Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → REDAKTION


NAHOST/1609: Iran - im Auge des Jägers ... (SB)


Iran - im Auge des Jägers ...


Mit dem einseitigen Austritt aus dem Atomabkommen mit dem Iran im Mai und der Verhängung erster Sanktionen gegen die Islamische Republik bei Dollargeschäften sowie Handel mit Edelmetallen am 6. August haben die USA die Lunte für einen großen Krieg am Persischen Golf gelegt. Bis zum 4. November will Washington die Ölexporte des Irans erklärtermaßen "auf Null" reduziert haben. Die Absicht ist klar; mit einer Politik des "maximalen Drucks" soll die iranische Wirtschaft dermaßen in den Ruin getrieben werden, daß sich die Bevölkerung gegen die religiöse Führung in Teheran auflehnt und für einen "Regimewechsel" sorgt. Jenes Wunschszenario der pro-israelischen Neocons in der Regierung Donald Trumps wird jedoch aufgrund des persischen Nationalstolzes nicht in Erfüllung gehen. Bleiben die USA bei ihrem Vorhaben, Teheran in die Ecke zu treiben, werden sich die Iraner gezwungen sehen, von ihrem Recht auf Selbstverteidigung Gebrauch machen.

In den letzten Wochen hat das gegenseitige Säbelrasseln deutlich zugenommen. Auf die Ankündigung von Präsident Hassan Rohani, der Versuch, den Iran vom internationalen Ölhandel auszuschließen, würde unweigerlich die "Mutter aller Kriege" auslösen, drohte Trump am 22. Juli der Führung in Teheran per Twitter mit "FOLGEN, WIE SIE KAUM EIN LAND IN DER GESCHICHTE JEMALS ERLITTEN" habe (Großschreibung im Original - Anmerkung der SB-Redaktion). Wenige Tage später schlug der New Yorker Immobilienmagnat versöhnlichere Töne an und erklärte sich bereit, Verhandlungen ohne Vorbedingungen mit den Iranern zu führen.

Dafür hatte man in Teheran nur Spott übrig. Präsident Rohani erklärte, die USA seien für den Iran solange keine Gesprächspartner, bis sie ihren Verpflichtungen gemäß des Atomabkommens, des Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA), nachkämen. Ajatollah Ali Khamenei, das geistliche Oberhaupt des Irans, wurde noch deutlicher. Er tat jene Verhandlungen mit der Regierung Barack Obamas, die 2015 zum Abschluß des JCPOA geführt haben, als strategischen "Fehler" Teherans ab, beschimpfte die Amerikaner als Blender, verbat sich weitere Gespräche mit Vertretern Washingtons und erklärt sich zu 100 Prozent mit der Idee einer Blockade jeglichen Schiffsverkehrs durch die Straße von Hormus bereit, sollte Irans Ölhandel schwer beeinträchtigt werden.

Doch selbst in Washington dauerte es nur wenige Stunden, bis Außenminister Mike Pompeo und der Nationale Sicherheitsberater John Bolton das überraschende Gesprächsangebot ihres Präsidenten dermaßen relativiert und abgeschwächt hatten, daß davon praktisch nichts übrig blieb. Bolton, der unter George W. Bush als der für Rüstungskontolle - Stichwort "Massenvernichtungswaffen" - zuständige Staatssekretär im Außenministerium 2003 für den illegalen Einmarsch amerikanischer und britischer Streitkräfte in Irak mitverantwortlich war und später als UN-Botschafter die Bemühungen von Vizepräsident Dick Cheney, einen militärischen Konflikt mit dem Iran herbeizuführen, stets nach besten Kräften unterstützte, gilt heute als Schlüsselfigur im Weißen Haus.

Vor diesem Hintergrund lieferte Pompeos Bekanntmachung vom 16. August über die Schaffung einer Iran Action Group im State Department Anlaß zur höchsten Sorge. Die Leitung der neuen Aktionsgruppe Iran hat Brian Hook inne, der als Kriegsfalke und ideologischer Gefährte Boltons bekannt ist. Als Bolton vor zwölf Jahren die USA im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen vertrat, war Hook seine rechte Hand. Zu seiner Ernennung erklärte Hook, er und sein Team würden eine "globale Anstrengung" unternehmen, um "das Verhalten des iranischen Regimes zu ändern", denn Teheran hätte sich in den letzten Jahren als Quelle von "Instabilität und Gewalt" hervorgetan.

Der in Washington ansässige National Iranian American Council (NIAC), der sich seit langem für bessere Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und der Islamischen Republik einsetzt, zeigte sich entsetzt über die Maßnahme Pompeos. Im Namen der Denkfabrik erklärte NIAC-Präsident Jamal Abdi: "Die Iran Action Group erinnert fatal an die Phase vor dem Irakeinmarsch 2003, als die Administration von George W. Bush im Pentagon das 'Office of Special Plans' kreierte, das nachrichtendienstliche Erkenntnisse manipulierte und Argumente für einen blutigen Krieg präsentierte. Es ist höchst alarmierend, daß Brian Hook, eine Person, die sich ihrer Verbindungen zu Bolton rühmt, beauftragt wird, Spannungen mit dem Iran zu schüren und diplomatische Öffnungen zu sabotieren."

Noch am Tag, als die Aktionsgruppe Iran eingesetzt wurde, gab dessen Chef dem Wall Street Journal ein Interview, in dem er China mit Sekundärsanktionen drohte, sollte die Volksrepublik - bekanntlich der größte Abnehmer iranischen Öls - ihre Handelsbeziehungen zur Islamischen Republik nicht überdenken und die Energieimporte von dort nicht drastisch drosseln. Hook verlangte von "allen Ländern vollständige Einhaltung" des amerikanischen Sanktionsregimes und drohte mit schweren Strafmaßnahmen bei Nicht-Beachtung. Im Unterschied zu den europäischen Unterzeichnerstaaten des Atomabkommens - Deutschland, Frankreich und Großbritannien - pochen Rußland und China auf dessen Erfüllung und Beachtung. In dem Austritt der USA und deren Drohung mit Sanktionen sehen Moskau und Peking Wild-West-Methoden, derer sich zu unterwerfen sie prinzipiell nicht bereit sind. Dies machte laut der Nachrichtenagentur Xinhua der chinesische Außenminister Wang Yi am 17. August beim Telefonat mit seinem iranischen Amtskollegen Mohammad Javad Zarif unmißverständlich klar.

Die Weigerung Pekings, den Iran fallen zu lassen bzw. auf Distanz zu Teheran zu gehen, hat eine einfache Erklärung. Zum einen befindet sich China auf Betreiben Trumps seit einigen Monaten in einem schweren, sich aufschaukelnden Handelskrieg mit den USA. Zum anderen erkennen die Chinesen hinter der amerikanischen Konfrontation mit Teheran das Bestreben der USA, dort ein eigenes Vasallenregime zu installieren und den großen Reichtum des Irans an fossilen Energieträgern für sich zu erbeuten. Nicht umsonst kommt die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in einer Studie vom 13. Juli zu dem Schluß, daß sich die USA, sollten die Wirtschaftssanktionen in den kommenden Monaten nicht zum erwünschten "Regimewechsel" in Teheran führen, genötigt sehen könnten, gegen den Iran militärisch vorzugehen, allein um das Land dem wachsenden chinesischen Einfluß zu entreißen. Über diesen beunruhigenden Umstand berichtete am 17. August German Foreign Policy unter der passenden Überschrift "Golfkrieg gegen China".

20. August 2018


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang