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BERICHT/227: Treffen um Rosa Luxemburg - Die Gier der Märkte ... (SB)


Um Kuba zu verschlingen, frißt der Imperialismus Kreide

21. Rosa Luxemburg Konferenz in Berlin


Verfügungsgewalt über natürliche Ressourcen und menschliche Arbeitskraft ist als Herzstück der Herrschaftssicherung ihrem Wesen nach aggressiv, innovativ und expansiv, steht sie doch in erbitterter Konkurrenz mit ebensolchen Interessen fremder Provenienz. Für die kapitalistisch-imperialistische Übermacht USA stellt der widerstreitende kubanische Gesellschaftsentwurf in unmittelbarer Nachbarschaft um so mehr eine Herausforderung dar, die niederzuwerfen Washington nie aufgegeben hat, auch wenn sich die Mittel und Methoden entsprechend den geostrategischen Konstellationen und Schwerpunktsetzungen im Laufe der Zeit nicht grundsätzlich geändert, aber doch verschoben haben. Seit mehr als einem halben Jahrhundert schützt sich das sozialistische Kuba durch den Rückhalt in der eigenen Bevölkerung, die Abschottung nach außen und seine Bündnispartner, auf die es in militärischer, politischer und wirtschaftlicher Hinsicht angewiesen ist. In Kombination dieser drei Elemente war es möglich, die Risiken einer offenen Intervention seitens der USA derart hochzuschrauben, daß sie in deren globalem Gesamtkalkül negativ zu Buche schlugen und subversivere Angriffe opportuner erscheinen ließen.

Auf diese Weise entzogen sich Staat und Gesellschaft Kubas der von langer Hand konzipierten und durchgesetzten Strategien, mit denen die USA das als ihre Einflußsphäre reklamierte Lateinamerika unter dauerhafte Kontrolle zu bringen versuchten. Erhebungen gegen Ausbeutung und Unterdrückung wurden mit Hilfe einer autoritären bis diktatorischen Kompradorenbourgeoisie bekämpft, deren Militärs US-amerikanische Akademien und Folterschulen durchlaufen hatten. Zugleich ermöglichte die Junta eine reibungslose Implementierung neoliberaler Konzepte, während die freigiebige Kreditierung der Regime in die Bereicherung der Eliten, den Ausbau des Sicherheitsapparats und teure Waffenkäufe bei US-amerikanischen und europäischen Herstellern floß, nicht jedoch in eine eigenständige Entwicklung der Wirtschaft und Infrastruktur investiert wurde. Nach Ende der Diktatur waren die betreffenden Länder erheblich stärker im Ausland verschuldet als zuvor und der internationalen Finanzadministration ausgeliefert, die in der Folge in zunehmendem Maße ihre Innenpolitik diktierte.

Hinzu kam der sogenannte Krieg gegen die Drogen, den man als Blaupause und Vorläufer des nachfolgenden Kriegs gegen den Terror auffassen kann. Die von den maßgeblichsten Konsumentenstaaten der nördlichen Hemisphäre aufgezwungene Illegalisierung der gesamten Produktionskette angefangen von den pflanzlichen Grundstoffen über die Herstellung der Drogen und die Transportwege bis zum Endverkauf bereitete der Aushebelung nationalstaatlicher Souveränität durch ein Überwachungs- und Interventionsregime den Weg. Zugleich eskalierte die Drangsalierung der lokalen Bevölkerung, die Vergiftung der Umwelt durch Herbizide und die Macht der Kartelle, die sich von Kolumbien nach Mexiko verlagerte und einen immensen Blutzoll fordert. Was seinen vorgeblichen Zweck angeht, ist der Antidrogenkrieg gescheitert, weil er eben jenes Phänomen schuf und aufblühen ließ, das zu bekämpfen er vorgab. Aus Sicht seiner strategischen Betreiber war und ist er insofern erfolgreich, als er den Kontinent mit einem nichterklärten Interventions- und Destabilisierungskrieg überzog, dessen unkontrollierbare Folgen die dortigen Staaten und Bevölkerungen auszubaden haben.

