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NAHOST/1606: Iran - nationaler Schulterschluß gegen die USA ... (SB)


Iran - nationaler Schulterschluß gegen die USA ...


Im Persischen Golf stehen die Zeichen eindeutig auf Krieg. Den Auftakt zur Konfrontation machte Präsident Donald Trump, als er am 8. Mai den einseitigen Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran aus dem Jahr 2015 verkündete und diverse amerikanische Finanz- und Handelssanktionen wieder in Gang setzte. Mit der Abkehr von der Aussöhnungspolitik Barack Obamas gegenüber dem Iran verfolgt Trump auf Drängen seiner neokonservativen Berater sowie der konservativen Regierung Benjamin Netanjahus in Israel das Ziel eines Regimewechsels in Teheran. Zu diesem Zweck sollen die Iraner wirtschaftlich dermaßen in die Not getrieben werden, daß sie sich gegen die "Mullahs" erheben und sie stürzen. Doch alles spricht dafür, daß sich die Islamische Republik des Irans als recht widerstandsfähig erweist und Washingtons Eskalation in einen großen Krieg mündet, der die Strafexpeditionen des Pentagons gegen Saddam Husseins Irak 2003 und Muammar Gaddhafis Libyen 2011 weit in den Schatten stellen wird.

Der Austritt der USA aus dem Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA), zu dessen Unterzeichner auch China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Rußland gehören, hat die iranische Wirtschaft hart getroffen. Viele europäische Großunternehmen, die Projekte im Iran angepeilt hatten, treten davon entweder zurück oder wollen von ihren früheren Investitionszusagen nichts mehr wissen. Die Hoffnung, die EU würde den betroffenen Unternehmen rechtlichen Schutz vor amerikanischen Strafmaßnahmen garantieren, ist nicht in Erfüllung gegangen. Allen Bekenntnisse der Europäer zu ihren eigenen "Werten" und aller Kritik aus Berlin, Brüssel, London und Paris über das selbstherrliche Verhalten Trumps zum Trotz wagt auf dem "alten Kontinent" niemand, dem großen NATO-Verbündeten Amerika zu widersprechen, geschweige denn gegen die unfaire Behandlung des Irans zu protestieren.

Es sei an dieser Stelle angemerkt, daß die Internationale Atomenergieagentur (IAEA) seit 2015 dem Iran einhundertprozentige Einhaltung seiner Verpflichtungen nach dem JCPOA bescheinigt hat. Die Amerikaner und die Europäer dagegen sind diejenigen, die vertragsbrüchig geworden sind, denn die Teheran in Aussicht gestellte Verbesserung der Handelsbeziehungen ist ganz und gar nicht in Erfüllung gegangen. Niemand konnte sicher sein, daß die vom Demokraten Obama und seinem Außenminister John Kerry eingeleitete Wende in den Beziehungen zwischen Washington und Teheran Bestand haben würde. Netanjahu und seine zionistischen Freunde im US-Kongreß waren stets gegen den Atomvertrag. Mit dem Republikaner Trump haben sie seit Januar 2017 einen Präsidenten im Weißen Haus, der den von ihnen favorisierten "harten" Kurs gegenüber dem Iran verfolgen wird.

Noch im Juni hatte das US-Außenministerium alle Länder der Welt aufgefordert, bis November den Import von iranischem Öl "auf Null" herunterzufahren. Die Strangulationspolitik Washingtons zeigt inzwischen erste Wirkung. Der iranische Rial befindet sich im freien Fall und verliert gegenüber dem Dollar massiv an Wert. Ende Juni kam es deswegen zu dreitägigen Demonstrationen in Teheran, an denen die Händler des dortigen Bazaars maßgeblich beteiligt waren. Anfang Juli brachen in mehreren südlichen Provinzen Proteste aus. Auslöser war Wasserknappheit infolge einer Jahrhundertdürre, doch wurden auch regimekritische Parolen skandiert.

