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NAHOST/1594: Jemen - subversiv bis offensichtlich ... (SB)


Jemen - subversiv bis offensichtlich ...


Entgegen gelegentlicher Meldungen über angebliche, durch die Vereinten Nationen vermittelte Geheimgespräche zwischen Saudi-Arabien und den schiitischen Huthi-Rebellen, um den Konflikt im Jemen zu beenden, schreitet im Südwesten der arabischen Halbinsel die Eskalation des Krieges voran. Am 3. Mai wartete die New York Times mit der spektakulären Enthüllung auf, daß seit Ende letzten Jahres US-Bodentruppen am Jemenkrieg beteiligt sind. Im Kongreß fühlen sich Abgeordnete und Senatoren düpiert, hieß es aus dem Pentagon doch stets - zuletzt bei öffentlichen Anhörungen im März - die militärische Unterstützung der USA für Saudi-Arabien im Jemen-Krieg beschränke sich ausschließlich auf Logistik, Luftbetankung und Aufklärung.

Als im März 2015 eine von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten geführte Militärkoalition in die jemenitische Innenpolitik eingriff, um dem Ende 2014 von den Huthis gestürzten Interimspräsidenten Abd Rabbu Mansur Hadi wieder zur Macht zu verhelfen, verfaßte Barack Obamas Nationale Sicherheitsberaterin Susan Rice ein Memorandum, das den Rahmen des militärischen Engagements der USA beschreiben und gleichzeitig eingrenzen sollte. Neben den bereits erwähnten Hilfeleistungen fand im sogenannte Rice Memo auch die Sicherung der saudischen Grenze zum Jemen ausdrückliche Erwähnung.

Dahinter verbarrikadiert sich nun das US-Verteidigungsministerium. In einer ersten Reaktion auf besagten NYT-Bericht hieß es, die rund ein Dutzend Green Berets, bekanntlich die Elitestreitkräfte des US-Heeres, die man im Dezember 2017 in den saudischen Südwesten entsandt habe, unterstützten lediglich die Truppen Riads bei der Sicherung der Staatsgrenze. Damit suggerierte das Pentagon, die Aussage von CENTCOM-Chef General Joseph Votel auf Befragung durch den Kongreß im März, die Funktion der US-Bodenstreitkräfte in Saudi-Arabien beschränke sich auf Beratung, ihnen kämen keine Kampfaufgaben zu, sei damals und heute noch gültig.

Das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Die Green Berets wurden mit dem Auftrag nach Saudi-Arabien entsandt, den Beschuß von saudischen Städten, Flughäfen, Militärinstallationen und vor allem Ölraffinerien zu verhindern. Seit Beginn des Krieges haben die Huthis mehr als 100 ballistische Raketen auf Ziele in Saudi-Arabien abgefeuert. Die Beschußrate nimmt sogar zu. Allein in den ersten vier Monaten dieses Jahres waren es mehr als 30 Raketen - soviel wie im gesamten Jahr 2017. Saudi-Arabien und die USA werfen dem Iran vor, die schiitischen Glaubensbrüder im Jemen mit Raketen zu beliefern, sind hierfür bislang jedoch den stichhaltigen Nachweis schuldig geblieben. Teheran unterstützt die Huthis diplomatisch und moralisch, weist jedoch den Vorwurf der Rüstungshilfe entschieden zurück. In der Tat scheinen die Huthis längst selbst in der Lage zu sein, die früheren, aus der Sowjetunion stammenden Raketentypen der jemenitischen Armee nachzubauen.

Um diese Gefahr zu beseitigen, müssen die Green Berets die entsprechenden Werkstätten, Raketenlager und/oder mobilen Abschußrampen ausfindig machen und zerstören. Zu diesem Zweck sind sie mit eigenen Drohnen und Flugzeugen ausgestattet. Auch wenn am Ende der ganzen Prozedur die Vernichtungsaktion mittels Luftangriffen - etwa durch die saudische Luftwaffe - durchgeführt wird, kann man davon ausgehen, daß sich Amerikas "Ledernacken" heimlich in den Nordjemen hineinbegeben, um das erforderliche Ausspähen der Ziele zu verrichten. Hierfür spricht eine hochinteressante Ausschreibung, die am 30. April auf der US-regierungseigenen Website FedBizOpps erschienen ist und worüber am 2. Mai die Onlinezeitschrift Time.com ausführlich berichtet hat.

In der Anzeige werden private Militärdienstleistungsunternehmen gesucht, die in der Lage sind, zwei Transportflugzeuge und zwei Transporthubschrauber rund um die Uhr bereitzuhalten und bei Bedarf Spezialstreitkräfte, die bei Einsätzen im Jemen in Schwierigkeiten geraten, herauszuholen. Als primärer Stützpunkt, von wo aus solche Missionen geflogen werden sollten, wird Camp Lemonnier, der US-Luftwaffenstützpunkt in Dschibuti, auf der afrikanischen Seite des Roten Meers, neben den amerikanischen Militäreinrichtungen Ali Al Salem Air Base in Kuwait und Al Udeid Air Base in Katar, genannt. Auch wenn es bislang keine Bestätigung für ein Eindringen der Green Berets in den von den Huthis kontrollierten jemenitischen Norden gibt, so hat der Demokrat Tim Kaine aus Virginia, Vorsitzender des Verteidigungsauschusses des Senats, doch das Pentagon bezichtigt, mit der Mission an der saudisch-jemenitischen Grenze "die Linie zwischen Ausbilden und Ausrüsten auf der einen Seite und Kämpfen auf der anderen mit Absicht zu verwischen".

Die Enthüllung der New York Times stellt nur eines von mehreren Indizien für eine Verschärfung des Jemen-Konflikts dar. Hatte die US-Luftwaffe 2016 im letzten Amtsjahr Obamas als Präsident lediglich 36 Luftangriffe auf Al-Kaida-Ziele im Jemen durchgeführt, so waren es 2017, dem ersten Amtsjahr Donald Trumps, 130. Aktuell nehmen die Kämpfe um die strategisch wichtige Stadt Taiz, die zwischen der von Huthis kontrollierten Hauptstadt Sanaa im Norden und der von Saudi-Arabien und den VAE kontrollierten Hafenmetropole Aden im Süden liegt, an Heftigkeit zu. Ende März hat die saudische Luftwaffe bei einem Raketenangriff auf eine Hochzeitsfeier in Sanaa 33 Menschen getötet. Wenige Tage später kamen 38 Huthi-Rebellen beim Luftangriff auf das Innenministerium in Sanaa um Leben.

Noch Mitte April war es den Saudis gelungen, bei Luftangriffen um die Hafenstadt Hudeida am Roten Meer Saleh Al Samad, Mitglied des Führungkomitees der Huthi-Bewegung Ansarullah, zu töten. Al Samad hatte zuletzt die Verteidigung Hudeidas befehligt, über das der Nordjemen noch mit ausländischen Lebensmitteln und Medikamenten versorgt wird. Als Vergeltung für das Ableben Al Samad drohen die Huthis ihrerseits, den saudischen Kronprinzen, Verteidigungsminister und Thronfolger Muhammed Bin Salman umzubringen.

7. Mai 2018


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