Kuba sah sich zwar allen erdenklichen propagandistischen, subversiven und wirtschaftlichen Angriffen ausgesetzt, nicht jedoch des ungehinderten hegemonialen Übergriffs der USA, der andere lateinamerikanische Länder bis in ihre Grundfesten erschütterte und eine soziale Polarisierung wie auch ein inneres Konfliktpotential hervorbrachte, die zu bändigen vielerorts nahezu unmöglich erscheint. Die kubanische Gesellschaft entwickelte demgegenüber auf Grundlage einer umfassenden sozialen Absicherung eine Konsistenz, die sich selbst in Zeiten der Not wie nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion als unerhört dauerhaft erwies. Dies mag die Obama-Administration dazu bewogen haben, Brachialgewalt gegen Kuba für kontraproduktiv zu erachten und auf die Formel "Wandel durch Annäherung", also Abwürgen in der Umarmung, zu setzen.


Gerardo Hernández mit internationalistischem Gruß - Foto: © 2016 by Schattenblick

Der Kampf geht weiter ...
Foto: © 2016 by Schattenblick


Ende der Eiszeit zwischen den USA und Kuba?

Als US-Präsident Barack Obama und Kubas Staatschef Raúl Castro einander beim Amerikagipfel in Panama am 10. April 2015 die Hände reichten und einige Worte wechselten, gingen die Bilder um die Welt. Wegen dieser Geste für die Geschichtsbücher hatten sich 2000 Journalisten aus aller Herren Länder für das Treffen akkreditiert, die sich nach dem flüchtigen historischen Augenblick in entufernden Spekulationen ergingen, wie die Tragweite und Folgekonsequenz der symbolisch für beendet erklärten Eiszeit in den Beziehungen der beiden verfeindeten Staaten auszudeuten sei. Ein offizielles Treffen der Staatsoberhäupter beider Länder hatte zuletzt 1956 stattgefunden. Obama und Castro waren einander Ende 2013 bei der Beerdigung Nelson Mandelas schon einmal persönlich begegnet und hatten im Dezember 2014 vor Bekanntgabe der Wiederannäherung und wenige Tage vor dem Gipfel noch einmal miteinander telefoniert. Alles weitere spielte sich aus naheliegenden Gründen hinter den Kulissen ab.

In der jüngeren Vergangenheit glichen Amerikagipfel für US-Präsidenten einem Gang durchs Minenfeld. George W. Bush sah sich 2005 in Argentinien mit vom linksperonistischen Staatschef Néstor Kirchner organisierten Massendemonstrationen konfrontiert, und auf der Zusammenkunft wurde die von Washington angestrebte amerikaweite Freihandelszone ALCA zu Grabe getragen. Vier Jahre danach verweigerten Venezuela, Bolivien und Nicaragua dem Nachfolger Barack Obama in Trinidad und Tobago eine gemeinsame Abschlußerklärung, deren feindlichen Tenor gegenüber Kuba sie ablehnten. Sechs Jahre und zwei Gipfel später schien sich der Wind gedreht zu haben. Kuba nahm erstmals teil, die USA wurden als Partner anerkannt und Obama defilierte leutselig schulterklopfend über den roten Teppich.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zeigte sich hocherfreut, daß Amerika "seit langem bestehende Spaltungen in historischer Weise überwunden" habe und erinnerte daran, daß erstmals alle 35 Nationen zu dem Gipfel zusammengekommen seien. Präsident Castro, dessen Land jahrelang von der Konferenz ausgeschlossen war, verwirkliche einen Wunsch, der in der Region seit langem gewachsen sei. Im Vorfeld des Gipfels hatte Obama erklärt, man schlage nun ein neues Kapitel auf, das den Menschen in Kuba zugute kommen werde. Sein stellvertretender Sicherheitsberater Ben Rhodes erklärte auf der Konferenz, der Präsident glaube, daß der Weg der Isolation gescheitert sei. Wandel in Kuba solle nun durch Annäherung erreicht werden. Und bei einem Forum der Zivilgesellschaft sagte Obama gar: "Die Tage sind endgültig vorbei, in denen die Vereinigten Staaten straflos nach Belieben in dieser Hemisphäre intervenierten." [1]


