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USA/1212: Obama läßt das Ehepaar Plame/Wilson in Stich (SB)


Obama läßt das Ehepaar Plame/Wilson in Stich

Oberster Demokrat ergreift Partei für Libby und die Neocons


Mit einer Reihe von Maßnahmen der neuen US-Regierung hat Barack Obama die in ihn gesetzten Hoffnungen der Anhänger seiner demokratischen Partei auf Wandel schwer enttäuscht. Hierzu gehören die Entscheidungen des Weißen Hauses, die Fälle mutmaßlicher "Terroristen" aus dem Dunstkreis Osama Bin Ladens vor den umstrittenen, von George W. Bush ins Leben gerufenen Militärtribunalen zu verhandeln und die Freigabe weiterer Bilder von der Mißhandlung von Gefangenen im Irak durch das US-Militär zu verhindern, sowie die aktuellen Bemühungen des Justizministeriums, die Klage einer Reihe von Opfern der Folterflüge der CIA gegen das am "Extraordinary Renditions"-Programm beteiligte Boeing-Tochterunternehmen Jeppesen Dataplan und die Klage zweier Opfer des illegalen Abhörprogramms der NSA wegen der Verletzung ihrer Grundrechte von den zuständigen Bundesgerichten zurückgewiesen zu bekommen. Nun kommt eine weitere Enttäuschung auf die demokratischen Stammwähler zu. Im laufenden Rechtsstreit zwischen dem Ehepaar Valerie Plame und Joseph Wilson gegen Irv "Scooter" Lewis Libby, den früheren Stabschef des Ex-Vizepräsidenten Dick Cheney, hat sich das Justizministerium von Eric Holder und damit die Obama-Regierung auf die Seite der Vorgängeradministration gestellt. Einen schwerwiegenderer Fall von Verrat kann man sich kaum vorstellen.

Joseph Wilson hatte es im Sommer 2003, als die Bush-Regierung nach der raschen Eroberung des Iraks und dem Sturz Saddam Husseins auf dem Höhepunkt ihrer Macht stand, als erstes prominentes Mitglied der demokratischen Partei gewagt, sich mit dem republikanischen Neokonservativen-Klüngel im Weißen Haus, Pentagon und Außenministerium anzulegen. Als damals die Frage nach dem Verbleib der Massenvernichtungswaffen Saddams aufkam, die schließlich ein wichtiger Bestandteil der Begründung für den Einmarsch in den Irak waren, veröffentlichte Wilson am 6. Juli 2003 einen Gastkommentar in der New York Times, in dem er enthüllte, daß er bereits Anfang 2002 im Auftrag der CIA in den Niger gereist war, um Geschichten über eine geheime Uran-Connection Bagdads nachzugehen, hatte festgestellt, daß daran absolut nichts war, und hatte nach der Rückkehr in die Vereinigten Staaten den Verantwortlichen in Langley, Virginia, dies auch berichtet. Damit warf Wilson der Bush-Administration indirekt vor, unter Vorspiegelung falscher Tatsachen einen illegalen Angriffskrieg vom Zaun gebrochen zu haben.

Die Vergeltungsaktion erfolgte prompt. Führende Mitglieder der damaligen Regierung, nachweislich Bushs engster politischer Berater Karl Rove, Cheneys rechte Hand Libby und der stellvertretende Außenminister Richard Armitage, setzen sich mit befreundeten Journalisten in Verbindung, um Wilsons aufsehenerregende Enthüllung zu entkräften und den ehemaligen US-Botschafter in Bagdad zu diskreditieren. Gegenüber den Pressevertretern ließen sie fallen, daß Wilsons Frau Valerie Plame bei der CIA arbeitete und legten nahe, er sei nur dank der Empfehlung seiner Gattin als Spesenritter in den Niger entsandt worden und habe daher keine Ahnung in Bezug auf schwerwiegende Fragen der nationalen Sicherheit.

Doch damit waren die Bush-Leute zu weit gegangen, denn Plame war nicht eine einfache CIA-Analytikerin, sondern Undercoveragentin. Sie zu enttarnen und damit ihr Leben aufs Spiel zu setzen stand unter Strafe. Nachdem am 14. Juli der konservative Zeitungskommentator Robert Novak als erster Journalist die Tatsache der CIA-Tätigkeit Plames publik gemacht hatte, dauerte es nicht lange, bis der Auslandsgeheimdienst beim damaligen Justizminister John Ashcroft den Gesetzesverstoß meldete. Dieser setzte den Chicagoer Bundesstaatsanwalt Patrick Fitzgerald ein. Letzterer konnte niemandem nachweisen, Plames Undercovertätigkeit bewußt enthüllt zu haben, doch im Rahmen der Ermittlungen hatte sich Libby bei dem Versuch, Cheneys Rolle in der Affäre zu verheimlichen, in heillose Widersprüche verwickelt. Deswegen wurde er als einziger Beteiligter an dem Skandal 2007 rechtskräftig verurteilt - wegen Behinderung der Justiz, Meineids und Falschaussage.

