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NAHOST/1568: Bahrain schürt Kriegsstimmung am Persischen Golf (SB)


Bahrain schürt Kriegsstimmung am Persischen Golf

Doha betätigt sich im Auftrag Riads als Provokateur


Als sich im Februar 2011 Bahrains sunnitisches Herrscherhaus Al Chalifa mit der Forderung seiner 1,4 Millionen Untertanen, von denen die meisten Schiiten sind, nach demokratischem Mitspracherecht konfrontiert sah, wandte es sich an die befreundete Saud-Familie in Riad. Mitte März marschierten rund 1000 schwerbewaffnete Soldaten Saudi-Arabiens in Bahrain ein und machten mit brutaler Gewalt dem Demokratiespuk ein Ende. Sogar das Wahrzeichen der Hauptstadt, das Perlen-Monument am gleichnamigen Platz und Sammlungsort der friedlichen Demonstranten im Finanzzentrum Manamas, wurde niedergerissen und zerstört, um bloß kein Symbol des kurzen demokratischen Aufbruchs zu hinterlassen. Die damaligen Repressalien, die bis heute, wenn auch weniger spektakulär, andauern, wurden mit dem Argument begründet, die Protestbewegung sei nicht vom Wunsch nach umfassenderen politischen Rechten beseelt, sondern eine fünfte Kolonne Teherans, die Bahrain zu einem Vasallenstaat des schiitischen Irans machen wolle. Dieser Tage revanchieren sich die Al Chalifas für die damalige Nothilfe, indem sie ihrerseits Saudi-Arabien mit Vorwänden für einen großen Krieg gegen seinen ärgsten Feind Iran beliefern.

Bereits im März 2015, wenige Wochen nach dem Tod von König Abdullah, hatte Saudi-Arabiens neuer Monarch Salman seinen Lieblingssohn und Wunschnachfolger Mohammed einen Krieg im Jemen anzetteln lassen. Dort sollten schiitische Huthi-Rebellen wegen angeblich allzu großer Nähe zu Teheran in die Schranken gewiesen werden, was einer hauptsächlich aus Truppen Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) bestehenden Streitmacht bis heute nicht gelungen ist. Trotz oder vielleicht wegen der militärischen Blamage haben die Luftwaffen Riads und Abu Dhabis durch die gezielte Bombardierung der zivilen Infrastruktur im Jemen nicht nur zahlreiche Zivilisten getötet, sondern auch eine verheerende humanitäre Krise samt Cholera-Epidemie und Hungersnot verursacht.

Im Juni hat Saudi-Arabien die nächste Front im inoffiziellen Krieg mit dem Iran eröffnet, als es zusammen mit den VAE, Bahrain und Ägypten eine diplomatische und wirtschaftliche Blockade gegen Katar verhängte. Riad hat von Doha die Schließung des aus Sicht der Saudis allzu kritischen Nachrichtensenders Al Jazeera, den Abbruch der Beziehungen zum Iran sowie eine Einstellung der "Terrorfinanzierung" - gemeint ist die Unterstützung der Kataris für die Moslembruderschaft, in der die sunnitischen Petromonarchien eine existentielle Bedrohung ihres Herrschaftsanspruchs sehen, gefordert. Katar weigerte sich, das Ultimatum zu erfüllen, und hat statt dessen die wirtschaftlichen Kontakte zum Iran ausgebaut - vor allem, um die Lebensmittelsicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten - und die Truppenpräsenz der Türkei im Land um mehrere hundert Mann ausbauen lassen. Bei einem Besuch in Doha am 14. November hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan Katar demonstrativ den militärischen Beistand Ankaras in Aussicht gestellt. Damit dürften sich die Spekulationen um eine Blitzeinnahme Katars durch die saudische Armee, die in den letzten Wochen kursierten, vorerst als bloßes Wunschdenken einiger Hitzköpfe in Riad erledigt haben.