Bild der 'Cuban Five' - Foto: 2016 by Schattenblick

Foto: 2016 by Schattenblick


"Cuban Five" endlich wieder auf freiem Fuß

Wenngleich diese Worte aus dem Munde eines US-Präsidenten wenige Jahre zuvor noch undenkbar gewesen wären, sorgten sie in Panama allenfalls für eine gelinde Überraschung. Bereits vier Monate vor dem Gipfel war mit der Freilassung der letzten drei inhaftierten Mitglieder der "Cuban Five" ein maßgeblicher Durchbruch erzielt worden. Antonio Guerrero Rodríguez, René González Schwerert, Fernando González Llort, Gerardo Hernández Nordelo und Ramón Labañino Salazar gehörten seit Anfang der 1990er Jahre einem Agentennetz an, das exilkubanische Gruppen in Südflorida unterwanderte und die kubanischen Behörden über deren geplante Anschläge auf Kuba informierte. Nachdem der Clinton-Administration im Mai 1998 umfangreiches Aktenmaterial über die Aktivitäten in Südflorida übergeben worden war, ging das FBI nicht etwa gegen die dortigen Umtriebe vor, sondern verhaftete am 12. September 1998 zehn Mitglieder des Agentennetzwerks. Fünf von ihnen "kooperieren" und erhalten im Gegenzug niedrige Strafen für illegale Agententätigkeit. Die anderen fünf verschwanden für 17 Monate in Isolationshaft, wurden wegen Verschwörung zur Spionage und im Fall von Gerardo Hernández auch wegen Verschwörung zum Mord angeklagt und zu horrenden Haftstrafen verurteilt.

Es folgten Jahre des juristischen Kampfes und internationaler Solidarität mit dem Ziel, die Freilassung dieser politischen Gefangenen zu erwirken, die von der US-Administration als Faustpfand hinter Gittern gehalten wurden. Am 7. Oktober 2011 wurde mit René González der erste der "Cuban Five" aus der Haft entlassen und am 10. Mai 2013 war es ihm schließlich gestattet, dauerhaft in Kuba zu bleiben. Als Zweiter kam Fernando González am 27. Februar 2014 frei und wurde Tags darauf nach Kuba abgeschoben. Im Zusammenhang mit der Verbesserung der Beziehungen zwischen den USA und Kuba wurden am 17. Dezember 2014 auch die letzten drei der "Cuban Five" freigelassen.

Sie wurden gegen einen namentlich nicht genannten, in Kuba inhaftierten CIA-Spion kubanischer Herkunft sowie gegen den ebenfalls in Kuba inhaftierten Alan Gross, einen USAID-Subunternehmer, ausgetauscht. An dieser diplomatischen Lösung wirkten Papst Franziskus und die kanadische Regierung mit. Die Bekanntgabe der Befreiung der letzten drei Gefangenen fand durch die gleichzeitig im US-Fernsehsender CNN und vom kubanischen Fernsehen "Cuba Vision" übertragenen Reden Barack Obamas und Raúl Castros statt. [2]


Weitere Schritte demonstrativer Annäherung

Ende Mai 2015 wurde Kuba von der Liste der "Terrorismus" unterstützenden Staaten gestrichen, auf der es seit 1982 gestanden hatte. Die USA hatten dem Land damals vorgeworfen, verschiedenen "Schurkenstaaten" bei der Entwicklung biologischer Waffen geholfen zu haben sowie "Terroristen" in anderen Ländern zu unterstützen und ihnen einen sicheren Rückzugsraum zu gewähren, darunter Mitgliedern der baskischen ETA und der FARC-Rebellen aus Kolumbien. Durch die Streichung von der Liste entfielen zahlreiche Sanktionen wie unter anderem die Beschränkung des Zugangs zu Krediten und Finanzmärkten.

