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USA/1384: Hillary Clintons Email-Affäre kommt Donald Trump zugute (SB)


Hillary Clintons Email-Affäre kommt Donald Trump zugute

Christlicher Fundamentalist Mike Spence wird Trumps "Running Mate"


Heute beginnt in Cleveland, Ohio, der dreitägige Parteitag der Republikaner. Als erster und wichtigster Punkt auf der Agenda steht die Ernennung des Kandidaten der Grand Ol' Party (GOP) für die Präsidentenwahl im November. Auch wenn es in den letzten Wochen anders geklungen hat, wird wohl niemand Donald Trump die Kür ernsthaft streitig machen. Das republikanische Partei-Establishment tut sich zwar immer noch mit dem großmäuligen Baumagnaten aus New York schwer, doch sein Sieg bei den Vorwahlen nicht anzuerkennen und die Delegierten aus den einzelnen Bundesstaaten neu abstimmen zu lassen, wozu einige Strategen öffentlich angeregt haben, würde nur zu Chaos führen, zumal es keine echten Alternativen gibt. Jeb Bush, Marc Rubio und wie sie alle heißen kurieren immer noch die politischen Blessuren aus, die Trump ihnen mit seinen rhetorischen Spitzen im Verlauf des monatelangen Vorwahlkampfes beigefügt hat.

Wohl um keinen innerparteilichen Widerstand in Cleveland erleben zu müssen, hat Trump am 15. Juli Mike Spence, den Gouverneur von Indiana, zu seinem Vizepräsidentschaftskandidaten ernannt. Spence gilt als Führungsfigur der christlichen Rechten in den USA. In den letzten Jahren hat er sich vor allem durch eine starke Positionierung gegen Abtreibung sowie gegen die rechtliche Gleichstellung homosexueller Partnerschaften einen Namen gemacht. Mit dem gottesfürchtigen, vergleichsweise leisetretenden Kirchengänger und Familienmann Spence an seiner Seite dürfte sich der zweimal geschiedene, dreimal verheiratete Trump, der in den Fragen Abtreibung und Homo-Ehe bislang eine liberalere Position als die republikanische Parteibasis einnimmt, die Unterstützung einer millionenstarken, konservativen Wählerschaft gesichert haben, auf dessen Erscheinen an der Urne er sich im November fest verlassen kann.

Trump, der noch im Juni in den Umfragen hinter Hillary Clinton herhinkte, hat von der Email-Affäre aus deren Zeit als Barack Obamas Außenministerin zwischen 2009 und 2013 profitiert. Die große mediale Aufregung um die hoch umstrittene Entscheidung von FBI-Chef James Comey und Justizministerin Loretta Lynch, keine Anklage gegen Clinton wegen ihrer schon fast industrielle Dimensionen erreichenden Verstöße gegen die verschiedenen Gesetze und Richtlinien zum Schutz der nationalen Sicherheit zu erheben, hat der ohnehin lädierten Vertrauenswürdigkeit der skandalgeplagten ehemaligen First Lady den Rest gegeben.

Dem Ergebnis der jüngsten Umfragen des demoskopischen Unternehmens Rassmussen vom 14. Juli zufolge führt Trump bei potentiellen Wählern vor Clinton mit 44 zu 37 Prozent. 13 Prozent favorisieren andere Kandidaten wie Jill Stein von den Grünen oder Jerry White von der Socialist Equality Party, während 6 Prozent noch unentschieden sind. Bereits am 13. Juli berichtete die Online-Zeitung Politico, Trump liegt umfragetechnisch in den drei wichtigsten "swing states" Florida, Ohio und Pennsylvania - Bundesstaaten, deren Wähler traditionell eindeutig entweder für den Präsidentschaftskandidaten der Demokraten oder Republikaner votieren - deutlich vor Clinton.

Die ehemalige Senatorin aus New York hat noch ein weiteres Problem. Nach der Kapitulation ihres Rivalen Bernie Sanders leuchtet offenbar vielen der zahlreichen, meist jungen Wähler, die sich von der Wahlkampfkampagne des demokratische Sozialisten aus Vermont haben begeistern lassen, das Argument nicht ein, sie sollten im November ihr Kreuz bei Hillary Clinton machen, um den angeblich unberechenbaren Populisten Trump am Einzug ins Weiße Haus zu hindern. Die meisten Sanders-Anhänger halten Clinton für eine Kriegstreiberin und eine Marionette der Wall Street und werden deshalb entweder nicht zur Wahl gehen oder Jill Stein, die zuletzt versprochen hat, als Präsidentin den im Moskauer Exil sitzenden NSA-Whistleblower Edward Snowden zu begnadigen und ins Kabinett zu holen, ihre Stimme geben.

Es ist sogar nicht auszuschließen, daß einige Sanders-Anhänger bzw. "Linksradikale" für Trump votieren könnten in der Hoffnung, eine Präsidentschaft Hillary Clintons zu vereiteln. Bill Clintons Gattin steht im Ruf eines Kriegsfalken, die maßgeblichen Anteil an der Entstehung der laufenden Konflikten in Libyen und Syrien gehabt hat, welche zusammen zur weiteren Destabilisierung der Sahelzone respektive des Nahen Ostens beitragen. Während Clinton auf die Sonderrolle Amerikas in der internationalen Politik pocht, den Atomdeal mit dem Iran in Frage stellt, Rußlands Präsident Wladimir Putin offen diffamiert und die Konfrontation mit der Volksrepublik China sucht, stellt Trump das militärische Dauerengagement der US-Streitkräfte im Übersee zur Diskussion und möchte lieber "nation building" daheim betreiben, um die marode Infrastruktur zwischen New York und Los Angeles zu modernisieren und gut bezahlte Arbeitsplätze für die weiße Mittel- und Arbeiterschicht zu schaffen. Von daher dürfte Trump im November auf ähnlicher Weise von der Kriegsmüdigkeit der Amerikaner profitieren, wie es 2008 Barack Obama getan hat.

Die heißesten Themen des US-Wahlkampfes sind aktuell die des islamistischen Terrorismus und der Polizeigewalt. Die verheerenden Anschläge von Paris, Brüssel, Orlando und zuletzt Nizza sind Wasser auf die Mühlen Trumps, der der "Terrormiliz" Islamischer Staat (IS) den Krieg formal erklären und die Einreisebestimmungen für Muslime verschärfen will. Die zahlreichen Fälle tödlicher Polizeigewalt gegen schwarze Bürger und die jüngsten Erschießungen von Ordnungshütern in Dallas und Baton Rouge geben den Amerikanern zu erkennen, daß ihr Land mit der Wahl Obamas zum Präsidenten vor acht Jahren mitnichten in eine "post-rassistische Ära" getreten ist. Das Gegenteil ist der Fall. Da stellt sich die Frage, wem die US-Wähler eher zutrauen, die aufgeflammte Rassenproblematik anzupacken. Clinton spielt in diesem Zusammenhang die "versöhnende Mutti" à la Angela Merkel, doch ihre lange Zugehörigkeit zur politischen Elite in Washington läßt sie unglaubwürdig erscheinen. Trump dagegen ist ein unbeschriebenes Blatt. Auch wenn er in der Vergangenheit durch unflätige Äußerungen über Frauen oder Mexikaner von sich reden machte, könnte es am Ende sein, daß eine Mehrheit der US-Bürger dem selbsternannten Meister des "Deals" mit der kaum lösbaren Aufgabe betraut, den gesellschaftlichen Frieden wiederherzustellen.

17. Juli 2016


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