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USA/1298: 9/11-Gedenkfeier - Beweihräucherung des Militarismus (SB)


9/11-Gedenkfeier - Beweihräucherung des Militarismus

Kriegstreiber berufen sich auf die Opfer des 11. September


Die großen Trauerfeierlichkeiten um den zehnten Jahrestag der Flugzeuganschläge auf das World Trade Center und das Pentagon zeichneten sich durch einen unerträglichen Pathos aus. Die Amerikaner suhlten sich erneut in der Opferrolle. Es wurde der fast 3000 9/11-Ermordeten und der 6200 im "globalen Antiterrorkrieg" bisher gefallenen US-Soldaten gedacht, dafür die viel zahlreicher getöteten Zivilisten und Aufständischen der von Washington initiierten Kriege im Irak und in Afghanistan sowie der Militärinterventionen im Jemen, in Pakistan und Somalia praktisch ignoriert. Amerika feierte sich selbst, seine Widerstandsfähigkeit, seine demokratische Strahlkraft und vor allem sein Militär, das den Verantwortlichen für die Anschläge angeblich eine schwere Lektion erteilt hätte. Zehn Jahre nach den schrecklichen Ereignissen von New York und Arlington läßt sich ein ganz deprimierendes Fazit ziehen: Der Vergeltungsdrang der politischen Elite und des reaktionär-nationalistisch denkenden Teils der Bevölkerung in den USA ist noch lang nicht verebbt, was weiteres Unheil für die Zukunft erwarten läßt.

Nehmen wir zum Beispiel die Videobotschaft, die Michelle Bachmann, Kongreßabgeordnete aus Minnesota und derzeit neben Texas-Gouverneur Rick Perry und Ex-Massachusetts-Gouverneur Mitt Romney aussichtsreichste Kandidatin um die Nominierung zum offiziellen Vertreter der republikanischen Partei bei der Präsidentenwahl im kommenden Jahr, am 10. September zum Thema der 9/11-Anschläge auf ihre Youtube-Seite hochgeladen hat. Wie die elektronische Politzeitung The Hill am selben Tag berichtete, lobte der Liebling der erzkonservativen Tea-Party-Bewegung die eigenen Landsleute für deren Reaktion auf "den feigesten Angriff, den wir je erlitten haben": Dazu The Hill zu den Ausführungen Bachmanns:

"Wir haben den Terroristen den Antiterrorkrieg gebracht", erklärte sie. "Die Vereinigten Staaten haben erfolgreich einige der schlimmsten Feinde der Freiheit ausgelöscht." Darüber hinaus seien die Amerikaner nach dem Angriff, der sie erneut an die Werte erinnert habe, auf denen die Nation erbaut wurde, enger zusammengekommen. "In vieler Hinsicht war der 11. September 2001 nicht nur ein Tag der Tragödie, sondern auch ein Tag des neuen Anfangs für unser Land", erklärte sie. "Denn jener Tag hat uns daran erinnert, daß wir Amerika sind. Wir sind das Land der Freien und die Heimat der Mutigen."

Nun, man könnte einwenden, Bachman und ihre Anhänger wären für die USA nicht repräsentativ, was auch stimmt. Doch leider ist es so, daß der Hurrah-Patriotismus in den USA keine alleinige Sache des rechten Randes ist, sondern daß sich die Konzernmedien, Politiker und Militärs seiner ununterbrochen bedienen. Während Präsident Obama am 11. September bei der Kranzniederlegung am Ground Zero in New York und der Einweihung der neuen Gedenkstätte am früheren Standort der WTC- Zwillingstürme davon sprach, der spektakuläre Massenmord vor zehn Jahren hätte Amerika "stärker" gemacht, griff am selben Vormittag vor dem Pentagon oberster Soldat der USA, Michael Mullen, zu drastischeren Worten. Dazu hieß es in der Meldung der Nachrichtenagentur Agence France Presse:

"Hier sind Leben zu Ende gegangen, Träume zerstört, Zukünfte augenblicklich verändert, Hoffnungen auf tragische Weise zerschmettert worden", erklärte Admiral Michael Mullen, Vorsitzender der Vereinigten Stabschefs bei einer Zeremonie zum zehnten Jahrestag des Angriffs mit einer Passagiermaschine auf das Pentagon. Mullen, der in Begleitung von Vizepräsident Joe Biden und Verteidigungsminister Leon Panetta war, erklärte, der Angriff hätte eine neue Generation dazu inspiriert, den Streitkräften beizutreten, während das Land an den Militanten von Al Kaida Vergeltung übte. "Von diesem Ort der Wut und der Tränen ist Amerikas Militär als langer Arm und geballte Faust einer zornigen, im Krieg befindlichen Nation hinausgegangen. Seitdem sind wir im Krieg geblieben und haben unseren Feinden die Vergeltung, die ihnen zustand, zuteil werden lassen, und dem amerikanischen Volk den Schutz, den es verlangt, gewährt."

Ohne das Leid der Opfer vom 11. September und ihrer Familienangehörigen im geringsten mißachten zu wollen, riecht das mediale und politische Scharade um den "Tag, der die Welt veränderte" stark nach emotionaler Manipulierung. Auch wenn laut Umfragen die Mehrheit der US-Bürger alle amerikanischen Truppen längst aus dem Irak und Afghanistan abgezogen sähe, soll der niemals endende Verweis auf die Flugzeuganschläge als Rechtfertigung für die pathologisch- interventionistische Außenpolitik der USA und den Militarismus der politischen Führung in Washington herhalten und zumindest den Anschein erwecken, man handelte im Interesse der eigenen Bevölkerung. Schließlich ist es derselbe Sicherheitsapparat, der so sträflich und auf sonderbare, unerklärliche Weise die Flugzeuganschläge vom 11. September nicht verhinderte, der durch den drastischen Ausbau staatlicher und privater Geheimdienste, Milliardenaufträge an Rüstungsfirmen und Militärdienstleistungsunternehmen, die Aufstockung der Spezialstreitkräfte u. v. m. davon nicht nur am meisten, sondern fast als einziger profitierte.

13. September 2011