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NAHOST/1679: Iran - USA avisiert Kriegsbegründung ... (SB)


Iran - USA avisiert Kriegsbegründung ...


Eine Woche, nachdem am 4. Juli die britische Kriegsmarine in der Straße von Gibraltar einen iranischen Öltanker wegen des angeblichen Verdachts des Handels mit Syrien und damit des Verstoßes gegen die Sanktionen der Europäischen Union (EU) aufgebracht bzw. gekapert hat, leisten sich die Matrosen Ihrer Majestät Elizabeth II. die nächste schwere Provokation gegen die Islamische Republik Iran. Am Morgen des 11. Juli meldete das Ministry of Defence in London, wenige Stunden zuvor hätten mehrere Schnellboote der iranischen Revolutionsgarde den Tanker British Heritage bei der Fahrt durch die Straße von Hormus, die den Persischen Golf mit dem Indischen Ozean verbindet und zwischen dem Iran im Norden und Oman im Süden liegt, "bedrängt" und damit gegen internationales Seerecht verstoßen. Nur durch das Auftauchen der königlichen Fregatte HMS Montrose, die "per Funk verbale Warnungen" abgegeben sowie mit ihren Bordkanonen gedroht habe, konnte das gefährliche Treiben der Iraner unterbunden werden, so der Sprecher des MoD. Das Außenministerium in Teheran hat die Angaben aus London als erfundene Geschichte abgetan. Ein Sprecher der iranischen Revolutionsgarden erklärte, ihre Einheiten hätten in der vergangenen Nacht kein Handelsschiff bei der Passage durch die Straße von Hormus gestört, geschweige denn behindert.

Der angebliche "Vorfall" in der Straße von Hormus ereignete sich nicht zufällig zwei Tage, nachdem der ranghöchste Militär der USA, Generalstabschef Joseph Dunford, bei einer Pressekonferenz in Washington die Pläne des Pentagons für eine Überwachung und Begleitung des Schiffsverkehrs durch die amerikanischen Streitkräfte und die ihrer Verbündeten erläutert hatte. Der Auftritt Dunfords erfolgte unmittelbar nach einem Treffen des Vorsitzenden der Vereinigten Stabschefs mit Außenminister Mike Pompeo und dem geschäftsführenden Verteidigungsminister Mark Esper zum Thema Iran-Krise. Vor Journalisten erklärte Dunford, die Regierung von US-Präsident Donald Trump organisiere aktuell eine "Koalition" befreundeter Nationen, die für die "freie Schiffahrt" sowohl in der Straße von Hormus als auch in der Bab Al Mandab, die das Rote Meer mit dem Indischen Ozean verbindet, sorgen und dies notfalls militärisch durchsetzen wolle.

Geht es nach dem Willen der Trump-Administration, sollen die Verbündeten die Kriegschiffe und Mannschaften zur Verfügung stellen, welche jeweils die eigenen Handelsschiffe bei der Durchfahrt durch die Straße von Hormus begleiten. "Wir erwarten, daß die eigentlichen Patrouillen und Begleitfahrten von anderen übernommen werden", während sich das US-Militär auf die Luftüberwachung und die Koordinierung der ganzen Operation konzentriere, so Dunford. Die vom Pentagon ausgedachte Aufgabenverteilung spricht für die Richtigkeit der These jener Militärexperten, die seit einigen Jahren behaupten, Irans umfangreiches Arsenal an hochmodernen Torpedos und ballistischen Raketen stelle für die US-Kriegsmarine, insbesondere die gigantischen Flugzeugträger mit ihrer rund 5000 Mann starken Besatzung, eine akute Gefahr dar. Angeblich hält sich deswegen der Flugzeugträger U. S. S. Abraham Lincoln samt Begleitflotte, den Trumps Nationaler Sicherheitsberater John Bolton im Mai in die Region entsandte, weit draußen im Arabischen Meer, rund 320 Kilometer - 172 Seemeilen - von der Küste Omans entfernt, auf.

