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USA/1310: Republikaner greifen im Wahlkampf zum Chauvinismus (SB)


Republikaner greifen im Wahlkampf zum Chauvinismus

Vorwahlen unter Obamas Gegnern von Fremdenfeindlichkeit geprägt


Nach den Vorwahlen in Iowa und New Hampshire ist der Kampf um die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten der Republikaner in South Carolina in die vielleicht entscheidende Phase getreten. Gewinnt dort am 21. Januar erneut der ehemalige Gouverneur von Massachusetts Mitt Romney, wie derzeit alle Umfragen prognostizieren, dürfte das Rennen weitestgehend gelaufen sein. Dann müßten sich die übriggebliebenen Kandidaten entscheiden, ob sie aussteigen oder finanziell den Rückhalt haben, weiterzukämpfen, um sich auf dem Parteitag der Republikaner Ende August in Tampa, Florida, als Anwerber auf das Amt des Vizepräsidenten zu empfehlen.

Drei der ursprünglich acht Bewerber - der Pizzaladenkettenbesitzer Herman Cain, die Kongreßabgeordnete Michelle Bachmann aus Minnesota und der ehemalige Gouverneur von Utah, John Huntsman - sind bereits wegen mangelnder Erfolgsaussichten ausgestiegen. Bis auf den texanischen Kongreßabgeordneten Ron Paul versuchen die restlichen Konkurrenten Romneys und Möchtegerngegner Obamas - der amtierende Gouverneur von Texas Rick Perry, der ehemalige Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus Newt Gingrich und der ehemalige Senator aus Pennsylvania Rick Santorum -, sich durch billigen Populismus und unverhohlenen Chauvinismus als die Person anzuempfehlen, die den Einfluß der wirtschaftlich schwächelnden Supermacht Amerika langfristig sichert. Kaum ein Tag vergeht, an dem Gingrich, Perry und Santorum nicht ihre Verbundenheit mit Israel verkünden, Obama mangelnde Entschlossenheit im "Atomstreit" mit dem Iran vorwerfen und vollmundig versprechen, die aufstrebende Volksrepublik China in ihre Schranken zu weisen. Vor wenigen Tagen hat Gingrich zum Beispiel einen Werbefilm ausstrahlen lassen, in dem er Romney nur deswegen kritisiert, weil letzterer Französisch sprechen kann. Es ist kaum glaublich, aber die Botschaft des Werbefilms läuft darauf hinaus, daß der derzeitige republikanische Spitzenkandidat genauso wie Obama beabsichtige, aus den USA eine Art Überwachungs- und Sozialstaat à la EU zu machen - was Amerika um seinen einzigartigen "way of life" und seine geschichtliche Mission als Freiheitsbeglücker der Menschheit bringen würde.

Während Gingrichs Versuch, Romney als dekadenten Frankophilen hinzustellen, beim Beobachter lediglich ein Schmunzeln erregt, sind die jüngsten Vorstöße Perrys und Santorums auf dem Feld der Außen- und Sicherheitspolitik weit menschenverachtender. Am 14. Januar griff Santorum auf einer Wahlkampfveranstaltung in Greenville, South Carolina, die Obama-Regierung an, weil zuvor das Außenministerium Hillary Clintons den am 11. Januar in Teheran erfolgten tödlichen Bombenanschlag auf den iranischen Atomwissenschaftler Mostafa Ahmadi-Roshan verurteilt und eine Verwicklung der US-Geheimdienste kategorisch bestritten hatte. "Meines Erachtens hätten wir besser den Mund gehalten", erklärte er. Bereits im vergangenen Oktober hatte es Santorum als "wunderbare Sache" bezeichnet, wenn iranische Atomwissenschaftler unter merkwürdigen Umständen - etwa durch Attentate - ums Leben kommen sollten. Zudem tritt er öffentlich für gezielte Bomben- und Luftangriffe auf iranische Atomanlagen ein, mit der Begründung, Verhandlungen mit Teheran hätten keinen Zweck, da das islamische "Regime" um Präsident Mahmud Ahmadinedschad den Märtyrtod zum höchsten Prinzip erhoben hätte. Diese Erkenntnis verbreitete Santorum bei einer Wahlkampfdebatte Anfang Januar in New Hampshire.

