf andere Gruppen von Mieterinnen und Mietern.

Zusätzlich wird die Finanzierungssituation immer schwieriger. Während die Mieten und die Lebenshaltungskosten aufgrund der Preisentwicklung in vielen Hochschulstandorten steigen, hat sich die finanzielle Situation für BaföG-Empfängerinnen und -empfängern seit 2010 nicht geändert, da die BaföG-Sätze nicht erhöht wurden. Für 224 Euro, die im BaföG-Satz für Wohnen veranschlagt sind, eine Bleibe in Berlin, Frankfurt, Hamburg oder München zu finden, ist jedoch praktisch unmöglich bzw. mit einer enormen Konkurrenzsituation verbunden.

UZ: Was werden - fernab Ihrer Aktivitäten im Bereich der Wohnungspolitik - die Kernprojekte des fzs in den kommenden Wochen und Monaten sein?

Katharina Mahrt: Wir setzen im kommenden Jahr einen Fokus auf die dringend notwendige Novellierung des BAföG. Hier wollen wir nicht nur erreichen,dass die Bedarfssätze an die allgemeine Preisentwicklung angepasst werden, sondern auch das Gesetz so gestaltet wird, dass wieder mehr Menschen überhaupt BAföG-berechtigt sind. Aktuell bezieht nicht mal ein Viertel aller Studierenden BAföG, während aber fast Zweidrittel aller Studierenden neben ihrem Studium arbeiten gehen. Im kommenden Jahr ist außerdem eine Evaluation der Bologna-Reform unsererseits geplant, da im Juni die Unterzeichnung der Bologna-Erklärung 15 Jahre her ist.

Wir erwarten außerdem, dass seitens der Politik endlich die Abschaffung des Kooperationsverbots umgesetzt wird, mit dem Ziel, dass der Bund wieder finanziell am Ausbau des Bildungssystems beteiligt wird. Die aktuellen Kürzungsmaßnahmen im Hochschulbereich in diversen Bundesländern beweisen, dass die Länder absehbar nicht mehr in der Lage sind, die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen, um ein solides Bildungssystem gewährleisten zu können. Dies betrifft nicht nur die Hochschulen an sich, sondern auch die soziale Infrastruktur im Hochschulraum - eben auch den Wohnraum.

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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 45. Jahrgang, Nr. 45 vom 8. November 2013, Seite 12
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. November 2013