Am Wochenende des 30. Juni, 1. Juli fand in Paris eine Tagung der oppositionellen iranischen Volksmudschaheddin (MEK), die bekanntlich seit Jahren aus dem europäischen Exil heraus im Auftrag des Mossads und der CIA Attentate und andere Aktionen im Iran durchführt, statt. An der Konferenz nahmen mehrere namhafte US-Politiker teil, darunter Trumps Anwalt, der republikanische Ex-Bürgermeister von New York Rudolph Giuliani, sowie die Anführerin der demokratischen Minderheitsfraktion im Repräsentantenhaus Nancy Pelosi. Unter großem Beifall der MEK-Delegierten erklärte Giuliani bei seinem Auftritt, die jüngsten Proteste im Iran seien natürlich "nicht spontan", wenn alles gut liefe, würde man die Konferenz nächstes Jahr in Teheran abhalten können. Für die Richtigkeit zumindest des ersten Teils der Aussage Giulianis spricht eine Meldung des israelischen Nachrichtensenders Channel 10 vom 3. Juni, wonach Washington und Tel Aviv vor einigen Wochen eine gemeinsame Arbeitsgruppe gebildet haben, deren einzige Aufgabe in der Destabilisierung des Irans besteht.

Wie der Zufall so will, hat an jenem Wochenende die Polizei in Belgien zwei Iraner festgenommen, die angeblich einen Bombenanschlag auf die MEK-Tagung vorbereiteten. Zudem wurde in Deutschland ein Mitglied des iranischen Botschaftspersonals in Wien verhaftet, der angeblich mit den beiden Männern etwas zu tun gehabt hat. Teheran hat die ganze Episode in Belgien als eine fingierte Geschichte der MEK abgetan, die den Besuch des iranischen Präsidenten Hassan Rohani in Europa überschatten sollte. Seinerseits hat Rohani nicht vor deutlichen Worten an die Adresse der USA gespart. Bei einer Pressekonferenz am 3. Juni in der Schweizer-Hauptstadt Bern erklärte er, der Iran werde keine Situation zulassen, in der es als einziges Land am Persischen Golf kein Öl auf dem Weltmarkt absetzen könne.

Mit der verklausulierten Drohung, die Straße von Hormus für den Schiffsverkehr zu schließen, hat der Reformer Rohani die Hardliner im eigenen Land hinter sich gebracht. Es gab ausdrücklichen Lob seitens Qassem Suleimani, dem legendären Anführer der Quds-Brigade der iranischen Revolutionsgarde, der dem Obersten Führer Ali Khamenei nahesteht und seit Jahren das militärische Engagement des Irans beim "Antiterrorkampf" in Syrien und dem Irak koordiniert. Am 5. Juni hat sich Mohammad Ali Dschafari, der Oberbefehlshaber der iranischen Revolutionsgarde, gegenüber der halbstaatlichen Nachrichtenagentur Tasmin zuversichtlich gezeigt, die Drohung Rohanis in die Tat umsetzen zu können: "Wir werden dem Feind zu verstehen geben, daß entweder alle die Straße von Hormus befahren können oder keiner."

Irans Hardliner haben offenbar erkannt, daß Rohani, der sich jahrelang unermüdlich für das Atomabkommen und bessere Beziehungen zum Westen einsetzte, den Iran nach außen hin am besten vertreten kann, wenn es zum großen Showdown mit den USA - und Israel - kommen sollte. So schnell werden die westlichen Medien den stets freundlich auftretenden Rohani wohl kaum zum neuen Hitler aufbauschen können. Währenddessen bemüht sich Teheran fieberhaft, seine Handelsbeziehungen, vor allem seine Ölexporte nach China und Indien, die beiden wichtigsten Abnehmerländer, aufrechtzuerhalten. In China gelten die Ausfuhrssanktionen für iranisches Öl und Gas als Teil jenes schweren Handelskrieges, den Trump ohnehin gegen die Volksrepublik vom Zaun gebrochen hat. Neu-Delhi versucht indessen, aus der neuen Situation den besten Deal für sich herauszuholen und laviert. Südkorea, bisher Irans drittgrößter Ölabnehmer, hat sich durch Trumps Friedensavancen gegenüber Nordkorea offenbar bestechen lassen. Wie die Nachrichtenagentur Reuters am 3. Juni meldete, sind die Südkoreaner dabei, den Iran als Ölquelle durch Kasachstan zu ersetzen.

6. Juli 2018


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