Auch Rick Perry ist offenbar der Meinung, daß Amerikas Glaubwürdigkeit es verbiete, daß sich Washington bei anderen Nationen für irgend etwas entschuldige. Folglich hat er sich in der hitzigen Debatte um das vor wenigen Tagen veröffentliche Skandalvideo, auf dem vier Angehörige der US-Marineinfanterie selbstgerecht auf die Leichen mehrerer Taliban-Kämpfer urinieren und dabei abfällige Bemerkungen machen, zu Wort gemeldet. Weil die Schändung der Leichen gegnerischer Soldaten im Krieg gegen die Genfer Konvention verstößt, hatte sich das Pentagon Leon Panettas für den Vorfall bei der afghanischen Regierung in aller Form entschuldigt und ohne Zögern ein Disziplinarverfahren gegen die beteiligten Soldaten eingeleitet. Darin meinte Perry einen unpatriotischen Akt der Selbstkasteiung zu erkennen, der den Glauben der Amerikaner an das eigene Land unterminiere. Bei einem Auftritt am 15. Januar in der CNN-Sendung "State of the Union" erklärte er die Reaktion der Obama-Regierung und nicht das Fehlverhalten der vier Marines zum eigentlichen Skandal: "Zweifelsohne machen 18- bis 19jährige Jugendliche immer wieder dumme Fehler. Damit haben wir es hier zu tun. Doch es ist die Art von überzogener Rhetorik seitens dieser Administration und ihre Mißachtung des Militärs, die mich wirklich beunruhigt."

Perry, der Ende letzten Jahres die eigene Glaubwürdigkeit schwer beschädigte, als er bei einer Fernsehdebatte lediglich zwei der drei Ministerien in Washington, die er als Präsident abzuschaffen plant, benennen konnte, stellte am 17. Januar bei der jüngsten dieser Veranstaltungen in Myrtle Beach, South Carolina, seine Ignoranz erneut zur Schau, mit der Behauptung, die Regierung der Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei (AKP) in Ankara um Premierminister Recep Tayyip Erdogan bestünde aus "islamistischen Terroristen", weswegen die USA sämtliche Hilfsgelder an die Türkei streichen und deren Rauswurf aus der NATO in Erwägung ziehen sollten. Ein solch strenger Umgang mit den Türken würde "an Länder wie den Iran und Syrien eine mächtige Botschaft senden", so Perry. Das Außenministerium in Ankara hat verärgert über die Sprücheklopferei des Texaners darauf aufmerksam gemacht, daß die Türkei keinerlei finanzielle Unterstützung aus Washington erhält, geschweige denn es nötig habe, und sich unter Verweis auf Perrys geringe Umfragewerte die Feststellung erlaubt, "die USA" sollten "keine Zeit auf Kandidaten verschwenden, welche die eigenen Alliierten nicht erkennen".

Die Republikaner Gingrich, Perry und Santorum schlagen solche plumpen fremdenfeindlichen Töne an, einerseits weil sie wie viele Amerikaner einer recht einseitigen und beschränkten Wahrnehmung des Weltgeschehens unterliegen, und andererseits, weil sie wissen, daß dies in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit und wachsender Armut bei einem nicht geringen Teil der eigenen Wählerschaft gut ankommt. Dies zeigten die lauten Buhrufe des Zuschauer in der vom konservativen Nachrichtensender Fox News veranstalteten Fersehdebatte in Myrte Beach, als Ron Paul erklärte, man hätte im vergangenen Jahr Al-Kaida-Chef Osama Bin Laden nicht einfach hinrichten, sondern statt dessen festnehmen und vor ein ordentliches Gericht in den USA wegen seiner angeblichen Verwicklung in die Flugzeuganschläge vom 11. September 2011 stellen sollen. Auf pures Unverständnis im Publikum stieß Paul ebenfalls, als er die imperialistische außenpolitische Vision von Gingrich als unrealistisch anprangerte und erklärte, Amerika könne sich keine weiteren Kriege im Nahen Osten wie etwa gegen den Iran leisten; mit Militärinterventionen in Übersee mache sich Amerika keine Freunde, sondern lediglich Feinde, weshalb das Pentagon sämtliche US-Truppen nach Hause holen sollte. Mit dieser Außenseiterposition hat sich Paul in den Umfragen dennoch den zweiten Platz bei den Republikanern erobert. Von den großen US-Medien wird seine Kandidatur jedoch stets als Donquichotterie abgetan.

18. Januar 2012