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USA/1390: E-Mail-Affäre zwischen Hillary Clinton und Weißem Haus (SB)


E-Mail-Affäre zwischen Hillary Clinton und Weißem Haus

Scheitert die zweite Clinton-Ära am Korruptionsverdacht?


Mit dem langen Labor-Day-Wochenende in den USA - am 3. und 4. September - ist der Kampf um das Weiße Haus in die Endphase getreten. In nur 63 Tagen, nämlich am Dienstag, den 8. November, findet die Präsidentenwahl zusammen mit Zwischenwahlen zum Repräsentantenhaus und Senat statt. Hillary Clinton gilt allgemein als haushohe Favoritin, hat jedoch in den jüngsten Umfragen nur einen geringen Vorsprung von wenigen Prozentpunkten vor Donald Trump. Dies verwundert, da der New Yorker Baumagnat und Politneuling seit den Parteitagen Ende Juli von einem Fettnäpfchen ins andere tritt und in der Wählergunst eigentlich längst abgeschlagen sein müßte. Für die Unfähigkeit der Demokratin, den republikanischen Gegner in seine Schranken zu weisen, gibt eine einfache Erklärung: Die anhaltende Affäre um den Umgang der Gattin Bill Clintons mit ihren E-Mails während der Zeit als Außenministerin Barack Obamas hat ihre Glaubwürdigkeit, die ohnehin nicht besonders stark ausgeprägt ist, schwer bis unwiederbringlich erschüttert. Sie kämpft also nicht nur gegen Trump, sondern gegen den in der US-Öffentlichkeit weit verbreiteten Eindruck, eine Lügnerin und Täuscherin zu sein.

Als 2015 bekannt wurde, daß Clinton als Chefdiplomatin entgegen bestehenden Behördenvorschriften zur Geheimhaltung regierungswichtiger Dokumente ihren gesamten privaten und beruflichen E-Mail-Verkehr über einen Rechner im Keller ihres Privathauses in Upstate New York abgewickelt hatte, leitete das FBI Ermittlungen ein. Am 5. Juli hat FBI-Chef James Comey das Ergebnis der einjährigen Untersuchung der Öffentlichkeit präsentiert und gleichzeitig die Kontroverse weiter angeheizt. Comey warf Clinton einerseits "extreme Sorglosigkeit" vor, verzichtete andererseits aber auf eine Anklageerhebung, da angeblich keine Beweise für eine Absicht zur Regelverletzung vorgelegen hätten. Nichtsdestotrotz steht weiterhin der Verdacht im Raum, die ehemalige First Lady hat ihre elektronischen Kommunikationen der behördlichen Kontrolle entzogen, um eine mit Obama nicht abgesprochene Außenpolitik - Stichwort libysche Waffenlieferungen an die "Regimegegner" in Syrien - betreiben und korrupte Deals der Clinton Foundation mit befreundeten ausländischen Regierung wie Saudi-Arabien geheimhalten zu können. In letzter Angelegenheit setzt derweil das FBI seine Ermittlungen fort, während die Republikaner Clinton beim Justizministerium wegen des Verdachts, beim Auftritt vor dem Ausschuß zur Untersuchung des blutigen Überfalls auf das US-Konsulat 2012 im libyschen Benghazi Meineid begangen zu haben, angezeigt haben.

Am 2. September hat das FBI eine zum Teil geschwärzte Zusammenfassung der dreieinhalbstündigen Vernehmung veröffentlicht, die Ermittler der Bundespolizei und des Justizministeriums am 2. Juli unternommen hatten. Die Angaben in diesem Dokument werfen gewichtige Fragen ob der Eignung Hillary Clintons für das höchste Amt im Staat auf - und das nicht nur aus Gründen der Vertrauenswürdigkeit, sondern auch der Gesundheit. Seit Monaten grassieren Gerüchte, Clinton habe sich nicht von der Gehirnerschütterung erholt, die sie im Dezember 2012 bei einem Sturz zu Hause erlitt. Dabei sollen auch Blutgerinnsel aufgetreten bzw. entdeckt worden sein, weswegen sie im Januar 2013 chirurgisch behandelt werden mußte. Die Gerüchte, wonach Clinton gesundheitlich angeschlagen ist und deshalb von der Öffentlichkeit abgeschirmt wird, erhalten Nahrung aus der Tatsache, daß die demokratische Präsidentschaftskandidatin seit Monaten kaum allgemein zugängliche Wahlkampfverstaltungen abhält, sondern sich lieber im kleinen Kreis mit wohlhabenden Großspendern trifft (Siehe den Artikel "Where Has Hillary Clinton Been? Ask the Ultrarich" - "Wo ist Hillary Clinton gewesen? Fragen Sie die Schwerreichen", der am 4. September bei der New York Times erschienen ist).