Seit Kronprinz Mohammed Bin Salman am 4. November den libanesischen Premierminister Saad Hariri in die saudische Hauptstadt bestellt hat, wo dieser seinen Rücktritt verkündete, sind die Spannungen zwischen Riad und Teheran erheblich eskaliert. In derselben Nacht ist eine von den Huthis abgefeuerte Rakete nahe des internationalen Flughafens von Riad niedergegangen. Ohne irgendwelche Beweise vorzulegen, behaupteten die Saudis, es habe sich um eine iranische Rakete gehandelt, und erklärten die Aktion zum offenen kriegerischen Akt Teherans. Die Iraner haben ihrerseits den Vorwurf als "lachhaft" abgetan und auf die umfangreichen Raketenbestände hingewiesen, über die die Huthis dank ihrer Allianz mit dem Teil der jemenitischen Streitkräfte, die dem Ex-Präsidenten Ali Abdullah Saleh die Treue halten, verfügen.

In einem Interview, das am 12. November im libanesischen Fernsehen ausgestrahlt wurde, hat Hariri erneut den Iran und die libanesische Hisb Allah bezichtigt, den Nahen Osten im allgemeinen und den Libanon im besonderen zu destabilisieren. Während die Libanesen davon ausgehen, daß Hariri und seine Familie Geiseln in Riad sind, behauptete der Baumagnat, dessen Firma die Saudis im Juli durch die verschleppte Zahlung verrichteter Aufträge in Milliardenhöhe in den Konkurs getrieben haben, er sei ein freier Mann und werde in den nächsten Tagen in den Libanon zurückkehren. Medienberichten zufolge wird Hariri auf Drängen des französischen Präsidenten Immanuel Macron zunächst samt Frau und Kindern nach Paris fliegen. Interessanterweise behauptet der außenpolitische Berater von Ajatollah Ali Khomenei, Ali Akbar Velayati, mit dem sich Hariri in Beirut unmittelbar vor der Einbestellung nach Riad getroffen hatte, der libanesische Premierminister habe angeboten, zwischen Saudi-Arabien und dem Iran zu vermitteln.

Sollte das stimmen, denn hat Hariri aus Sicht der Saudis, die offenbar in Absprache mit den Regierungen Donald Trumps in den USA und Benjamin Netanjahus in Israel auf Konfrontationskurs mit der Islamischen Republik gehen, einen verhängnisvollen Fehler begangen. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Riad am 16. November mit seinem französischen Amtskollegen Jean-Yves Le Drian hat der saudische Außenminister Adel Al Dschubeir kategorisch ein Ende der Teilnahme der Hisb Allah an der Regierung der nationalen Einheit im Libanon und eine Entwaffnung der Hisb-Allah-Miliz verlangt. Ungeachtet der Milliarden von Dollars, die sich Saudi-Arabien seit sechs Jahren seine Unterstützung der Al-Nusra-Front, des Islamischen Staats (IS) und anderer "Rebellengruppen" in Syrien hat kosten lassen, nannte Al Dschubeir die Hisb Allah eine "Terrororganisation erster Güte".

Für nächste Woche ist auf Antrag Saudi-Arabiens eine Dringlichkeitssitzung der Arabischen Liga geplant, auf der die "Umtriebe" des Irans und der Hisb Allah im Nahen Osten thematisiert werden sollen. Als Beweis für die unterstellte iranische Aggression soll besagter Raketenbeschuß der Huthis auf Riad herhalten. Hinzu kommt die Explosion einer Ölpipeline am 10. November in Bahrain - ein Vorfall, für den der bahrainische Innenminister Scheich Raschid bin Abdullah Al Chalifa, ohne Beweise vorzulegen, "Terroristen, die im direkten Kontakt mit dem Iran stehen und auf dessen Anweisung handeln", verantwortlich machte. Wie der Zufall es will, hatten nur einen Tag vorher Bahrain und Saudi-Arabien ihren Bürgern dringend empfohlen, den Libanon zu verlassen.

16. November 2017


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