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ARBEIT/367: Quebec kann Vorbild sein für Regeln gegen Einkommensdiskriminierung (idw)


Hans-Böckler-Stiftung - 18.03.2009

Equal Pay Day

WSI-Forscherinnen:
Quebec kann Vorbild sein für Regeln gegen Einkommensdiskriminierung


Die Politik könnte mehr tun, um die Verdienstunterschiede zwischen Frauen und Männern zu reduzieren. Darauf weisen Dr. Astrid Ziegler und Dr. Christina Klenner vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung aus Anlass des "Equal Pay Day" hin, der am 20. März begangen wird. In Deutschland gebe es nach wie vor keine konsistente Strategie zur Förderung der geschlechtsspezifischen Entgeltgleichheit, erklären die beiden WSI-Forscherinnen. Die Politik setze auf Freiwilligkeit, "und damit auf die Methode, die nach aller Erfahrung die kleinsten Fortschritte bringt". Andere Länder zeigten dagegen, dass sich mit Gesetzen deutlich mehr erreichen lasse.

Aktuelle Zahlen der EU-Kommission oder aus dem Frauenlohnspiegel des WSI machen deutlich: Frauen verdienen pro Stunde zwischen einem Fünftel und einem Viertel weniger als Männer. Das hat mehrere Gründe: Frauen sind seltener in Führungspositionen sowie gut bezahlten Wirtschaftszweigen und Berufen tätig. Sie arbeiten oft in schlechter bezahlten Teilzeitjobs, weil sie nach wie vor den größeren Teil der Familienarbeit übernehmen.

Ebenso wichtig ist für Klenner und Ziegler aber ein "traditioneller blinder Fleck" bei der Bewertung frauentypischer Tätigkeiten. In diesen Jobs erforderliche Qualifikationen würden bei der Eingruppierung von Arbeitsplätzen oft wenig wahrgenommen oder geringer bewertet, ebenso die mit der Tätigkeit verbundene Verantwortung und Belastungen. Selbst offensichtliche Anforderungen wie beispielsweise körperliche Belastungen bei Küchenhilfen blieben vielfach unberücksichtigt. "Im Ergebnis ist die Arbeitsplatzbeschreibung eines Straßenreinigers deutlich differenzierter als die einer Küchenhilfe - und das Gehalt des Straßenreinigers höher", sagt WSI-Expertin Ziegler. Ein weiterer erheblicher Teil der Einkommensunterschiede lasse sich schließlich gar nicht anhand von Tätigkeitsmerkmalen erklären. Er sei allein auf Diskriminierung zurückzuführen.

"Wenn eine Gleichstellungsstrategie Erfolg haben soll, muss sie also früh ansetzen", sagt Christina Klenner. "Bei der Arbeitsbewertung, über die sich viele Arbeitgeber viel zu wenig Gedanken machen." Genau hier greife beispielsweise das Lohngleichheitsgesetz in der kanadischen Provinz Quebec: Es verpflichtet seit 1997 alle Unternehmen mit mehr als zehn Beschäftigten, geschlechtsspezifische Lohndiskriminierung zu ermitteln und zu beseitigen.

In kleineren Unternehmen wird dazu unter anderem ein Software-Tool genutzt. Es hilft Arbeitgebern, die Tätigkeiten der Berufsgruppen in ihrem Unternehmen differenziert und objektiv zu bewerten. Anhand dieser Bewertung und der Einkommensdaten berechnet das Programm, ob zwischen den überwiegend mit Frauen bzw. Männern besetzten Berufsgruppen ein Lohnunterschied existiert, und wie hoch dieser ist. In einem zweiten Schritt wird überprüft, ob die bisher praktizierte Entlohnung von Beschäftigten mit der neuen, objektiven Arbeitsbewertung übereinstimmt. Unternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten müssen zudem ein Lohngleichheitskomitee einsetzen, das zu zwei Dritteln aus Arbeitnehmervertretern und mindestens zur Hälfte aus Frauen besteht. Eine Lohngleichheitskommission auf Provinzebene überwacht die Umsetzung des Gesetzes.

"Das Modell könnte für Deutschland ein Vorbild sein", resümiert Christina Klenner, die sich mit der Regelung in Quebec intensiv beschäftigt hat. Auch die dort angewandten Softwarelösungen sollten in Deutschland aufmerksam studiert werden.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution621


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Hans-Böckler-Stiftung, Rainer Jung, 18.03.2009
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. März 2009