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USA/1387: Schreihals Trump bringt den tiefen Staat gegen sich auf (SB)


Schreihals Trump bringt den tiefen Staat gegen sich auf

Republikanische Kriegstreiber machen sich für Hillary Clinton stark


Auf der Titelseite der jüngsten Ausgabe der international renommierten Wochenzeitschrift Time ist vor einem schwarzen Hintergrund eine Karikatur des Gesichts von Donald Trump zu sehen, dessen blondes Haar und gebräunte Haut nach unten zerfließen, während der Mund weit offensteht, quasi im Schrei. Links neben dem Bild steht die lapidare Überschrift: "Meltdown". Die Time-Macher vertreten die These, der Republikaner Trump habe durch unvorsichtige Äußerungen in den letzten Wochen seine Bewerbung um die US-Präsidentschaft zur Kernschmelze gebracht und seine Chancen auf einen Sieg gegen die demokratische Kandidatin Hillary Clinton zunichte gemacht. Durch das Aufbauschen dieser These setzen die großen US-Medien darauf, daß sie zur selbsterfüllenden Prophezeiung wird. Schließlich sind sich Politik und Presse einig, daß Trump im November die Wahl nicht gewinnen darf, aber nicht, weil er ein selbstverliebter Hasardeur ist, sondern weil er für eine Abkehr von der imperialistischen US-Außenpolitik eintritt, von der Rüstungsindustrie, Banken und Politelite in Washington profitieren. Der Anti-Politiker Trump hat, ohne den geopolitischen Spezialbegriff zu benutzen, die Tabufrage der "imperialen Überdehnung" aufgeworfen und die Kriegstreiber beider großen Parteien in Washington gegen sich aufgebracht.

Bereits bei den Vorwahlen hatte Trump durch ungewöhnlich scharfe Kritik an der mißratenen Reaktion der Regierung George W. Bush auf die Anschläge vom 11. September 2001 und dem von ihr verursachten Chaos im Nahen Osten das republikanische Fußvolk begeistern können, das möglicherweise nicht so dumm ist, wie die liberalen Medien einen glauben machen wollen. Ende Juli, Anfang August lieferte er sich einen tagelangen Streit mit den Eltern eines jungen muslimischen US-Soldaten, der 2004 bei einem Autobombenanschlag im Irak ums Leben gekommen war. Auf Bitte des Clinton-Teams waren Khizr und Ghazala Khan auf dem Parteitag der Demokraten in Philadelphia aufgetreten und hatten Trumps Haltung gegenüber Muslimen als unpatriotisch kritisiert. Der Baumagnat wollte den Vorwurf nicht auf sich sitzen lassen, polterte seinerseits zurück und bekam dafür von allen Seiten Buhrufe zu hören, weil man offenbar die Angehörigen eines gefallenen amerikanischen Helden aus Rücksicht auf deren Verlust schonen sollte - selbst wenn man das Ziel, für das der Soldat oder die Soldatin gestorben ist, für sinnlos hält.

Der Parteitag der Demokraten war zu Beginn von einem schweren Skandal überschattet worden, denn aus parteiinternen Emails, die Wikileaks damals gerade veröffentlichte, ging hervor, daß das Democratic National Committee (DNC) die Vorwahlen der zurückliegenden Monate laufend manipuliert hatte, um Clinton den Sieg zu sichern und die Konkurrenz des linken Senators Bernie Sanders aus Vermont zu torpedieren. Als Trump auf die angebotene Angriffsfläche einschlug, den DNC-Skandal mit demjenigen um Hillary Clintons illegale Nutzung eines privaten Internetkontos während ihrer Zeit als Außenministerin Barack Obamas in einen Topf warf und sich den Scherz erlaubte, die Russen sollten die 30.000 abhanden gekommenen Emails der First Lady, sofern Moskau sie per Hackerangriff in seinen Besitz gebracht habe, veröffentlichen, brach ein mediales Inferno von Verurteilungen über ihn herein.

Der schwerreiche Kasinobesitzer wurde zum Landesverräter abgestempelt, der sich um Wahlkampfhilfe an den Kreml gewendet habe. Öffentlichkeitswirksam hat das FBI Ermittlungen wegen einer möglichen ausländischen Verwicklung in den DNC-Hackerangriff - nicht jedoch wegen der Manipulation der Vorwahlen bei den Demokraten - eröffnet, während Hillary Clinton Wikileaks-Gründer Julian Assange, der seit vier Jahren aus Angst vor einer Auslieferung an die USA in der ecuadorianischen Botschaft in London sitzt, zur Marionette Moskaus hochstilisierte. In eine ähnliche Kerbe schlug der ehemalige CIA-Chef Michael Morrell, als er am 7. August in einem Gastkommentar für die New York Times die Wahl Clintons in November empfahl und Trump zu einem "ahnungslosen Agenten" Wladimir Putins und damit einer "Gefahr für die nationale Sicherheit" Amerikas erklärte. Nur drei Tage später warb in derselben Zeitung eine prätorianische Garde namhafter, altgedienter republikanischer Sicherheitspolitiker, die sich mit demselben Argument wie Morrell vom Kandidaten der eigenen Partei abwandten, für eine Präsidentschaft Clintons unter Hinweis auf deren große politische Erfahrung.

