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USA/1263: Kriegsgegner bieten Obamas Sicherheitstaat die Stirn (SB)


Kriegsgegner bieten Obamas Sicherheitstaat die Stirn

Aktivisten in Chicago und Minneapolis ercheinen nicht vor Grand Jury


In linken Aktivistenkreisen der USA ist die Enttäuschung über den einstigen Hoffnungsträger Barack Obama und die Art und Weise, wie der demokratische Präsident den von der republikanischen Vorgängeradministration von George W. Bush und Dick Cheney nach den Flugzeuganschlägen vom 11. September 2001 errichteten, nationalen Sicherheitsstaat konsolidiert, enorm. Unter "Wandel, an dem man glauben könne" haben sich die Millionen von Gegnern der Interventionspolitik von Weißem Haus, Pentagon und CIA in Übersee etwas gänzlich anderes als die Fortsetzung des sogenannten "Antiterrorkriegs" mit der Welt - einschließlich des amerikanischen "Homeland" - als einzigem Schlachtfeld vorgestellt, als sie beim Urnengang im November 2008 für Obama als Amerikas ersten schwarzen Präsidenten stimmten.

In den letzten zwei Jahren hat Obama nicht nur die US-Generalität eine brandgefährliche Eskalationsstrategie in Afghanistan entfachen lassen, sondern sich auch noch als eifriger Verfechter von Bushs Theorie der "unitary executive" entpuppt, wonach im Namen der nationalen Sicherheit sich der Präsident der Vereinigten Staaten über Verfassung und Gesetz bis hin zur Liquidierung mißliebiger US-Bürger durch Sonderkommandos der CIA, der Spezialstreitkräfte oder irgendwelcher privater Söldnerfirmen à la Blackwater hinwegsetzen kann. Derzeit versucht vor Gericht das Justizministerium Eric Holders eine Klage der American Civil Liberties Union (ACLU) und des Center for Constitutional Rights (CCR) abgewiesen zu bekommen, die, wenn erfolgreich, zur Folge hätte, daß die Obama-Regierung nicht einfach ihr erklärtes Vorhaben der Tötung des angeblich im Jemen befindlichen US-Bürgers und mutmaßlichen "Terroristen" Anwar Al-Awlaki bei nächstbester Gelegenheit in die Tat umsetzen kann, sondern, wenn überhaupt, den sogenannten "Haßprediger" verhaften und in die USA überführen müßte, um die gegen ihn vorliegenden Vorwürfe in einem regulären, öffentlichen Strafrechtsprozeß auf ihre Stichhaltigkeit überprüfen zu lassen.

Doch für Amerikas Kriegsgegner und Friedensaktivisten, die in den letzten beiden Jahren einige Enttäuschungen haben wegstecken müssen, waren die Razzien am 24. September in Chicago und Minneapolis ein regelrechter Schock. In den frühen Morgenstunden mußten Anhänger der marxistisch-leninistischen Freedom Road Socialist Organization (FRSO) in Minneapolis sowie des Twin Cities Antiwar Committee, des Arab American Action Network (AAAN) und der Palestine Solidarity Group in Chicago erleben, wie schwerbewaffnete Mitglieder der Joint Terrorism Task Force (JTTF) des FBI zum Teil gewaltsam in ihre Wohnungen eindrangen, die ganze Einrichtung auf dem Kopf stellten, stundenlang belanglose Fragen stellten und alles an Schrift- oder Bilddokumenten - einschließlich Computerspielen und T-Shirts - mitnahmen. Den Opfern dieser Schikane gegenüber rechtfertigten die selbsternannten Ordnungshüter ihr Verhalten mit der Aussage, man gehe dem Verdacht nach, die Aktivisten hätten irgendwelchen verbotenen Terrorgruppen "materielle Hilfe" geleistet.

Die 14 Betroffen hatten zudem eine Vorladung zum Erscheinen vor einer Grand Jury am 5. Oktober erhalten, bei welcher Gelegenheit man sie über ihre Kontakte zu Gleichgesinnten unter anderem in den besetzten palästinensischen Gebieten und im Bürgerkriegsland Kolumbien befragen wollte, um herauszufinden, ob es ausreichende Gründe für eine Anklage gäbe oder nicht. In einer untereinander abgestimmten Aktion sind die Aktivisten der Vorladung nicht gefolgt. Statt dessen haben sie und ihre Freunde an nämlichem Tag jeweils vor den Bundesgerichtsgebäuden in Chicago und Minneapolis demonstriert und die Art, wie die Behörden mit ihnen umspringen, nur weil sie ihr vom ersten Zusatz der US-Verfassung verbrieftes Recht auf Meinungsfreiheit in Anspruch nehmen, als schlimmsten McCarthyismus verurteilt. Wegen der Weigerung, die Vorladung zu befolgen, droht den 14 Kriegsgegnern eine Klage und eventuell eine Freiheitsstrafe.

In linken Kreisen haben besagte Razzien einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Namhafte Kommentatoren wie Amy Goodman von der Radiosendung Democracy Now!, der Ex-CIA-Mitarbeiter Philip Giraldi, die ehemalige FBI-Anwältin Coleen Rowley und Cindy Sheehan, Mutter des 2004 im Irak gefallenen Soldaten Casey Sheehan, haben die Drangsalierung einfacher Bürger, nur weil sie die Politik Washingtons in Bezug auf Lateinamerika und den Nahen Osten kritisieren, als innenpolitischen Tiefpunkt der Präsidentschaft Obamas bezeichnet. In einem Artikel, der am 28. September bei Global Research erschienen ist, hat Michael Carmichael die FBI-Razzien gegen die Friedensbewegung mit Vorschlägen in Verbindung gebracht, die die PR-Beratungsfirma Greenberg Quinlan Rosner der demokratischen Partei von Präsident Obama vor kurzem gemacht hatte. Demnach könnten die Demokraten die prognostizierte Katastrophe bei den Zwischenwahlen zum Kongreß Anfang November nur verhindern, wenn sie in Fragen der "nationalen Sicherheit" eine starke Pose einnähmen. Carmichael äußerte den Verdacht, mit den Razzien hätten Obama und Holder versucht die Strategie von Greenberg Quinlan Rosner in die Tat umzusetzen.

Auch wenn Carmichael mit seiner Vermutung nicht richtig liegt, hat Obama inzwischen bei den Wählern, die ihm 2008 zur Mehrheit bei der Präsidentenwahl verholfen haben, ausgedient. Diese enttäuschten Wähler werden den Demokraten im November fehlen, weshalb vermutlich die Republikaner nicht nur im Repräsentantenhaus, sondern auch noch im Senat die Mehrheit zurückerobern werden. Sollte dies passieren, dann kann sich Obama auf einiges gefaßt machen. Was ihm dann blüht, wird im nachhinein die Hetzjagd, mit der der republikanische Kongreß Bill Clinton während dessen zweiter Amtszeit wegen Whitewater und Monica Lewinski das Leben zur Hölle machten, wie eine lockere Neckerei unter Freunden erscheinen lassen. Dann wird Obama sich fragen müssen, ob es nach der Amtseinführung im Januar 2009 eine gute Idee war, die eigenen Wähler vor den Kopf zu stoßen und gemeinsame Sache mit den oppositionellen Republikanern zu machen.

7. October 2010