Seitdem strebt das Ehepaar Wilson eine Zivilklage gegen Libby et al. an, um Entschädigung wegen der zerstörten Karriere Plames zu erhalten, aber auch um Licht ins Dunkel der damaligen Affäre zu bringen. Es gibt zum Beispiel Hinweise, daß Plame auch deshalb enttarnt wurde, weil sie und ihre Kollegen bei dem CIA-Tarnunternehmen Jennings, Brewster and Associates Atomschmuggel bzw. Manipulationen von Geheimdiensterkenntnissen auf der Spur waren, in den bzw. in die führende US-Neokonservative verwickelt waren. Möglicherweise sind es gerade diese Machenschaften, welche Obama und Holder mit ihrer Position gegen die Wilsons zu vertuschen versuchen. Wie die Website Raw Story am 21. Mai berichtete, hat am Tag davor ein Bundesgericht in Washington die Zivilklage des Ehepaars zurückgewiesen und war damit dem Antrag des Justizministeriums gefolgt.

Doch es kommt noch schlimmer. Die Obama-Regierung hatte nicht nur behauptet, daß die Klage Valerie Plames gegen die Verletzung ihrer in der Verfassung verankerten Grundrechte nichtig sei, sondern auch erklärt, daß Wilson keinerlei Beweise dafür vorgelegt habe, daß Cheney, Rove oder Libby ihm geschadet hätten. Im Bericht von Raw Story zitierte John Byrne Melanie Sloan von der Bürgerrechtsvereinigung Citizens for Ethics and Responsibility, die das Ehepaar bei seiner Klage unterstützt, mit folgender Feststellung zum Verhalten der Obama-Regierung: "Dies ist besonders ironisch, denn die Regierung hat die Zurückweisung der Klage bereits beantragt, bevor die Wilsons die Gelegenheit erhalten hatten, die Details der Enttarnung von Frau Wilsons Agententätigkeit zu präsentieren. Wir sind extrem enttäuscht, daß die Obama-Administration den schwerwiegenden Schaden, den führende Mitarbeiter Bushs im Weißen Haus Joe und Valerie Wilson zugefügt haben, nicht anerkannt hat. Die Position der Regierung läßt sich mit der von Präsident Obama häufig eingegangenen Verpflichtung, Regierungsvertreter für ihre Taten verantwortlich zu machen, nicht in Einklang bringen."

Doch auch unter den Republikanern hatte der Fall Valerie Plame für schwere Auseinandersetzungen gesorgt. Zum größten Streit zwischen Bush und Cheney während ihrer gemeinsamen acht Jahre an der Regierungsspitze soll es Ende 2008, Anfang 2009 gekommen sein, als sich der Präsident vor dem Ausscheiden aus dem Amt über das Drängen seines Stellvertreters hinwegsetzte und Libby nicht begnadigte. Für seine Illoyalität gegenüber Libby ist Bush seitens seiner früheren Bewunderer heftig kritisiert worden. Auch Cheney hat keinen Hehl aus seiner Unzufriedenheit mit der Entscheidung gemacht. In ihrer satirischen Kolumne für die New York Times hat sich am 20. Mai Maureen Dowd unter der Überschrift "Cheney's Third Term" lustig über die Art und Weise gemacht, wie sich Obama seit einigen Wochen immer mehr die Politik von Bush und den Neocons zu eigen macht. In dem Artikel entwirft Dowd ein imaginäres Gespräch zwischen Cheney und Rumsfeld, die beim Essen beim Italiener überlegen, wie sie und ihre Freunde in Politik und Medien den demokratischen Hoffnungsträger auf die eigene neokonservative Linie bringen können. Am Ende der Liste der Programmpunkte, die Obama zu erfüllen habe, erklärt Cheney: "Und natürlich muß er Scooter begnadigen." Als daraufhin "Rummy" fragt, ob sie das alles schaffen könnten, antwortete Cheney, ganz im Zeichen der Zeit: "Yes, we can."

23. Mai 2009