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NAHOST/1506: Moskau unterstützt Libyens neuen starken Mann Hifter (SB)


Moskau unterstützt Libyens neuen starken Mann Hifter

Rußland hat angeblich einen "geheimen Plan" zur Stabilisierung Libyens


Am 18. Januar, zwei Tage vor der Amtseinführung von Donald Trump als 45. US-Präsident, hat sich die Regierung Barack Obamas, die 2011 noch mit Hillary Clinton als Außenministerin wesentlich zum gewaltsamen Sturz Muammar Gaddhafis beigetragen hatte, von Libyen mit einem massiven Luftangriff auf zwei Lager der "Terrormiliz" Islamischer Staat (IS) verabschiedet. Bei der Aktion sollen rund 90 Dschihadisten getötet worden sein. Der Angriff erfolgte irgendwo in der Wüste südwestlich der Stadt Sirte, aus der der IS im vergangenen Dezember nach monatelangen Kämpfen durch Milizionäre aus Misurata, die im Auftrag der Regierung der Nationalen Einheit (Government of National Accord - GNA) von Premierminister Fayiz Al Sarradsch handelten, vertrieben worden war.

Bei der Bekanntgabe der Aktion behauptete der scheidende US-Verteidigungsminister Ashton Carter, die IS-Kämpfer in Libyen hätten "Terroranschläge" in Europa vorbereitet und somit eine akute Bedrohung der Verbündeten Amerikas sowie dessen Nationalinteressen dargestellt. Auf der Pressekonferenz im Pentagon wischte Carters Sprecher Peter Cook die Frage eines Journalisten, ob die Teilnahme zweier Tarnkappenbomber von B-2, die extra aus den USA angeflogen waren, an der Operation neben mehreren in Tunesien stationierten Drohnen dazu gedacht sei, eine Botschaft an Rußland und China zu senden, beiseite. Der Luftangriff habe, wie Carter bereits erläutert hätte, der Terrorbekämpfung ausschließlich gedient; dies gelte auch für die Zusammensetzung der daran beteiligten Militäreinheiten, worüber die US-Kommandeure vor Ort allein entschieden hätten, so Cook.

Die etwa schwammige Formulierung des Pentagonsprechers - "Die Verwendung der B-2-Maschinen demonstriert die Fähigkeit der Vereinigten Staaten, durch das Global Strike Command der Luftwaffe über eine große Distanz entscheidende, präzise Gewalt zur Anwendung zu bringen" - läßt viel Spielraum für Interpretationen zu. Tatsache ist, daß der bemerkenswerte Flug der B-2-Bomber vom heimischen Stützpunkt Whiteman im Bundesstaat Missouri quer über den Atlantik nach Libyen und zurück genau eine Woche erfolgte, nachdem Libyens neuer starker Mann, "Feldmarschall" Khalifah Hifter, im Mittelmeer mit allen Ehren auf dem russischen Flugzeugträger Admiral Kusnezow empfangen wurde. Nach einer kurzen Besichtigung des nach dem Kriegseinsatz vor der syrischen Küste heimkehrenden Schiffs kommunizierte Hifter von dort aus aus per Videoschaltung mit dem russischen Verteidigungsminister Sergej Schoigu in Moskau. Gegenstand des Gesprächs war die Terrorbekämpfung und wie man sich dabei gegenseitig unterstützen könnte.

Hifter war früher Kampfgefährte Gaddhafis und General der libyschen Armee. Nach der Gefangennahme 1987 bei einer Militärintervention Libyens im Nachbarland Tschad setzte er sich in die USA ab, wo er angeblich von der CIA finanziell über Wasser gehalten wurde. 2011 kehrte er nach Libyen zurück und beteiligte sich am Aufstand gegen Gaddhafi. Hifter befehligt die Libysche Nationalarmee (LNA), die das Abgeordnetenhaus (House of Representatives - HoR) im östlichen Tobruk im aktuellen Machtkampf mit dem von islamistischen Kräften dominierten Allgemeinen Nationalkongreß (General National Congress - GNC) in Tripolis unterstützt. Seit 2014 liefern sich Hifter und die LNA im Osten Libyens, besonders in Benghazi, mit islamistischen Gruppierungen wie die Ansar Al Scharia heftige Kämpfe.

2015 wurde unter der Mitwirkung der Vereinten Nationen die Regierung der nationalen Einheit unter der Leitung von Al Sarradsch aus der Taufe gehoben. Bis heute hat sich jedoch die GNA weder politisch noch militärisch durchsetzen können. Das HoR verweigert ihr die Gefolgschaft, während die Bevölkerung wegen des anhaltenden Niedergangs der Lebensbedingungen - hohe Arbeitslosigkeit, sinkende Kaufkraft des libyschen Dinars, marodierende Banden - mit ihr allmählich die Geduld verliert. Wegen der offensichtlichen Schwäche der GNA haben Milizionäre um Khalifa Ghwell, dem früheren Premierminister des GNC, Mitte Januar mehrere Ministerien in Tripolis besetzt. Vermutlich um nicht gänzlich von der politischen Landkarte getilgt zu werden, will sich Al Sarradsch demnächst in Kairo mit Hifter treffen und bei diesem Anlaß wahrscheinlich um dessen militärische Hilfe bitten.

Während Al Sarradschs bisherige Verbündeten, die Milizen aus Misurata, 2016 hohe Verluste beim monatelangen Kampf um die IS-Hochburg Sirte verzeichnen mußten, haben Hifters Männer im September vergangenen Jahres, und ohne nur einen Schuß abzugeben, die wichtigsten Ölraffinerien und -verladehäfen Libyens besetzt. Hifter, der angeblich 60.000 Mann unter Waffen hat, kontrolliert damit die wichtigste Einnahmequelle des libyschen Staats. An ihm kommt inzwischen niemand vorbei. Während die USA und EU weiterhin zu Al Sarradsch halten, haben die Russen die Zeichen der Zeit erkannt und Hifter im vergangenem November in Moskau empfangen. Dort führte er politische Gespräche mit Außenminister Sergej Lawrow.

Seit langem gelten Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emiraten als die wichtigsten Verbündeten Hifters. Es hat den Anschein, als wäre Rußland gewillt, diese Rolle zu übernehmen. Schließlich war Rußland zu Gaddhafis Zeiten der Hauptrüstungslieferant Libyens. Durch den Putsch 2011 gingen Moskau Waffenexportaufträge im Wert von vier Milliarden Dollar verloren. An die alten Verbindungen will der Kreml anknüpfen und drängt deshalb im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen darauf, das Waffenembargo für Libyen - aus dem bisher lediglich Al Sarradschs GNA ausgenommen ist - auch für das HoR und Hifters LNA aufzuheben.

Am 25. Januar berichtete exklusiv die Onlinezeitung Middle East Eye von einem "geheimen Plan" Rußlands, mit Hilfe Algeriens Hifters Aufstieg zum wichtigsten Politiker Libyens zu vollenden. Angeblich soll Algerien der LNA zwecks "Terrorbekämpfung" größere Mengen Waffen aus eigenen Beständen zukommen lassen, welche Rußland seinerseits durch modernes Kriegsgerät ersetzt. Im Gegenzug soll Rußland die Einrichtung mehrerer Militärbasen, darunter auch eines Marinehafens, auf libyschen Boden gestattet bekommen. Über die Bemühungen Rußlands um eine Stabilisierung Libyens dürften die EU-Großmächte und die USA, die sich am liebsten als einzige nicht-afrikanische Friedensbeschaffer auf dem schwarzen Kontinent betätigen, nicht sonderlich erfreut sein.

27. Januar 2017


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