Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → REDAKTION


NAHOST/1722: Iran - US-Kindergartendiplomatie ... (SB)


Iran - US-Kindergartendiplomatie ...


Unbeirrt setzt die Regierung von US-Präsident Donald Trump ihre Politik des "maximalen Drucks" gegenüber dem Iran fort in der Hoffnung, einen Sturz des den neokonservativen Kriegstreibern verhaßten "Mullah-Regimes" in Teheran irgendwann doch noch herbeiführen zu können. Trotz schwerer Wirtschaftssanktionen der USA und den Folgen der Corona-Krise, die im Iran besonders stark gewütet hat, gibt sich die Islamische Republik weiterhin standhaft. Vor zwei Wochen haben mehrere Tanker mit iranischem Öl einer Flotte der amerikanischen Kriegsmarine in der Karibik getrotzt und Venezuela, dessen Regierung in Caracas ebenfalls auf der Feindesliste Washingtons steht und das deshalb auch unter den ökonomischen Strafmaßnahmen der USA stark leidet, erreicht, was dort für kurzfristige Entspannung bei der Energieversorgung sorgte. In Reaktion auf die Blamage für die USA "im eigenen Hinterhof" hat das Finanzministerium in Washington damit begonnen, die an der maritimen Handelsbrücke zwischen dem Iran und Venezuela beteiligten Schiffe auf eine Sanktionsliste zu setzen, um deren Eigentümer, irgendwelche Reedereien mit Sitz in Panama oder Liberia, von der Zusammenarbeit mit Teheran und Caracas endgültig abzubringen.

Ungeachtet dessen ist es in den letzten Tagen zwischen dem Iran und den USA zu einem Gefangenenaustausch gekommen. Am 2. Juni haben die US-Einwanderungsbehörden den iranischen Ingenieur Sirous Asgari, den sie seit Monaten unter fadenscheinigen Gründen festgehalten hatten, ausreisen lassen. Dafür durfte am 4. Juni der ehemalige US-Marineangehörige Michael White, der seit zwei Jahren im Iran unter anderem wegen Beleidigung des religiösen Oberhaupts Ajatollah Ali Khamenei hinter Gitter saß, die Heimreise antreten. Vermittelt wurde die humanitäre Aktion durch die Schweiz, welche die USA im Iran diplomatisch vertritt, und Bill Richardson, der einst in der Regierung Bill Clintons als Energieminister und UN-Botschafter gearbeitet hat.

Nach der Freilassung von Michael White konnte Donald Trump es nicht lassen, die Iraner per Twitter zu provozieren. In einem Tweet pries der windige New Yorker Immobilienhai am 4. Juni den Gefangenenaustausch als Modell einer gelungenen Kooperation und riet der Führung in Teheran dazu, mit ihm so schnell wie möglich einen "Deal" abzuschließen. Die Iraner könnten in den kommenden Monaten vielleicht noch bessere Bedingungen aushandeln als nach seinem Sieg bei der Präsidentenwahl im November gegen den Demokraten Joe Biden, so der Republikaner Trump.

Für die nicht sonderlich ernst gemeinte Botschaft aus dem Weißen Haus hatte die Führung in Teheran nur Hohn übrig. Außenminister Mohammad Javad Zarif erinnerte am 5. Juni per Twitter daran, daß der Iran bereits 2015 mit der Administration Barack Obamas in Form des Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) ein für beide Seiten zufriedenstellendes Arrangement erzielt hätte, das Trump jedoch 2018 auf Drängen einiger inzwischen "gefeuerter" Berater - gemeint war vor allem John Bolton, damals Nationaler Sicherheitsberater und ein notorischer Kriegstreiber - aufgekündigt habe. Den USA stünde es jeder Zeit frei, dem JCPOA, dem die anderen beteiligten Staaten - China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, der Iran und Rußland - weiterhin angehörten, wieder beizutreten, so Zarif. Unverblümt offen hat Hesameddin Ashena, Chefberater des iranischen Präsidenten Hassan Rohani, Trump mit einem eigenen Tweet verspottet: "Sie steuern auf eine Niederlage am 3. November zu und wir wissen das. Also werden Sie uns viel mehr anbieten müssen, als es Obama tat!"

Trotz der demonstrativen Abkehr vom JCPOA, den Trump stets als "schlechtesten Deal aller Zeiten" kritisiert hatte, beruft sich aktuell die US-Regierung auf jenes Abkommen, um eine im Oktober anstehende Lockerung der UN-Sanktionen für den Iran, was den Import und Export von konventionellen Waffen betrifft, zu verhindern. Sollte die Lockerung nicht, wie von den USA verlangt, in den kommenden Monaten vom UN-Sicherheitsrat blockiert werden, wird die Trump-Regierung die Washington im JCPOA zustehende Möglichkeit der Verhängung aller diplomatischen und wirtschaftlichen Sanktionen gegen den Iran aktivieren. So lautete die letzte Stellungnahme des Washingtoner State Department unter der Leitung von Mike Pompeo vor einigen Wochen. Gegen das Ansinnen der USA, sich auf ihre "Rechte" nach einem Vertrag zu berufen, den sie selbst längst aufgekündigt haben, laufen Rußland und China Sturm. In einem auf den 27. Mai datierten, gemeinsam Brief an UN-Generalsekretär António Guterres haben die russischen und chinesischen Außenminister Sergei Lawrow und Wang Yi die Drohung der USA, den sogenannten "sanctions snapback" zu aktivieren, um den Iran zu schaden, als "lächerlich und unverantwortlich" bezeichnet. "Das ist absolut inakzeptabel und erinnert fatal an das berühmte englischen Sprichwort: den Kuchen essen und trotzdem bewahren wollen", so Lawrow und Yi.

16. Juni 2020


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang