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NAHOST/1652: Jemen - Nachtisch für die Saudis ... (SB)


Jemen - Nachtisch für die Saudis ...


Vier Jahre nun dauert die Militärintervention Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) im Jemen an. Was der Welt mit einem Blitzsieg über die schiitischen Huthi-Rebellen die kriegerische Potenz Riads und Abu Dhabis demonstrieren sollte, hat sich für die Saudis und Emirater zur absoluten Blamage entwickelt. Ohne die Rüstungshilfe der USA und Großbritanniens, die Unterstützung von Al Kaida sowie des Einsatzes Tausender von Söldnern aus aller Herren Ländern hätten die Initiatoren des Jemenkriegs ihre Segel längst streichen müssen. Doch um das Gesicht zu wahren, setzen sie ihren Kriegskurs ohne die geringste Rücksicht auf die Zivilbevölkerung des Jemen fort.

Bei einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats zum Thema der festgefahrenen Friedensverhandlungen zwischen den Huthis in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa und der von Riad und Abu Dhabi protegierten Alternativregierung in der südlichen Hafenstadt Aden gab am 12. März UN-Kinderhilfswerkdirektor Mark Lowcock neue Zahlen bekannt, welche das Ausmaß der "schwersten humanitären Krise" unserer Zeit verdeutlichen. Demnach sind 24 von 28 Millionen Jemeniten - also 80 Prozent der Bevölkerung - zum Überleben auf humanitäre Hilfe angewiesen; 10 Millionen von ihnen stehen "einen Schritt vor der Hungersnot entfernt", weitere 240.000 leiden unter bzw. sterben bereits an "katatrophalen Hungerzuständen". Eine baldige Linderung der Situation ist nicht in Sicht. Die monatelangen Verhandlungen über einen eventuellen Rückzug der Huthis aus der schwerumkämpften Hafenstadt Hudeida am Roten Meer, über die die Nordwesthälfte des Jemen mit Lebensmitteln, Medikamenten und anderen Dingen mehr schlecht als recht versorgt wird, treten auf der Stelle.

Zu dieser schrecklichen Situation hätte es gar nicht kommen müssen, glaubt man den Aussagen, die der iranische Außenminister Javad Zarif Ende Februar in Teheran gegenüber Vertreterinnen der amerikanischen Friedensorganisation CODE PINK - Women for Peace gemacht hat. In einem aufschlußreichen Artikel, der am 14. März bei Consortiumnews.com erschienen ist, zitierte die ehemalige US-Armeeoffizierin und Diplomatin Anne Wright Zarif ausführlich über dessen Bemühungen, den Konflikt im Jemen kurz nach dem Ausbruch Ende März 2015 doch noch im Keim zu ersticken. Damals rangen Zarif und Barack Obamas Außenminister John Kerry in Genf um die letzten Formulierungen jenes internationalen Atomvertrags, der im Juli 2015 als Joint Comprehensive Plan Of Action (JCPOA) von den Außenministern des Irans, der fünf ständigen Mitgliedsstaaten des UN-Sicherheitsrats - China, Frankreich, Großbritannien, Rußland, die USA - und Deutschlands unterzeichnet werden sollte mit dem Zweck, die Konfrontation Teherans mit dem Westen ein für allemal zu begraben. Gegenüber Wright und ihren Mitstreiterinnen gab Zarif seine Erinnerungen an das damalige Geschehen so wieder [in der Übersetzung des SB aus dem Englischen]:

John Kerry und ich waren uns einig, daß wir den Krieg beenden müßten. Zu dem Zeitpunkt war Adel Al Dschubeir, der Botschafter Saudi-Arabiens, in Washington. Nachdem wir am zweiten oder am dritten April eine Einigung erzielt hatten, kehrte John Kerry nach Washington zurück, wo er mit Al Dschubeir sprach. Der wiederum ging nach Saudi-Arabien zurück und bekam grünes Licht für einen Waffenstillstand im Jemen. Und er [Kerry] informierte mich, daß eine Feuerpause in Ordnung wäre. Ich habe sofort die Huthis kontaktiert und deren Zustimmung zum Waffenstillstand eingeholt. Wir reden hier von April 2015. Bald werden es vier Jahre gewesen sein.

Dann nahm ich eine Maschine nach Indonesien ... Ich sagte meinem Stellvertreter, er solle auf den Anruf von John Kerry warten, der die Einigung bestätigen würde. Wir landeten acht Stunden später in Indonesien. Ich rief Außenminister Kerry an und fragte ihn, was passiert war. Er sagte, 'die Saudis haben einen Rückzieher gemacht. Sie glauben, sie können einen militärischen Sieg innerhalb von drei Wochen erreichen'. Ich sagte ihm, sie würden keinen militärischen Sieg erzielen - weder in drei Wochen noch in drei Monaten noch in drei Jahren. Doch der sagte, 'was kann ich machen? Ich habe von denen die Schnauze voll. Sie bewegen sich nicht'. Woraufhin ich sagte, 'schön, immerhin haben wir es versucht'.

Am nächsten Tag, genau am nächsten Tag, hat ausgerechnet Präsident Obama eine öffentliche Erklärung abgegeben, in der er den Iran bezichtigte, sich im Jemen einzumischen. Am Tag darauf habe ich denen gesagt, 'nun ja, sie könnten nicht ihre Verbündeten für einen Waffenstillstand gewinnen, doch warum schieben sie uns die Schuld zu? Sie wollen nicht ihre Verbündeten bezichtigen - in Ordnung -, aber weshalb machen sie uns verantwortlich?'.

Die These, iranische Umtriebe im Jemen hätten ein Eingreifen Saudi-Arabiens und der VAE dort erforderlich gemacht, wird seitens Washingtons und Riads bis heute vertreten - und das um so energischer, seit Obamas Nachfolger Donald Trump im Mai 2018 den einseitigen Austritt der USA aus dem JCPOA verkündet und ein Wiederinkrafttreten sämtlicher Finanz- und Wirtschaftssanktionen Washingtons gegen den Iran verfügt hat. Angesichts der desolaten Lage im Jemen hat am 13. März der US-Senat in Washington mit 54 zu 46 Stimmen für die Beendigung sämtlicher Militärhilfe des Pentagons, ohne die Saudi-Arabien und die VAE den Jemenkrieg nicht allzulang fortführen könnten - Stichwort Luftbetankung - votiert. Präsident Trump hat bereits mit einem Veto für den Fall gedroht, falls die Abgeordneten des Repräsentantenhauses mehrheitlich der Entscheidung des Senats folgen.

Auf einer Pressekonferenz am 15. März hat Trumps Außenminister Mike Pompeo heftige Kritik am Ausgang der Jemen-Abstimmung im Senat geübt. Machten sich die Senatoren "ernsthafte Sorgen um das Leben der Jemeniten", würden sie "den Kriegseinsatz" der von Saudi-Arabien angeführten sunnitischen Militärallianz begrüßen, denn dies "verhindert, daß der Jemen zum Marionettenstaat der korrupten, brutalen Islamischen Republik Iran" werde; der einzige Weg, "das Leiden des jemenitischen Volks zu lindern", sei sicherzustellen, daß die Saudis den Krieg gewinnen und damit "einen gerechten Frieden sichern", so der ehemalige CIA-Direktor.

Eins steht fest, die seit 2015 laufende Verwandlung des bitterarmen Jemen in ein Schlachthaus geht mit dem Aufstieg Saudi-Arabiens zum größten Waffenimporteur der Welt einher. Der erste Auslandsbesuch Trumps als Präsident im Mai 2017 führte den New Yorker Baulöwen bekanntlich nach Riad, wo er nach einem hochpeinlichen Schwerttanz Waffendeals in Höhe von 100 Milliarden Dollar für seine Amigos daheim einfädelte. Saudi-Arabiens De-Facto-Regierungschef Kronprinz Mohammed Bin Salman, der Chefarchitekt des Jemenkriegs, spielt in den strategischen Plänen der USA sowie Israels eine zu bedeutende Rolle, als daß man ihn an die Kandare nehmen, geschweige denn fallen lassen will.

In einem Beitrag für die konservative US-Zeitschrift The National Interest, der am 14. März erschienen ist, mißt Journalist Nasser Arrabyee, Gründer des in Sanaa ansässigen, arabischsprachigen Onlineportals Yemen Alaan, der Jemen-Resolution des Washingtoner Senats lediglich symbolische Bedeutung bei:

Alle Bemühungen des Kongresses, darunter auch diese, helfen dem Jemen nur insoweit, als daß sie die amerikanische Öffentlichkeit darüber informieren, daß im Jemen der Krieg tobt, und sie die Effektivität der irreführenden, verlogenen Propaganda über das, was im Jemen passiert und die saudische Lobby den Entscheidungsträgern in teuren Washingtoner Restaurants verklickert, verringern. Mehr ist nicht zu erwarten.

Diese Resolution wird die Saudis lediglich in eine gewisse Erklärungsnot bringen und sie dazu zwingen, noch mehr zu bestechen und mehr zu erpressen. Selbst wenn sie vom Senat mit Zweidrittelmehrheit verabschiedet und das Veto [Trumps] ausgehebelt wird, geht es beim Krieg im Jemen allein um das Streben Mohammed Bin Salmans, sich auf den Rücken der Jemeniten als der mächtige Herrscher Saudi-Arabiens zu präsentieren. Trump ist damit einverstanden, solange MBS "unser Mann in Riad" bleibt. Doch das schmutzige saudische Geld steckt hinter den Verzögerungen [in Hudeida]. Welche Lobbyisten geben in den USA mehr aus als die Saudis? Keine.

19. März 2019


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