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NAHOST/1582: Washington - Trump-Netanjahus Selbstrettungsbündnis ... (SB)


Washington - Trump-Netanjahus Selbstrettungsbündnis ...


Im Oval Office empfing Donald Trump am 5. März seinen "guten Freund" Benjamin Netanjahu. Beide Männer stehen innenpolitisch mit dem Rücken an der Wand. Gegen den israelischen Premierminister wird in mehreren schweren Korruptionsfällen polizeilich ermittelt. Gleichzeitig droht Netanjahus Regierungskoalition an der Forderung der Partei Vereinigtes Thora-Judentum nach einer Gesetzesregelung, die ultra-orthodoxe Talmud-Studenten vom Wehrdienst befreit, auseinanderzubrechen, was Neuwahlen für die Knesset erforderlich machen würde.

Im Weißen Haus Trumps herrscht ein chaotisches Personalkarussell. Sonderermittler und Ex-FBI-Chef Robert Mueller versucht herauszufinden, ob der New Yorker Immobilienmagnat bei der Präsidentenwahl 2016 unzulässige Hilfe von russischer Seite erhalten hat. Am 27. Februar hat Trumps Chefberater und Nahost-Beauftragter Jared Kushner auf Anweisung von Stabschef John Kelly den Zugang zu Regierungsmaterial der höchsten Geheimhaltungsstufe verloren. Der Ehemann von Trump-Tochter Ivanka, mit dessen Familie Netanjahu seit langem befreundet ist, steht in dringendem Verdacht, im vergangenen Sommer Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate zu einer diplomatischen und wirtschaftlichen Offensive gegen Katar angestiftet zu haben, nachdem die Königsfamilie Al Thani in Doha die Gelegenheit ausgeschlagen hatte, die Kredite der Kushner-Baugruppe für die leerstehende Prestigeimmobilie 666 Fifth Avenue in Manhattan in Höhe von 1,2 Milliarden Dollar zu refinanzieren.

Mit dem Amtsantritt von Trump als Präsident im Januar 2017 ist es zu einer außerordentlichen Vertiefung der strategischen Partnerschaft zwischen den USA und Israel gekommen. Statt wie all seine Vorgänger zumindest so zu tun, als vermittle man zwischen Israelis und Palästinensern, hat sich Trump voll auf die israelische Seite gestellt. Kritik am jüdischen Siedlungsbau im besetzten Westjordanland ist aus Washington nicht mehr zu hören. Das Gegenteil ist der Fall. Trump hat Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannt und damit gezielt gegen den Standpunkt praktisch aller anderen UN-Mitgliedsstaaten, denen zufolge die heilige Metropole Hauptstadt sowohl Israels als auch eines eventuellen palästinensischen Staates werden sollte, verstoßen. Um seine Version der Dinge Wirklichkeit werden zu lassen, hat Trump vor kurzem die offizielle Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem bis Mai angeordnet, weswegen Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas ihn als Lügner und Schwindler beschimpft hat.

Bei ihrem mehrstündigen Treffen im Oval Office sollen Trump und Netanjahu nach Angaben des israelischen Premierministers nicht mehr als 15 Minuten über die palästinensische Frage gesprochen haben. Bei der anschließenden Pressekonferenz machte Trump aus seiner arroganten Haltung den Palästinensern gegenüber keinen Hehl. Ihm zufolge boykottieren Abbas und die palästinensische Autonomieverwaltung (PA) derzeit die Friedensverhandlungen; sie müßten an den Verhandlungstisch zurückkehren - nachdem er im Sinne einer längst fälligen Flurbereinigung den strittigen Punkt Jerusalem vom Tisch gewischt habe. "Und sollten sie es nicht tun, wird es keinen Frieden geben; das ist auch eine Möglichkeit", so der stets von sich eingenommene Trump zu den anwesenden Medienvertretern.