Am 20. Juli 2015 nahmen beide Länder wieder offizielle diplomatische Beziehungen auf. Die Botschaft der Vereinigten Staaten in Havanna wurde am 14. August 2015 offiziell wiedereröffnet. Seit dem 17. September hat Kuba mit dem bisherigen Leiter der kubanischen Interessenvertretung wieder offiziell einen Botschafter in den USA.

Im Januar 2016 gab die US-Regierung die Lockerung weiterer Beschränkungen für den Handel mit Kuba bekannt. Demnach sollen bestimmte Maßnahmen der seit 1963 bestehenden Cuban Assets Control Regulations flexibler gestaltet werden, um den Zahlungsverkehr und den Export von US-Produkten zu erleichtern. Dies beinhaltet auch US-amerikanische Waren, die in Drittländern hergestellt wurden, sowie die Akzeptanz staatlicher kubanischer Unternehmen als Handelspartner. Die überarbeiteten Regeln ermöglichen US-Banken die direkte Finanzierung der Ausfuhr von Erzeugnissen mit Ausnahme von landwirtschaftlichen Gebrauchsgütern, die weiterhin dem Handelsembargo unterliegen. Obama nutzte damit seine administrativen Befugnisse, um wirtschaftliche Aktivitäten zuzulassen, die nicht ausdrücklich durch vom Kongreß verabschiedete Gesetze untersagt sind. [3]

Zudem wollen die USA ein Glasfaserkabel nach Kuba verlegen und damit die Internetverbindung für die Bewohner des Karibikstaates verbessern. Wie es seitens des US-Außenministeriums hieß, bereite man ein günstiges Umfeld für die Installation eines Kabels zwischen Miami und Havanna vor. Die Kubaner haben erst seit 2011 Zugang zum Internet, damals hatte der Verbündete Venezuela ein Glasfaserkabel am Meeresboden verlegt. Aus dem Ministerium verlautete nun dazu, die Kommunikation werde sehr viel effizienter, wenn das Kabel in Miami ende und nicht in Venezuela. Es sei einfach nötig, um bei der Gesundung der Beziehung zwischen beiden Ländern zu helfen. [4]


Die europäische Konkurrenz wittert ihre Chance

Wenngleich Obama bei weitem nicht alle präsidialen Befugnisse ausgeschöpft hat, um ohne den von den Republikanern dominierten Kongreß das Handelsembargo zu lockern, ruft die beginnende Öffnung doch Konkurrenten auf den Plan, die der US-Wirtschaft zuvorkommen wollen. Anfang Januar reiste Sigmar Gabriel als erster deutscher Wirtschaftsminister seit 15 Jahren in Begleitung einer 60köpfigen Delegation vor allem mittelständischer Firmen nach Havanna, um die Unternehmen zu unterstützen, in Kuba stärker Fuß zu fassen. Nach den Worten des ARD-Korrespondenten Peter Sonnenberg ist das Land "vielleicht der letzte unberührte Markt der Welt". Solange das Handelsembargo der USA weiterhin besteht, wittert man eine günstige Gelegenheit, die bislang dürftigen Wirtschaftsbeziehungen erheblich auszubauen. Deutschland hat 2014 lediglich Waren im Wert 191 Millionen Euro nach Kuba exportiert und für 33 Millionen Euro Waren wie Honig, Tabak und Alkohol von dort importiert.