Am 9. August kam es zu einer weitere Kontroverse, als Trump bei einem Wahlkampfauftritt in North Carolina davor warnte, daß Clinton als Präsidentin drastische Schritte zur Einschränkung des verfassungsmäßigen Rechts auf Waffenbesitz unternehmen könnte und sich diejenigen, die an diesem Recht hingen - etwa die mächtige Lobbygruppe National Rifle Association (NRA) - etwas einfallen lassen müßten. Die etwas schwammige Formulierung wurde von Clinton und deren zahlreichen Anhängern in den Medien - allen voran der NYT-Starkolumnist Thomas Friedman - dahingehend ausgelegt, Trump habe einem politischen Attentat auf seine Wahkampfgegnerin das Wort geredet. Das Dementi Trumps, er habe ausschließlich die politische Massenmobilisierung gemeint, wurde allgemein nicht für bare Münze genommen.

Dem Nachrichtenmagazin Time zufolge wird inzwischen seitens der Führung der republikanischen Partei Druck auf Trump ausgeübt, damit dieser endlich seine Rhetorik mäßige. Offenbar befürchten Reince Priebus und die anderen Verantwortlichen bei der Grand Ol' Party (GOP), daß Trump auf eine Niederlage in November zusteuert und sich dies negativ auf die Chancen der republikanischen Bewerber bei den Zwischenwahlen für das Repräsentantenhaus und den Senat auswirken könnte. Doch Trump zeigt sich für den Rat der Politprofis unempfänglich und will an seinen Wahlkampfmethoden nichts ändern. Dies machte er deutlich, als er am 10. August bei einer Wahlkampfveranstaltung in Florida Präsident Obama als "Gründer" und Hillary Clinton als "Mitbegründerin" der "Terrormiliz" Islamischer Staat (IS) bezeichnete. Obwohl die Kommentatoren der großen Medien nur noch den Kopf schüttelten und Theorien über Trumps geistige Gesundheit austauschten, ist seine Behauptung, die er inzwischen mehrmals wiederholt hat, nicht ganz aus der Luft gegriffen. Aus einem geheimen Bericht der Defense Intelligence Agency (DIA), der letztes Jahr publik wurde, geht hervor, daß Obama und Clinton 2012 Warnungen der eigenen Geheimdienste vor der Entstehung eines sunnitisch-salafistischen Kalifats in Ostsyrien/Westirak ignorierten, weil sie hofften, die neue Formation brächte die Verwirklichung des Kriegsziels in Syrien, nämlich den Sturz Baschar Al Assads, näher.

Auch wenn die Demoskopen derzeit von sinkenden Popularitätswerten Trumps berichten, sind ihre Angaben, weil ungenau, stets mit Vorsicht zu genießen. Nach wie vor liegt Trump mit Clinton in den drei Schlüsselstaaten Florida, Pennsylvania und Ohio gleichauf. Hillary Clintons Schwenk nach rechts seit dem demokratischen Parteitag führt dazu, daß immer mehr Anhänger von Bernie Sanders mit dem Gedanken spielen, in November für Jill Stein, die Präsidentschaftskandidatin der US-Grünen, zu stimmen. Nach wie vor liegen Clintons Werte in Sachen Glaubwürdigkeit im Keller. In den kommenden Wochen kann für sie aus den Ermittlungen zur Email-Affäre noch Unheil - etwa Hinweise auf korrupte Praktiken bei der Clinton-Stiftung - erwachsen. Trump dürfte die Basis bei der weißen Arbeiterschicht sicher sein. Deshalb betreibt Clinton eine Angstkampagne, um die Wechselwähler für sich zu gewinnen. Durchschaut das amerikanische Wahlvolk das "Project Fear", wie es im Juni eine Mehrheit der Briten hinsichtlich der Warnungen vor den Folgen eines EU-Austritts tat, denn könnte The Donald allen Unkenrufen zum Trotz tatsächlich im Januar 2017 ins Weiße Haus einziehen.

12. August 2016


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