Zentrales Diskussionsthema der beiden Macher war laut Netanjahu "Iran, Iran, Iran". Vor der Presse verwies Israels Premierminister auf Trumps Ultimatum, demzufolge das unter der Leitung der Regierung Barack Obamas von den USA, Deutschland, China, Frankreich, Großbritannien und Rußland 2015 mit dem Iran geschlossene Atomabkommen neu ausgehandelt werden müsse, sonst würden die USA im Alleingang neue Sanktionen gegen Teheran verhängen. Netanjahu erklärte, der Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA), so der offizielle Titel des Vertrags, müsse "entweder völlig korrigiert oder ganz aufgekündigt" werden; Trump habe die vom Iran ausgehende Bedrohung erkannt, so Netanjahu. In dieser Angelegenheit seien die beiden Regierungschefs "einer Meinung".

Gemäß der Vorgabe aus Washington haben die drei europäischen Unterzeichnerstaaten des JCPOA - Deutschland, Frankreich und Großbritannien - bereits Gespräche mit dem Iran über mögliche Verbesserungen des Vertrages aufgenommen. Eine erste Runde fand nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz Ende Februar statt. Auch wenn sich Teheran diskussionsbereit zeigt, ist der Spielraum für Präsident Hassan Rohani kaum bis gar nicht existent. Bereits jetzt beklagen die Iraner, daß die Amerikaner ihren Teil der Abmachung nicht einhielten, indem sie ausländische Unternehmen von Geschäften mit iranischen Partnern mittels Sanktionsandrohungen abschreckten. Der Iran geht mit eigenen Forderungen in die künftigen Verhandlungen, die zu erfüllen keine der fünf UN-Vetomächte - China, Frankreich, Großbritannien, Rußland und USA - bereit sein dürfte. Am 3. März erklärte Brigadegeneral Massud Jazajeri, Sprecher der iranischen Streitkräfte, gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA, eine Verkleinerung des Raketenarsenals würde es nur bei gleichzeitiger Verschrottung der Nuklearwaffen der offiziellen Atommächte geben.

In den letzten Monaten hat der Vormarsch der Syrischen Arabischen Armee (SAA), die bekanntlich Militärhilfe von Rußland, dem Iran und der schiitisch-libanesischen Hisb-Allah-Miliz erhält, gegen die meist islamistischen Rebellen in Syrien die Funktionselite in Israel in eine regelrechte Hysterie gestürzt. Die Rede ist von unterirdischen iranischen Raketenfabriken in Syrien bzw. Stellungen der Revolutionsgarden nahe den von Israel seit 1967 besetzten Golan-Höhen. Netanjahu hat die iranische Präsenz in Syrien zu einer existentiellen Bedrohung Israels erklärt, gegen die früher oder später militärisch vorgegangen werden müsse.

Vor der zunehmenden Gefahr eines von Israel initiierten Kriegs der USA gegen den Iran warnen ehemalige amerikanische Geheimdienstmitglieder und Militärs. Bei einer Tagung im Washingtoner Press Club am 2. März unter der Schirmherrschaft des Institute for Research: Middle East Policy und des Washington Report on Middle East Affairs hat Lawrence Wilkerson von einem Irankrieg dringend abgeraten, weil ein solcher Konflikt im besten Fall blutiger und kostspieliger als die aktuellen Kriege in Afghanistan und im Irak zusammen ausfallen und im schlimmsten Fall einen dritten Weltkrieg auslösen würde. Der US-Armeeoberst a. D. war während der ersten Amtszeit von George W. Bush als Präsident Stabschef von US-Außenminister Colin Powell. Er hat persönlich miterlebt, wie 2002/2003 die neokonservativen Kriegstreiber in Washington mit Hilfe zionistischer Falken in Israel einen Vorwand für den Krieg gegen den Irak Saddam Husseins mit Geheimdienstmanipulationen - Stichwort "Massenvernichtungswaffen" - erschwindelt haben.

Wilkerson sieht die Welt in einer ähnlich prekären Situation wie im Sommer 1914 vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Seine Analyse der geopolitischen Lage ist schlüssig wie auch wachrüttelnd. Damit jeder ihn lesen kann, hat Philip Weiss eine Abschrift des Wilkerson-Auftritts im Washingtoner Press Club samt anschließendem Frage-Antwort-Teil auf seinem vielgelobten, israelkritischen Nachrichtenportal Mondoweiss.net unter der Überschrift "Israel is trying to 'suck American into' Iranian war that could lead to world war" veröffentlicht.

6. März 2018


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