Derzeit leidet Irans Wirtschaft unter den Sanktionen, mit denen die US-Regierung nach dem Austritt aus dem Atomabkommen im Mai 2018 die Islamische Republik belegt hat und die sie seitdem immer weiter verschärft. Besonders schwer sind die iranischen Ölexporte, die wichtigsten Devisenbringer des Landes, betroffen. Sie sollen in den letzten 14 Monaten von mehr zwei Millionen Barrel am Tag auf rund 200.000 gesunken sein - für Teheran ein unhaltbarer Zustand. In den letzten Monaten haben verschiedene Vertreter der Regierung in Teheran sowie der Revolutionsgarden damit gedroht, den Öltransport durch die Straße von Hormus vollständig zu blockieren, sollte es Washington gelingen, Irans Ölgeschäfte mit der Außenwelt zum Erliegen zu bringen.

Aktuell schafft es die iranische Handelsmarine durch geschickte Umgehung einiger Seefahrtsregeln wie das Ausschalten der Transponder, die Positionen ihrer Schiffe zwischendurch zu verheimlichen und das Ölgeschäft mit der Volksrepublik China halbwegs aufrechtzuerhalten. Mit Sicherheit ist die Anregung der USA, den Schiffsverkehr in der Straße von Hormus zu "überwachen" bzw. zu "begleiten", dazu gedacht, dieses letzte Schlupfloch der Iraner zu schließen und Trumps "Politik des maximalen Drucks" zum Erfolg zu verhelfen. Nicht umsonst hat Außenminister Pompeo vor einigen Monaten als Ziel ausgewiesen, die iranischen Ölexporte "auf Null" zu reduzieren.

Doch es gibt einen weiteren, möglicherweise noch gewichtigeren Grund, warum der Iran eine Kontrolle des Schiffsverkehrs in der Straße von Hormus durch Schiffe der USA und deren Verbündeten wie Saudi-Arabien und Großbritannien niemals akzeptieren wird. Die Straße von Hormus ist an ihrer engsten Stelle lediglich 39 Kilometer, 21 Seemeilen, breit. Nach dem Seerechtsabkommen der Vereinten Nationen (englisch: United Nations Convention on the Law of the Sea - UNCLOS), dem der Iran und Oman beigetreten sind, steht jedem Unterzeichnerstaat die Hoheit über die Gewässer vor seiner Küste bis zu einer Entfernung von 12 Seemeilen zu. Das bedeutet, jedes Schiff, das die Straße von Hormus passiert, muß iranisches oder omanisches Gewässer durchqueren und hat dabei die Regeln der UNCLOS zu beachten. Die Vereinigten Staaten weigern sich jedoch seit Jahren, der UNCLOS beizutreten, nicht zuletzt deshalb, weil Washington die Territorialansprüche Teherans in der Straße von Hormus nicht anerkennen will. Gleichzeitig ist die Vorstellung, die Iraner würden die Installierung eines maritimen Kontrollregimes dort durch die Amerikaner, Briten und Saudis akzeptieren, mehr als abwegig.

Vor diesem Hintergrund sowie angesichts der festgefahrenen Situation in den Verhandlungen zwischen dem Iran und den europäischen Unterzeichnerstaaten des Atomabkommens - Deutschland, Frankreich und Großbritannien - über verbesserte Handelsbeziehungen für die Islamische Republik scheint es lediglich eine Frage der Zeit zu sein, bis am Persischen Golf der Krieg vollends ausbricht. Im Juni war es dazu nach dem Abschuß eines unbemannten US-Spionageflugzeugs im iranischen Luftraum beinahe gekommen. Man kann nur hoffen, daß die Geheimgespräche, welche nach Angaben der israelischen Onlinezeitung i24NEWS Vertreter des Irans, darunter der Enkel des Revolutionsführers Ajatollah Ruhollah Khomenei, Hassan Khomenei, sowie ranghohe Kommandeure der Revolutionsgarden mit Abgesandten der USA vor einer Woche in der nordirakischen Stadt Erbil geführt haben, doch noch zu einer friedlichen Beilegung der sich zuspitzenden Konfrontation führen werden.

11. Juli 2019


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