In Vernehmung durch Vertreter des FBI und Justizministeriums hat sich Clinton jedenfalls an zahlreiche Aspekte ihres ungewöhnlichen E-Mail-Arrangements nicht erinnern können und die vermeintlichen Gedächtnislücken auf den Vorfall mit der Gehirnerschütterung und dem Blutgerinnsel zurückgeführt. Aus dem FBI-Vernehmungsprotokoll geht außerdem hervor, daß Clinton nach der Entlassung aus dem Krankenhaus Anfang Januar 2013 und dem Ausscheiden aus dem Außenministerium Ende desselben Monats nur bedingt belastungsfähig gewesen ist. Während ihrer Zeit als Außenministerin hatte sie 13 unterschiedliche Smartphones vom Typ Blackberry benutzt. Kein einziges davon ist heute auffindbar. Mindestens zwei wurden von Clintons Mitarbeitern auf ihre Anweisung hin unbrauchbar gemacht - unter anderem durch Hammerschläge. Clinton hat außerdem ihr Blackberry im streng abgeschirmten Sicherheitsbereich im siebten Stock des Außenministeriums benutzt, obwohl das streng verboten ist.

Bei Befragungen behauptete Clinton, nicht gewußt zu haben, daß das in Anführungszeichen gesetzte "C" - für das Wort Confidential - vor Absätzen in Regierungskommunikationen auf einen vertraulichen Inhalt verwies. Des weiteren behauptete sie, angenommen zu haben, daß Informationen über Drohnenangriffe der CIA und des Pentagons im Ausland, über deren Durchführung sich Außenministerium und der Sicherheitsrat im Weißen Haus jedes Mal abzustimmen hatten, geheim waren. Beide Argumente sollen die These stützen, Clinton habe mit der Weiterleitung entsprechender E-Mails zum Beispiel an ihrem Freund und Berater Sidney Blumenthal nicht absichtlich gegen bestehende Geheimhaltungsgesetze verstoßen. Wer die Entscheidung traf, einen privaten Server im Keller des Hauses in New York für ihren E-Mail-Verkehr einzurichten, weiß Clinton angeblich auch nicht mehr. Darüber hinaus will sie mit der Löschung ihrer privaten E-Mails nichts zu tun gehabt haben, die Ende März 2015 erfolgte - ausgerechnet drei Wochen nachdem die New York Times die Existenz des Privatservers bekanntgemacht und daraufhin der Benghazi-Ausschuß des Kongresses die Sicherung aller relevanten Daten angeordnet hatte.

Die offenbar niemals endende E-Mail-Affäre belastet die Wahlkampfkampagne Clintons schwer. Um davon abzulenken, werfen ihrerseits die Demokraten Schmutz in Richtung Trump und versuchen diesen zur Marionette Moskaus hochzustilisieren, nur weil der Immobilienbetreiber eine Entspannung in den Beziehungen der USA zu Rußland befürwortet und im Gegensatz zu Clinton dessen Präsidenten Wladimir Putin nicht für Adolf Hitler 2.0 hält. Derweil bemüht sich Trump durch einen Besuch beim mexikanischen Präsidenten Enrique Peña Nieto und die erstmalige Teilnahme an einer Messe in einer schwarzen Baptistenkirche, seine bisher nicht vorhandene Popularität bei Amerikas Minderheiten zu steigern. Ob ihm dies gelingt, ist eine andere Frage.

Dennoch hat Trump immer noch realistische Chancen, beim Urnengang im November als Sieger hervorzugehen. Ende September, Anfang Oktober finden drei Fernsehdebatten statt, bei denen sich Trump aufgrund seiner Erfahrung als Moderator der erfolgreichen Reality-Sendung "The Apprentice" recht gut verkaufen dürfte. Hinzu kommt, daß immer mehr Anhänger von Bernie Sanders, der Clinton bei den Vorwahlen der Demokraten fast geschlagen hatte, dazu tendieren, bei der Wahl Jill Klein, Präsidentschaftskanditatin der Grünen, ihre Stimme zu geben. Sollte Hillary Clinton im November gegen Donald Trump tatsächlich verlieren, dann nicht, weil der Macho-Mann aus Queens der überzeugendere Kandidat gewesen ist, sondern weil die E-Mail-Affäre und der aus der Clinton Foundation austretende Korruptionsgestank die Wähler abgeschreckt haben.

5. September 2016


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