Nachdem Außenminister Frank-Walter Steinmeier im Juli 2015 bei seinem Besuch in Havanna mit Raúl Castro zusammengetroffen war und das Feld bereitet hatte, will man nun zügig nachlegen. Kuba brauche alles - Produkte, Know-how, neue Partnerschaften, gelüstet es deutschen Wirtschaftsinteressen nach der langersehnten Offensive auf ein unerschlossenes Terrain. Das Land komme internationalen Unternehmen entgegen und habe einen riesigen neuen Hafen gebaut wie auch eine Sonderwirtschaftszone eingerichtet, in der Firmen zehn Jahre lang steuerfrei ihren Geschäften nachgehen können.

Als habe Deutschland den "Gemeinsamen europäischen Standpunkt" der EU nie mitgetragen, der die Blockade Kubas seitens der USA komplettierte, sprach Gabriel von fairer Partnerschaft, mit der man die Beziehungen auf eine neue Grundlage stellen wolle. Dabei verstünden sich die Deutschen "nicht als Besserwisser, sondern als Partner auf Augenhöhe". Während Firmenvertreter auf eine "Aufbruchstimmung" setzten, warnte der Minister vor euphorischen Hoffnungen auf einen raschen Wandel oder gar einen Systemwechsel. Den Kubanern signalisierte er diplomatisch, aber unmißverständlich, daß bessere Investitionsbedingungen und Bürokratieabbau unverzichtbar seien, um die "Phase der Veränderungen" zu realisieren. Martin Herrenknecht, Vorstandsvorsitzender des gleichnamigen Weltmarktführers für Tunnelbautechnik, verglich Kuba mit China im Jahr 1995 und sprach von einem enormen Nachholbedarf. Die deutsche Wirtschaft zeige "Eigeninteresse anstatt Zuhause zu bleiben". Man warte in Deutschland nicht, "bis bestellt wird." [5]

Die Nase vorn haben indessen die Franzosen, deren Regierungen schon seit 1992 in der UN-Generalversammlung für die Aufhebung der US-Blockade gegen Kuba gestimmt haben. Als erster kubanischer Staatschef stattet Präsident Castro derzeit Frankreich einen offiziellen Besuch ab, bei dem er unter anderem mit seinem französischen Amtskollegen François Hollande zusammenkommt. Am Rande der Visite sollen bilaterale Wirtschaftsverträge unterzeichnet werden. Hollande hatte Kuba im Mai 2015 besucht, wo er von Staats- und Regierungschef Raúl Castro wie auch von Revolutionsführer Fidel Castro empfangen worden war.

Mitte Dezember 2015 hatten sich Kuba und vierzehn Gläubigerstaaten des Klubs von Paris auf eine Regelung der kubanischen Auslandsschulden geeinigt. Die beteiligten Länder erlassen Verbindlichkeiten im Umfang von vier Milliarden US-Dollar, Havanna muß im Gegenzug 2,6 Milliarden US-Dollar innerhalb von 18 Jahren zurückzahlen. Der französische Finanzminister nannte die Vereinbarung damals "den Beginn einer neuen Ära der Beziehungen zwischen Kuba und der internationalen Finanzwelt". Dieses Abkommen hat zur Folge, daß französische Unternehmen jetzt in Kuba mit Finanzierung arbeiten können.

Hollandes persönlicher Berater für Lateinamerika, Jean Pierre Bel, hob die Bedeutung Kubas in Lateinamerika und der Karibik hervor. Das Land sei ein "entscheidendes Element" in der Region, in der Frankreich seine Präsenz verstärken wolle, da man sich heute "in einer anderen Periode unserer Geschichte und der bilateralen Beziehungen" befinde. "Wir brauchen Lateinamerika, unser Ziel ist der Austausch in beiden Richtungen", dafür sei Kuba ein "Schlüsselelement". Kuba und "die Tapferkeit seines Volkes, seiner Frauen und Männer, die sie selbst sein und sich zugleich der Welt öffnen wollen", weckten Bewunderung. Dies inmitten einer Blockade, die von den USA und der EU auferlegt werde, "die nach meinen Urteil eine Absurdität und Ungerechtigkeit diesem großartigen Land gegenüber ist", so Bel. [6]


