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NAHOST/1522: Rivalen des libyschen Machtkampfs treffen sich in Abu Dhabi (SB)


Rivalen des libyschen Machtkampfs treffen sich in Abu Dhabi

Folgt auf das Treffen Al Sarradschs und Hifters echte Versöhnung?


Am 3. Mai ist es in Abu Dhabi zu einem Durchbruch bei den Bemühungen um eine Stabilisierung Libyens gekommen. An diesem Tag trafen sich in Abu Dhabi, nach Dubai die zweitgrößte Stadt der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Premierminister Fayiz Al Sarradsch von der international anerkannten Regierung der Nationalen Einheit (Government of National Accord - GNA) in Tripolis und "Feldmarschall" Khalifah Hifter, Oberbefehlshaber der Libyschen Nationalarmee (LNA) und damit des militärischen Arms des 2014 aus allgemeinen Wahlen hervorgegangenen Abgeordnetenhauses (House of Representatives - HoR). Dessen Mitglieder hatten sich nach Kämpfen mit islamistischen Kräften in der Hauptstadt ebenfalls 2014 ins östliche Tobruk abgesetzt. Ein geplantes Treffen unter Vermittlung Ägyptens zwischen Al Sarradsch und Hifter in Kairo war in Februar aus ungeklärten Gründen im letzten Moment geplatzt.

Obwohl das HoR an den Verhandlungen beteiligt gewesen war, aus denen Ende 2015 in Marokko die GNA hervorging, hatte es sich geweigert, Al Sarradsch und dessen Kabinett formal anzuerkennen. Wegen angeblicher Torpedierung des libyschen Friedensprozesses haben deshalb 2016 die EU und die USA Sanktionen gegen HoR-Sprecher Ageela Saleh verhängt. Das HoR, das nach dem Friedensplan für Libyen die Funktion einer nationalen Legislative erhalten bzw. fortsetzen sollte, war mit einigen Punkten der damaligen Vereinbarung unzufrieden. Die HoR-Vertreter beharrten darauf, daß im Rahmen des großen Kompromisses LNA-Chef Hifter weiterhin die wichtigste militärische Führungsposition entweder als Verteidigungsminister oder als Oberbefehlshaber der neu zu bildenden nationalen Streitkräfte erhalten sollte.

Seit 2014 führt die LNA im Osten und in der Mitte Libyens eine aggressive Offensive gegen islamistische Milizen durch und wird dabei von Ägypten, den VAE und Rußland unterstützt. Bis heute ist es Hifters Männern jedoch nicht gelungen, die Ansar Al Scharia vollständig aus ihrer Hochburg in Benghazi zu vertreiben. Noch im März haben Kämpfer, die der Ansar Al Scharia nahestehen sollen, zwei der Ölraffinerien, welche die LNA im vergangenen Jahr aus den Händen der bewaffneten Wachmannschaft "befreit" hatten, vorübergehend besetzt. Im April kam es nahe der südlichen Stadt Sabha am Nordrand der Wüste Sahara zu einem mehrtägigen Gefecht zwischen der LNA und Milizionären aus Misurata, die im Namen der GNA einen Militärflughafen besetzt hielten.

Zu solchen Zwischenfällen soll es nach dem Vier-Augen-Gespräch zwischen Al Sarradsch und Hifter in Abu Dhabi nicht mehr kommen. Nach dem Treffen ließen die beiden Rivalen im Machtkampf verlautbaren, daß GNA und HoR den politischen Dialog intensivieren und eine Bündelung ihrer jeweiligen militärischen Kapazitäten herbeiführen wollten. Presseberichten zufolge haben der Premierminister und der LNA-Oberkommandeur auch über landesweite Neuwahlen zum HoR gesprochen. Die Durchführung einer solchen Abstimmung wäre sicherlich dazu gedacht, dem 2012 entstandenen, heute noch existierenden Allgemeinen Nationalkongreß (General National Congress - GNC), dessen islamistische Kämpfer um Ex-Premierminister Khalifa Ghwell in Tripoli Al Sarradsch das Regieren schwermachen, seine verbliebene Restlegitimität endgültig zu entziehen.

In ihren jeweiligen Stellungnahmen haben sich Al Sarradsch und Hifter bei den Regierungen Italiens, Algeriens, Tunesiens, Ägyptens und der VAE für deren diplomatische Hilfe bedankt. Die kommenden Wochen werden nun zeigen, ob die wichtigsten Machtzentren in Libyen zu einer Zusammenarbeit fähig sind, die das Land vor dem drohenden Verlust der nationalen Einheit rettet. Entscheidend dürfte sein, ob die Verschmelzung von Hifters LNA mit der Libyschen Dämmerung, worunter die mächtigen Milizen aus Misurata firmieren, gelingt. In dieser Hinsicht dürften Zweifel angebracht sein. Gleich am Tag nach dem "Gipfeltreffen" in Abu Dhabi berichtete die Online-Zeitung Middle East Eye, daß die Libysche Dämmerung bereits elf ausländische Ingenieure und Piloten nach Misurata geholt habe, die für sie einige erbeutete Kampfjets vom Typ Mirage aus der Hinterlassenschaft Muammar Gaddhafis wieder funktionsfähig machen und eventuell fliegen sollen. Bezeichnenderweise stammten die MEE-Angaben über diese bedenkliche Entwicklung von Oberst Ahmed Almesmari von der LNA.

6. Mai 2017


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