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USA/1369: Iran wird zum wichtigen Thema im Präsidentenwahlkampf (SB)


Iran wird zum wichtigen Thema im Präsidentenwahlkampf

Hillary und die Republikaner halten am alten Feindbild Iran fest


Im Kongreß sind die oppositionellen Republikaner mit ihrem Versuch, die Ratifizierung des Atom-Abkommens mit dem Iran, das am 14. Juli in Genf durch die Vertreter Teherans und der fünf UN-Vetomächte plus Deutschlands - der P5+1-Gruppe - vereinbart wurde, durch die USA zu verhindern, grandios gescheitert. Trotz einer aufwendigen und beispiellosen Medienkampagne haben sie innerhalb der vorgeschriebenen 60 Tage die Zweidrittelmehrheit im Repräsentantenhaus und Senat nicht zustandebringen können, die erforderlich gewesen wäre, um eine Unterzeichnung des Abkommens durch Präsident Barack Obama zu blockieren. Trotzdem reißt in den USA der Streit um das Abkommen nicht ab. Im Gegenteil ist der Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA), so der offizielle Titel der Vereinbarung, zum derzeit wichtigsten Thema im Kampf um die Präsidentenwahl, die im November 2016 stattfindet, geworden.

Bei der zweiten Fernsehdebatte bei CNN am Abend des 17. September um die Kür zum Bewerber der republikanischen Partei hat kein einziger der insgesamt neun Kandidaten ein gutes Wort über das Abkommen verloren. Statt dessen wurde sein Zustandekommen als Beweis für die angebliche schwache Führung Obamas ausgelegt. Vor allem der junge Senator aus Florida, Marc Rubio, dessen Kandidatur von den einflußreichen Neokonservativen unterstützt wird, und der New Yorker Baumagnat und Schreihals Donald Trump ließen daran keinen Zweifel, daß sie als Präsident eine knallharte Linie gegenüber Teheran verfolgen würden. Ohne einen einzigen Beweis dafür zu benennen, malten die republikanischen Präsidentschaftsbewerber die Gefahr einer iranischen Atombombe an die Wand, während sie unisono ihre Verbundenheit mit Israel betonten. Gleichzeitig drohten sie mit härtesten Reaktionen bis hin zu einem militärischen Eingreifen, sollte sich der Iran auch nur einen einzigen Verstoß gegen den JCPOA erlauben.

Traurigerweise hatte sich bereits am 9. September Ex-Außenministerin Hillary Clinton, die im Kampf um die Nominierung zur Kandidatin der Demokraten seit Wochen in den Umfragen Boden an den linkspopulistischen Senator aus Vermont, Bernie Sanders, verliert, dazu veranlaßt gesehen, ihre Eignung als Oberbefehlshaberin der amerikanischen Streitkräfte durch eine Breitseite in Richtung des Persischen Golfs zu unterstreichen. Bei einer Rede in der einflußreichen Brookings Institution in Washington gebärdete sich Obamas einstige Chefdiplomatin als Kriegsfalke unter anderem mit folgenden Worten: "Die Vereinigten Staaten werden es dem Iran niemals erlauben, in den Besitz einer Nuklearwaffe zu gelangen. Als Präsidentin werde ich, welcher Schritt auch immer erforderlich ist, alles unternehmen, um die USA und ihre Alliierten zu schützen. Ich werde nicht zögern, militärische Maßnahmen zu ergreifen."

Während im Kongreß die Iranophoben immer noch eifrig versuchen die sich abzeichnende Aufhebung der diversen Sanktionen gegen den Iran zu verlangsamen bzw. auszuhebeln - etwa die Verwirklichung der Handelserleichterungen davon abhängig zu machen, daß Teheran vorher den Staat Israel formell anerkennt - hat Prof. Stephen Walt, ein führender Vertreter der außenpolitischen "Realisten" in den USA, am 15. September in einem Artikel für die Zeitschrift Foreign Policy die kurzsichtige Haltung der demokratischen und republikanischen Volksvertreter heftig kritisiert. Durch deren Festhalten am Feindbild Iran riskierten es die USA, die großartige Gelegenheit zu verspielen, die Beziehungen zwischen Washington und Teheran zu normalisieren, den Handel mit dem Iran anzukurbeln sowie gemeinsam das Blutvergießen im Nahen Osten - siehe Syrien, Irak und Jemen - zu beenden, so Walt.

Ungeachtet der Feindseligkeiten infolge des Wahlkampffiebers bei Demokraten und Republikanern setzten ihrerseits die Iraner ihre Charmoffensive fort. In einem Interview mit dem Reporter Steve Croft, das am 20. September bei der vielgesehenen CBS-Sendung "60 Minutes" ausgestrahlt werden sollte, hat Irans Präsident Hasan Rohani den in seinem Land bei Massenveranstaltungen häufig skandierten Ruf "Nieder mit Amerika" als Relikt der iranischen Revolution von 1979 relativiert: "Der Spruch richtet sich nicht gegen das amerikanische Volk. Unser Volk respektiert das amerikanische Volk. Das iranische Volk strebt mit keinem Land einen Krieg an, doch gleichzeitig lief die Politik der Vereinigten Staaten den Interessen des iranischen Volkes zuwider." Unter Verweis auf den Sturz des iranischen Premierministers Mohammad Mossadegh durch die CIA 1953, die frühere Unterstützung Washingtons für den autokratischen Schah sowie für den Irak Saddam Husseins im mörderischen Iran-Irak-Krieg von 1980 bis 1988 erklärte er: "Die Leute werden diese Dinge nicht vergessen. Wir können die Vergangenheit nicht vergessen, aber gleichzeitig müssen wir unseren Blick auf die Zukunft richten." Dies hat auch Präsident Obama erkannt. Leider wird diese Einsicht derzeit von nur wenigen seiner politischen Kollegen in Washington geteilt.

19. September 2015


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