Am Rednerpult - Foto: © 2016 by Schattenblick

Alpidio Alonso Grau
Foto: © 2016 by Schattenblick


Kubanische Gäste auf der Rosa Luxemburg Konferenz

Daß die wohlklingenden Worte der vorgeblich neuen Freunde mit der gebotenen Vorsicht zu genießen sind, unterstrich Alpidio Alonso Grau auf der Rosa Luxemburg Konferenz, zu der er gemeinsam mit Gerardo Hernández von den "Cuban Five" und dem Fotografen Roberto Chile nach Berlin gekommen war. Der Dichter und Schriftsteller ist Abgeordneter der Nationalversammlung und Mitglied des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Kubas. Grau ging auf die Bedenken all jener Menschen ein, die sich angesichts der Öffnung Sorgen um die Geschicke Kubas machen. Sein Land sei nach wie vor offenen und versteckten Aggressionen des US-Imperialismus ausgesetzt, zumal es weiterhin unter dem Wirtschaftsembargo stehe. Man werde sich auf bestimmten Gebieten niemals einigen können, doch könne eine allmähliche Normalisierung der Beziehungen herbeigeführt werden, die ein zivilisiertes Zusammenleben möglich mache.

Er könne allen Freunden versichern, daß sie sich keine Sorgen zu machen brauchten: Kuba verzichte nicht darauf, den Sozialismus aufzubauen. Man habe in der schlimmsten Zeit nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der Zersplitterung und Entmutigung linker Kräfte in vielen Teilen der Welt nicht kapituliert und werde das auch künftig niemals tun. Kuba habe den Sozialismus weder importiert, noch sei er ihm auferlegt worden, er sei vielmehr das Ergebnis der eigenen Geschichte. Ungeachtet der Schwierigkeiten vor allem ökonomischer Natur werde man ihn im "Prozeß der Aktualisierung des Wirtschafts- und Gesellschaftsmodells der sozialistischen Entwicklung" oder schlicht der "Veränderungen" weiter ausbauen. Man interpretiere Wohlstand nicht nur in materieller Hinsicht, sondern auch hinsichtlich der Würde des Menschen und der Schaffung einer neuen Kultur.

Den Kubanern sei bewußt, daß die USA mit subtilen Methoden zu erreichen versuchten, was ihnen mit offenen Angriffen und der Blockade nicht gelungen ist. Das Imperium werde den Versuch niemals aufgeben, die kubanische Revolution zu zerstören, und setze nach dem Scheitern der traditionellen Konterrevolution nun vor allem auf eine ideologische Erosion und die Vereinnahmung der Jugend durch neue Technologien und Konsummentalität nach Yankeeart. Der Kampf habe sich an die ideologische und kulturelle Front verschoben. Er werde mit Menschen gewonnen, mit Argumenten, Ideen, mit der Kultur. Die Revolution vertraue ihrer Jugend, auf deren Ausbildung und Entwicklung alle Anstrengungen gerichtet seien. Man kenne den Feind genau und ignoriere die Größe der Herausforderungen nicht. Die Kubaner seien jedoch entschlossen, auf dem eingeschlagenen Weg voranzuschreiten, ohne ihre Geschichte und Prinzipien zu verraten.

Gerardo Hernández dankte in seinem Redebeitrag für die Solidarität, die ihm in den Jahren der Haft Mut gemacht habe und ohne die es keine Verhandlungen um die Freilassung gegeben hätte. Wenngleich man den USA einen Sieg abgerungen habe, sei der Kampf damit nicht zu Ende. Kuba wisse genau, wer seine wirklichen Freunde sind, und werde die sozialistische Entwicklung verstärkt vorantreiben. Im Kampf gegen die Blockade, für die Rückgabe des Territoriums der Marinebasis Guantánamo und ein Ende des "Anpassungsgesetzes für Kuba" zähle man weiter auf die Unterstützung, der man so viel zu verdanken habe.


Am Rednerpult - Foto: © 2016 by Schattenblick

Gerardo Hernández
Foto: © 2016 by Schattenblick


Innovatives Entwicklungskonzept ohne historische Vorbilder

Kuba, für das die ökonomische Unterstützung durch Venezuela und die freundschaftlichen Beziehungen zu einer Reihe weiterer lateinamerikanischer Länder nahezu lebensnotwendig sind, sieht einmal mehr schweren Zeiten entgegen. Der historische Aufschwung des Sozialismus des 21. Jahrhunderts hat an Dynamik und Einfluß verloren, in Venezuela, Argentinien und Brasilien wittern reaktionäre Interessen Morgenluft. Die immanente Widerspruchslage dieses Entwurfs, ein Bündnis mehr oder minder linker Regierungen mit den ärmsten Bevölkerungsschichten zu schließen, ohne das kapitalistische Verwertungsregime aus den Angeln zu heben, droht diesen Ansatz gesellschaftlicher Veränderung zunichte zu machen.

Kuba könnte aufgrund seiner sozialistischen Gesellschaftsordnung diese Klippen umschiffen, doch bedürfte es dazu wohl eines innovativen Entwicklungskonzepts, das sich nicht der schleichenden bis rasanten Kapitalinvestition überantwortet. Historische Vorbilder scheint es dafür nicht zu geben, da man das chinesische oder vietnamesische Reformmodell schwerlich als antikapitalistisch ausweisen kann. Das Land böte geeignete Voraussetzungen für eine Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln und wohl auch eines Auskommens der gesamten Bevölkerung auf einem relativ niedrigen, aber moderat wachsenden Konsumniveau. Mit einer agroindustriellen Offensive und wachstumsgestützten Ökonomie klassischen Zuschnitts wird das ebensowenig zu erreichen sein wie mit einer Sonderwirtschaftszone und dem Ausbau des Tourismus.

So notwendig jede erdenkliche Maßnahme zur Ankurbelung der Wirtschaft erscheinen mag, droht doch die soziale Polarisierung und Verwerfung im Zuge der Öffnung jeglichen planwirtschaftlichen Bremsmanövern den Rang abzulaufen. Die Kapitalverwertung zeichnet bekanntlich eine alles durchdringende Wirkgewalt aus, die am wenigsten vor ihren Akteuren und Opfern haltmacht. Viel wäre daher in Solidarität mit den Kubanerinnen und Kubanern zu diskutieren, das ihre Zukunft unmittelbar betrifft, doch nicht minder jene aller anderen Länder und Bevölkerungen, die der Kette von Kriegen und kulminierenden Krisen etwas entgegenzusetzen trachten.


Lichtanzeige für Konferenz an der Fassade der Urania - Foto: © 2016 by Schattenblick

Foto: © 2016 by Schattenblick


Fußnoten:

[1] http://www.spiegel.de/politik/ausland/usa-und-kuba-barack-obama-und-raul-castro-reichen-sich-die-hand-a-1028073.html

[2] http://www.miami5.de/informationen/chronologie-ausf.pdf

[3] https://amerika21.de/2016/01/141898/lockerung-blockade-kuba

[4] http://www.rp-online.de/politik/ausland/internet-auf-kuba-usa-planen-kabel-von-miami-nach-havanna-aid-1.5719866

[5] http://www.welt.de/politik/deutschland/article150754051/Mit-Sigmar-Gabriel-auf-eine-Cohiba-im-Mafia-Hotel.html

[6] https://amerika21.de/2016/01/141651/frankreich-beziehungen-kuba


21. Rosa Luxemburg Konferenz in Berlin im Schattenblick
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2. Februar 2016


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